Gravitationswellenforschung: Neues von der dunklen Seite des Universums

Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erzeugt neue Begeisterung für die Wissenschaft.


Wenn es etwas gibt, was Deutschland dringend braucht, ist es Optimismus und Forschergeist. Daß dafür aller Grund und viel Zukunftspotential vorhanden ist, zeigte sich bei der Frühjahrstagung 2016 der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die dieses Jahr ihre Sektionskonferenzen an vier Standorten in Deutschland abhielt. Bei der Eröffnungstagung an der Leibniz-Universität in Hannover vom 29. Februar bis 4. März konnten gleich auf mehreren Wissenschaftsfeldern bahnbrechende neue Fortschritte in der Erkenntnis unseres Universums vorgestellt werden – so in der Fusionsforschung (Wendelstein-Experiment), der Exobiologie (der Erforschung des Lebens im Universum) und natürlich vor allem der erstmalige Nachweis der von Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie zur Krümmung der Raumzeit postulierten Existenz von Gravitationswellen im Universum.

Insbesondere letztgenanntes Thema fand so großes Interesse, daß die öffentliche Vorlesung von Prof. Karsten Danzmann, dem Leiter des Albert-Einstein-Instituts (AEI) und des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik an der Leibniz Universität Hannover über „Gravitationswellenastronomie: Neues von der dunklen Seite des Universums!” am 2. März alle Besucherrekorde brach und über 1700 Teilnehmer in vier große Hörsäle drängten. Die Begeisterung und Spannung war groß, auch deshalb, weil zwei Forscher des GEO600-Gravitationswellendetektors in Ruthe/Sarstedt bei Hannover am Morgen des 14. September 2015 als erste die Signale entdeckt hatten, die in den Meßstationen der aLIGO-Einrichtungen in den USA (Livingston, La. und Hanford, Wash.) am frühen Morgen registriert worden waren.

In seinem inspirierenden Vortrag schlug Prof. Danzmann einen Bogen von Einsteins Entdeckung der Allgemeinen Relativitätstheorie vor fast genau 100 Jahren bis zum LISA-Pathfinder-Experiment zur Vorbereitung der Aufzeichnung niedrigfrequenter Gravitationswellen im Weltraum. Neben einer Video-Gratulationsbotschaft des Physikers Stephen Hawkin zu der bahnbrechenden Entdeckung spielte Prof. Danzmann einen kurzen Audioclip von Einstein sowie das registrierte Gravitationswellensignal vor. Er schilderte den Stand der Forschung und ging auch auf die Pionierarbeit deutscher Forscher ein, die es sich gegen viele Widerstände zur Lebensaufgabe gemacht hatten, die von Einstein postulierten Gravitationswellen experimentell nachzuweisen. Danzmann erinnerte daran, daß Einstein selbst sich nicht hatte vorstellen können, daß eine derart präzise Messung solcher Wellen jemals möglich sein würde, und sagte mit berechtigtem Stolz, Einstein hätte sicher nichts dagegen, in diesem Punkt nun widerlegt worden zu sein.

Die Laser Interferometer Space Antenna (LISA) war anfangs ein Gemeinschaftsprojekt von ESA und NASA zur Entwicklung eines raumgestützten Gravitationswellen-Detektors. 2010 stieg die NASA aufgrund immer weiterer Budgetkürzungen aus dem Projekt aus, das die ESA jetzt 2034 starten will. LISA registriert von Gravitationswellen induzierte Verzerrungen der Raumzeit, indem Veränderungen in der Trennung von Referenzmassen in drei 5 Mio. Kilometer voneinander entfernten Raumkapseln gemessen werden. Bild: NASA

Die LIGO-Forschung (Laser Inferometer Gravitationalwave Observatory) wird innerhalb der internationalen LIGO Scientific Collaboration (SC) durchgeführt, zu der mehr als 1000 Forschende von Universitäten in den USA und 14 weiteren Ländern gehören. Das Detektornetzwerk der LSC umfaßt die LIGO-Inferometer und den GEO600-Detektor. Viele der Schlüsseltechnologien, die die aLIGO-Experimente (advanced LIGO) in den USA im Herbst 2015 um ein vielfaches empfindlicher machten, so daß sie im September 2015 die Signale auffangen konnten, wurden von der GEO-Kollaboration entwickelt.

GEO600 ist ein interferometrischer Gravitationswellen-Detektor nahe Hannover mit 600 Meter langen Röhren für die Laserstrahlen; er wird von Wissenschaftlern des MPI für Gravitationsphysik und der Leibniz-Universität Hannover zusammen mit Partnern in Großbritannien betrieben und ist eine Ideen- und Technologieschmiede für die LIGO-Forschung. Forschende des AEI haben gemeinsam mit Kollegen des Laser-Zentrums Hannover e.V. die für die hochpräzisen Messungen entscheidenden Hochleistungslasersysteme von aLIGO entwickelt und installiert. Max-Planck-Forscher entwickelten hochgenaue Wellenformmodelle und fortschrittliche Datenanalyse-Methoden für die Gravitationswellen-Signale. Der vom AEI betriebene Cluster ATLAS, der weltweit leistungsfähigste Großrechner für die Suche nach Gravitationswellen, stellte den Hauptteil der Rechenleistung für die Analyse von aLIGO-Daten zur Verfügung.

Mit dem jetzigen Durchbruch sei ein neues Fenster ins Universum aufgestoßen worden, betonte Prof. Danzmann. Elektromagnetische Wellen vom Gamma- bis in den Radiobereich lieferten bisher Informationen über die äußere Beschaffenheit astrophysikalischer Quellen, während terrestrische und auch die geplanten weltraumgestützten Gravitationswellen-Observatorien wesentliche neue Erkenntnisse über Einzelobjekte und über das Weltall in seiner Gesamtheit überhaupt erst möglich machten. Mit diesem neuen „Sinnesorgan”, so Danzmann, habe die Zukunft der Gravitationswellenastronomie, die uns neue Aufschlüsse über die Krümmung der physikalischen Raumzeit und deren Gesetzmäßigkeiten geben werde, gerade erst begonnen.

Jetzt könnten gewaltige kosmische Ereignisse, von deren Existenz mit den bisher verfügbaren Beobachtungsmöglichkeiten im sichtbaren Licht bzw. auf anderen elektromagnetischen Wellenlängen überhaupt nichts bekannt war, wahrgenommen und untersucht werden.

Sei es nicht faszinierend, daß wir als Menschheit im September 2015 mit unglaublich feinen Gerätschaften Gravitationswellen auffangen konnten, die über die bisher gewaltigste beobachtete Explosion im Universum – eine Verschmelzung zweier schwarzer Löcher vor ca. 1,3 Mrd. Jahren – Kunde ablegte, fragte er. Zu dieser Zeit seien auf der Erde gerade die ersten Einzeller entstanden!

Hieran zeigt sich deutlich, daß der Mensch keineswegs ein „Erdling” ist. Wenn wir unsere eigene Entstehungsgeschichte und die kosmischen Einflüsse verstehen wollen, denen wir ausgesetzt sind, müssen wir den Weltenraum erobern. Das Universum ist keine Ansammlung von Einzelteilen, die man getrennt voneinander betrachten kann. Es ist auch nicht starr oder fix. Die Messung von Gravitationswellen ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Geometrie des Raumes, wie Einstein sagte, durch die Massen und ihre Konfigurationen bestimmt wird, und deshalb ein physikalischer Raum ist, der sich beständig verändert.

Auf zu eLISA

Seinen Vortrag schloß Danzmann mit einem Bericht über den Stand der faszinierenden Technologie-Demonstrationsmission LISA-Pathfinder, die von der ESA betreut wird und an der er selbst federführend mitarbeitet. Sie bereitet die für 2034 vorgesehene M3-Mission eLISA der ESA vor, die als Weltraumobservatorium niederfrequente Gravitationswellen im Frequenzbereich von weniger als 0,1 Millihertz bis zu 0,1 Hertz beobachten soll. Die Abkürzung eLISA bedeutet evolved Laser Interferometer Space Antenna.

Dieses Fenster ins Weltall wird noch viel mehr Aufschluß über die „dunkle Seite des Universums” liefern können, als dies von der Erde aus möglich ist, wo Gravitationswellen aufgrund von Störfaktoren nur in einem höheren Frequenzbereich zwischen etwa zehn und 10.000 Hertz gemessen werden können. eLISA wird aus einem Cluster von drei Satelliten, einem Mutter- und zwei Tochtersatelliten, an den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks mit etwa zwei Millionen Kilometern Seitenlänge bestehen, das der Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne in einem Abstand von etwa 50 Millionen Kilometern folgt. Die gesamte Konfiguration ist dabei um 60 Grad gegen die Bahnebene der Erde um die Sonne (Ekliptik) geneigt. Mutter- und Tochtersatelliten nutzen Testmassen im perfekten freien Fall, die von allen äußeren Kräften außer der Gravitation isoliert sind.

Durch Gravitationswellen hervorgerufene minimale Abstandsänderungen zwischen den Testmassen zweier Satelliten sollen so nachgewiesen werden. Dabei beträgt die erforderliche Meßgenauigkeit der Abstände rund 1/100 des Durchmessers eines Wasserstoffatoms (10–12 m) bei einem Abstand von zwei Millionen Kilometern.

Die jetzt aktive LISA Pathfinder-Mission testet die erforderlichen Schlüsseltechnologien im Weltraum. LISA Pathfinder enthält einen der sogenannten Laserarme, der auf 38 Zentimeter verkleinert wird, damit er in den Satelliten paßt. Darin ist ein Paar identischer Gold-Platin-Würfel in Vakuumkammern enthalten. Wissenschaftler der laufenden Mission stellen nun sicher, daß sich die Massen tatsächlich nur unter dem Einfluß der Schwerkraft bewegen. Max-Planck- und Leibniz-Universität-Forscher leiteten und überwachten die Konstruktion des präzisen optischen Meßsystems, das dafür genutzt wird.

Der Funken der Begeisterung über das, wozu der menschliche Geist fähig ist, und das Staunen über die Implikationen von Einsteins revolutionärer Sicht des Universums sprang in Hannover an diesem Abend bei vielen sichtlich über. Ein neues Paradigma der menschlichen Zivilisation mit der Entwicklung der Kreativität im Mittelpunkt liegt vor uns – wenn wir uns als neue „Pfadfinder” verstehen und die Herausforderung annehmen, den Staub des pessimistischen grünen Zeitgeists endlich abzuschütteln.

Lassen wir uns beim Studium der Prinzipien unseres Universums vom neuesten Stand der Forschung und Entwicklung begeistern! Wer sich mit diesen Fragen auseinandersetzen möchte, findet auf den folgenden Webseiten jede Menge Material zum Stand der Gravitationswellenforschung, GEO600, LISA/Pathfinder u. v. m.((www.dlr.de/rd/desktopdefault.aspx/tabid-2448/3635_read-545; www.geo600.org/2337/de www.aei.mpg.de/68674/latest_news))

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