Die Bedeutung der chinesischen Mission zur Rückseite des Mondes

Der vorliegende Artikel basiert auf einem Vortrag des Autors in der „New Paradigm”-Internetsendung des LaRouche-Aktionskomitees am 5. Februar 2016.


Während die USA ihre Raumfahrtkapazitäten immer mehr abbauen, etabliert sich gleichzeitig China als eine der großen Raumfahrtnationen der Welt. Für alle Welt sichtbar wurde dies bei einem wichtigen Durchbruch des chinesischen Mondprogramms, als im Dezember 2013 im Zuge von Chinas Mission Chang’e-3 zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder ein Fahrzeug auf dem Mond abgesetzt wurde, nämlich der Rover Yutu. Die Aufmerksamkeit der ganzen Menschheit war geweckt, und neue Phantasien über die Nutzung des Mondes setzten ein.

Yutu ist nur ein Element des dreiphasigen chinesischen Mondprogramms Chang’e (der Name einer chinesischen Mondgöttin). Die erste, inzwischen abgeschlossene Phase bestand darin, zur Erkundung unseres Nachbartrabanten Orbitalsonden in eine Mondumlaufbahn zu schicken. In der zweiten, derzeit laufenden Phase kommen Landefahrzeuge und Rover zum Einsatz, wozu auch der brillante Erfolg der Chang’e-3-Mission und des Rovers Yutu gehören (siehe Abbildung 1). Kürzlich hat China weitere hochauflösende Bilder von dieser Mission veröffentlicht.((Diese Bilder finden Sie auf der Internetseite der Nationalen Astronomischen Observatorien der Chinesischen Akademie der Wissenschaft unter dem Titel „Science and Application Center for Moon and Deepspace Exploration” (moon.bao.ac.cn). Ein begeisterndes Video über den Aufbruch des Rovers zu seiner Erkundungsfahrt auf dem Mond finden Sie unter: http://youtube.com/watch?v=WVnw-61Hb0Q))

Abbildung 1. Ausschnitt aus einem 360°-Panorama mit dem Mondrover Yutu, das nach der Entladung des Rovers aus der chinesischen Mondlande-Sonde Chang’e-3 aufgenommen wurde. Quelle: CNSA/Chinanews/Ken Kremer/Marco Di Lorenzo

Die Mission Chang’e-4 gehört ebenfalls in die zweite Phase des chinesischen Mondprogramms. Sie war ursprünglich als Reservemission konzipiert, falls bei Chang’e-3 irgend etwas schiefgehen sollte. Aber da Chang’e-3 ein durchschlagender Erfolg war, widmete man kurzerhand das Ziel von Chang’e-4 um – nämlich auf der erdabgewandten Seite des Mondes zu landen. Damit wird die zweite Phase abgeschlossen sein.

In der dritten Phase soll dann eine Sonde auf dem Mond landen, Gesteinsproben von der Mondoberfläche einsammeln und zur Erde zurückbringen.

Ursprünglich war die Chang’e-4-Mission zur Rückseite des Mondes erst für 2020 vorgesehen, aber nun hat Chinas Weltraumbehörde diese Mission schon für Ende 2018 angekündigt. Erstmals wird damit die Menschheit ein Objekt auf der erdabgewandten Seite des Mondes absetzen. Alle amerikanischen Apollo-Missionen führten zur erdzugewandten Seite des Mondes, genauso die unbemannten sowjetischen Missionen. Sonden haben aus einer Mondumlaufbahn zwar bereits Aufnahmen von dessen erdferner Seite gemacht, aber jetzt soll erstmals ein Gerät dort landen.

Gewöhnlich nennt man die Rückseite des Mondes auch seine „dunkle” Seite, aber das ist nicht ganz richtig. Bei seiner regelmäßigen 28tägigen Umkreisung der Erde wendet der Mond die erdnahe wie auch die erdferne Seite der Sonne zu, so daß die erdferne Seite nur zeitweise dunkel ist. Trotzdem kann man in gewisser Hinsicht von einer „dunklen” Seite sprechen – nämlich, weil wir so wenig von ihr wissen.

Die Schwierigkeit zur Erforschung dieser Mondregion liegt darin, daß die erdferne Seite von der direkten Radiokommunikation mit der Erde abgeschnitten ist. Deshalb wird im Rahmen der Chang’e-4-Mission ein Relaissatellit am sog. Erde-Mond-Lagrangepunkt L2 stationiert, einer günstigen, stabilen Position im Gravitationsfeld von Erde und Mond. Der Punkt L2 ist einer von wenigen „L-Punkten”, die man bei der Raumfahrt sozusagen als Parkplatz verwenden kann, weil Satelliten von dort nicht allzu weit aus ihrer Position gegenüber Erde und Mond abdriften. Für die Chang’e-4-Mission wird China den Punkt L2 verwenden, der jenseits des Mondes auf einer geraden Linie von der Erde über den Mond hinaus liegt und mit der Bewegung des Mondes um die Erde kreist (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2. Es gibt fünf Stellen im Erde-Mond-System, die sogenannten Lagrange-Punkte L1–L5, an denen sich die Schwerkraft von Erde und Mond gegenseitig aufhebt, so daß dort „geparkte“ Satelliten stabil oder annähernd stabil an diesen Positionen bleiben. Die in der Grafik gezeigten Konturlinien deuten die Stärke des Gravitationsfeldes an und zeigen, warum sich diese Lagrange-Punkte dort befinden, wo sie sind. Bild: David A. Kring, LPI-JSC Center for Lunar Science and Exploration

China will also einen Kommunikationssatelliten genau an diese Stelle schicken, von wo der Satellit stets eine sichere Funkverbindung nicht nur zur Erde, sondern auch zur Landesonde Chang’e-4 auf der erdabgewandten Seite des Mondes haben wird – ein wirkliches Novum in der Raumfahrt.

Warum die erdferne Seite erkunden?

Was ist „hinter dem Mond” eigentlich so interessant? Man muß das mit der Weitsicht des großen Raumfahrtpioniers Krafft Ehricke betrachten, der als Vision vorgegeben hat, daß sich die Menschheit zu einer „Gattung des Sonnensystems” weiterentwickeln müsse.

Die erdferne Seite des Mondes eröffnet dem Menschen einzigartige und ganz wesentliche Forschungsmöglichkeiten. So gibt es dort im Mondgestein beispielsweise eine höhere Konzentration von Helium-3, das ständig von der Sonne dort abgelagert wird.((Lesen Sie hierzu das Material auf der Internetseite des LaRouche-
Aktionskomitees LPAC „The Lunar Helium-3 Fusion Driver”. Und auch „Die USA und die Helium-3-Revolution”, Interview mit Prof. Kulcinski, in FUSION 2/2014.)) Da die erdnahe Mondseite oft durch die Erde von der Sonne abgeschirmt wird, wird vermutet, daß dadurch ein Teil des Helium-3-Niederschlags durch den Sonnenwind blockiert wird. Deshalb erwartet man auf der ständig von der Erde abgewandten Seite eine höhere Konzentration von Helium-3, dem vermutlich besten uns bekannten Brennstoff für die Kernfusion. Die Sonne erzeugt dieses einzigartige Isotop und pumpt es hinaus ins Sonnensystem. So hat sich seit Milliarden Jahren eine nicht unerhebliche Menge davon auf der Oberfläche des Mondes abgelagert.

Zweitens weist die erdferne Seite des Mondes eine einzigartige Geologie auf. Auf den hochauflösenden Bildern der NASA-Mondsonde ist klar zu erkennen, daß die erdferne Seite ein völlig anderes Aussehen hat. Die erdzugewandte Seite ist zum großen Teil von dunklen Flecken bedeckt; diese sogenannten Maria((Lateinisch, Plural von Mare (Meer). Früher glaubten die Astronomen, bei diesen vulkanischen Ebenen handele es sich um Meere.)) entstanden durch vulkanische Ausflüsse. Die erdferne Seite ist viel weniger durch diese späteren vulkanischen Aktivitäten verändert worden, so daß sie viel besser die früheren Entwicklungsphasen des Mondes widerspiegelt (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3. Aufnahmen der erdzugewandten Seite (oben) und
der erdabgewandten Seite (unten) des Mondes, aufgenommen
im Jahr 2009 von der Monderkundungssonde der NASA.

Wenn man also Antworten auf grundlegende Fragen über den Mond, seine Entstehung, seine Wechselwirkung mit dem Sonnensystem und sogar über die Wechselwirkung zwischen dem Sonnensystem und der Galaxis sucht, d.h. nach Orten, wo man weit zurückreichende Informationen darüber finden kann, was mit den verschiedenen Teilen der Planeten in den letzten Milliarden Jahren passiert ist, dann bietet die Rückseite des Mondes gewaltige Vorteile. Und es gibt noch mehr interessante Aspekte, die man auf der erdfernen Seite des Mondes findet.

Bei den topographischen Eigenschaften des Mondes fällt als ein besonders interessanter Ort das Aitken-Becken auf, ein sehr großer, tiefer Einschlagskrater auf der erdfernen Seite nahe des Südpols (siehe Abbildung 4). Es ist denkbar, daß China seine Chang’e-4-Sonde dort absetzen könnte, weil das Aitken-Becken einer der größten bekannten Einschlagskrater im ganzen Sonnensystem ist. Er ist mit 6 km so tief, daß er bis in die unteren Schichten der Mondoberfläche hinabreicht und diese für geologische Untersuchungen zugänglich macht.

Abbildung 4. Der Aitken-Krater in der Nähe des Südpols des Mondes, aufgenommen von der Apollo-17-Mission. Foto: NASA

Tatsächlich wissen wir noch immer furchtbar wenig über unser Sonnensystem und über die planetaren Himmelskörper. Doch dieses Wissen könnte in vielfacher Hinsicht für uns von Bedeutung sein. Nehmen wir einige Beispiele.

Die Apollo-Astronauten hatten auch Seismographen auf den Mond mitgenommen, denn man vermutete dort seismische Aktivitäten durch thermische Expansion aufgrund der unterschiedlichen Erwärmung des Mondgesteins durch die Sonne, sowie seismische Aktivitäten infolge von Meteoriteneinschlägen. Diese Phänomene wurden auch tatsächlich gemessen – aber man registrierte außerdem erdbebenartige Aktivitäten tief unter der Mondoberfläche – Mondbeben. Das war bis dahin nicht für möglich gehalten worden, und es gibt bis heute noch keine Erklärung dafür, warum der Mond immer noch seismisch aktiv ist.

Oder nehmen wir eine andere, noch jüngere Entdekkung: Erst in den letzten Jahren ist man auf Hinweise gestoßen, daß der Mond noch in den letzten 100 Millionen Jahren vulkanisch aktiv war. Früher glaubten die Experten, der Mond sei schon seit Milliarden von Jahren nicht mehr vulkanisch aktiv, sondern einfach nur ein kalter, toter Himmelskörper. Nun stellen wir fest, daß er nach dem Maßstab geologischer Zeiträume noch in relativ junger Vergangenheit vulkanisch aktiv gewesen ist.((S. E. Braden et al., „Evidence for Basaltic Volcanism on the Moon
within the Past 100 Million Years”, Nature Geoscience, vol. 7, 787–791, online veröffentlicht am 12.10.2014.))

Aber nicht nur das – diese jüngeren Perioden vulkanischer Aktivität des Mondes decken sich mit Zeiträumen, in denen es auch auf der Erde intensive vulkanische Aktivitäten gab.((Siehe Benjamin Deniston: ”Earth-Moon Comparative Planetology”,www.larouchepub.com/eiw/public/2015/eirv42n28-20150717/40-43_4228.pdf
sowie Benjamin Deniston, ”Near Simultaneous Multi-Planet Volcanism on Geological Timescales as Evidence for a Cosmic Driver of Planetary Geophysical Activity?”, New Concepts in Global Tectonics, 4:1, März 2016 (erscheint demnächst).)) Bloß ein Zufall? Denkbar wäre jedenfalls, daß dahinter ein höherer Prozeß steckt, der auf das Sonnensystem als ganzes einwirkt. Solche Fragen lenken unsere Aufmerksamkeit auf das größere System der Galaxis.((Siehe auch Benjamin Deniston, „Eine Wernadskijsche Neubewertung galaktischer Zyklen und der Evolution”, in diesem Heft.))

Die „dunkle“ Seite des Mondes: Radiowellen

Drittens bietet uns die Rückseite des Mondes ein ganz neues Fenster für Untersuchungen des Universums insgesamt. Erstmals wird es möglich sein, kosmische Phänomene im sehr langwelligen Radiospektrum zu beobachten. Die chinesischen Forscher erwägen, im Rahmen der Chang’e-4-Mission erste radioastronomische Beobachtungen in diesem niedrigsten Frequenzbereich anzustellen.

Warum ist das wichtig? Der Mensch beobachtet das Universum nicht nur in jenem Teil des elektromagnetischen Spektrums, den wir mit unseren Augen wahrnehmen können, d. h. Licht im Bereich zwischen roter und violetter Strahlung. Bekanntermaßen ist das bloß ein sehr kleiner Teil des gesamten Spektrums, in dem physikalische Prozesse im Universum Strahlung aussenden. Der Mensch hat immer mehr Bereiche dieses elektromagnetischen Spektrums entdeckt und Meßinstrumente konstruiert, um Phänomene im Universum in diesen verschiedenen Wellenlängen zu beobachten. Und jedesmal, wenn wir das tun, erleben wir Überraschungen, weil wir dabei auf unerwartete Phänomene stoßen.

Das Bild der Sonne in Abbildung 5 veranschaulicht dies. Es ist eine Montage von Bildern, die gleichzeitig mit verschiedenen Instrumenten aufgenommen wurden, die jeweils für einen anderen Bereich des elektromagnetischen Spektrums empfindlich sind und uns einen Eindruck vermitteln, was für unterschiedliche Prozesse wir sehen, wenn wir sie in den verschiedenen Bereichen des Spektrums betrachten.

Abbildung 5. Verschiedene Frequenzen des elektromagnetischen Spektrums zeigen verschiedene Phänomene. Das Bild ist eine Montage von Aufnahmen der Sonne in verschiedenen Frequenzen – einige zeigen eine „Körnung“, andere zeigen die Struktur des Magnetfeldes, andere zeigen Sonneneruptionen. Das elektromagnetische Spektrum erstreckt sich von Gammastrahlen (mit hohen Frequenzen) über Röntgenstrahlen, ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht bis zu Mikrowellen und Radiowellen (mit niedrigen Frequenzen). Bild: GSFC Scientific Visualization Studio, SDO, NASA

Das gleiche Prinzip läßt sich eindrucksvoll demonstrieren, wenn man Galaxien betrachtet. Im optischen Bereich – das, was man durch ein einfaches Teleskop zuhause im Hinterhof sieht, aber auch das Hubble-Teleskop ist ein optisches Instrument – sieht man vielleicht eine spiralförmige Scheibe oder eine elliptische Galaxie. Aber im Radiofrequenzbereich betrachtet, sieht man an den gleichen Galaxien etwas völlig anderes, von dessen Existenz wir sonst nie erfahren hätten. Manchmal sieht man im Radiofrequenzbereich gewaltige Plasmastrukturen. Ein zentrales Phänomen, das ganz entscheidend ist, um die grundlegenden physikalischen Eigenschaften dieser galaktischen Systeme zu verstehen, ist also im optischen Spektralbereich vollkommen unsichtbar! Aber im Bereich bestimmter anderer Wellenlängen öffnet sich uns ein ganz neues Fenster (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6. Die Galaxie Herkules A dargestellt im Radio- und optischen Spektrum. Das Bild unten wurde mit dem Hubble-Teleskop im Bereich des sichtbaren Lichts aufgenommen, es zeigt Galaxien und Sterne, aber keine Plasmawolken. Das Bild in der Mitte wurde mit dem Very Large Array Radioteleskop in Socorro im US-Staat New Mexico aufgenommen und zeigt dieselbe Himmelsregion im Bereich der Radiowellen – man sieht die Plasmawolken, aber keine Galaxien. Foto: NASA, ESA, S. Baum and C. O’Dea (RIT), R. Perley and W. Cotton (NRAO/AUI/NSF), and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Daran arbeiten Forscher schon seit Jahrzehnten. Es wurden Satelliten in den Weltraum geschossen, um von dort besser die energieintensiveren Bereiche betrachten zu können, d.h. die höheren Frequenzbereiche im Ultravioletten, der Röntgen- und Gammastrahlung. Aber auch in die andere Richtung wurde geblickt, in den Infrarotbereich und in noch niedrigere Energiebereiche bis hinunter zu den Radiowellen. Viel bleibt noch zu tun: Die Auflösung wird verbessert, die Blicktiefe wird größer, und die Bilder werden immer klarer.

Aber es gibt einen großen Bereich des Spektrums, der bisher unserer Beobachtung noch nicht zugänglich ist, nämlich das Universum im Bereich der sehr niedrigen Radiofrequenzen zu betrachten.((„Very low frequency” (VLF) nennen die Astronomen den Bereich von einigen Hundert Kilohertz bis einigen zehn Megahertz, im Unterschied zu der Definition sehr niedriger Frequenzen, die Elektroingenieure verwenden; diese liegt noch deutlich niedriger.)) Das ist von der Erde aus nicht möglich. Der Grund dafür ist, daß viele Radiowellen in diesem Frequenzbereich nicht bis zur Erdoberfläche durchdringen – sie werden von der Ionosphäre reflektiert. Zudem dienen lange Radiowellen auch verbreitet zur Kommunikation auf der Erde, weshalb das Erdumfeld in diesem Bereich voller störender Geräusche ist. Und die Erde selbst sendet sehr starke Signale in diesem Bereich aus, weswegen auch Satelliten in einer Erdumlaufbahn für Messungen in diesem Frequenzbereich nicht geeignet sind. Es ist unmöglich, von der Erde oder selbst von einer Erdumlaufbahn aus das Universum im Bereich dieser sehr niedrigen Frequenzen ungestört zu betrachten.

Schon vor Jahrzehnten haben Wissenschaftler erkannt, daß die erdabgewandte Seite des Mondes der beste Ort ist, um solche Beobachtungen anzustellen.((In den Vereinigten Staaten wurde beispielsweise im Bericht des Nationalen Forschungsrates von 2007 über die allgemeine wissenschaftliche Bedeutung der Rückkehr zum Mond („The Scientific Context for Exploration of the Moon”) die einzigartige Bedeutung der erdfernen Seite des Mondes für die Niedrigfrequenz-Astronomie hervorgehoben.)) Durch die Masse des Mondes ist dieser Bereich, der ständig von der Erde abgewandt ist, gegen die natürlichen und menschengemachten Radiostörungen der Erde abgeschirmt. Zudem hat der Mond eine extrem dünne Atmosphäre, so daß die Signale im Niedrigfrequenzbereich leicht bis zur Mondoberfläche durchdringen. Dort hinter dem Mond bietet sich uns somit ein ganz einzigartiges Fenster, durch das wir das Universum in einem ganz neuen Spektralbereich betrachten können.

Darüber wird schon seit den 1960er Jahren diskutiert;((Vgl. Abschnitt 2.1 in Yuki David Takahashi, New Astronomy from the Moon: A Lunar Based Very Low Frequency Radio Array, 2003.)) Forscherteams haben genau untersucht, wie wichtig es ist, Zugang zu diesem Teil des Spektrums zu erhalten, und belegt, daß die erdferne Seite des Mondes wirklich der einzige Ort in relativer Nähe zur Erde ist, wo dies möglich ist.((Auf Grundlage mehrerer gründlicher Untersuchungen wird dieses Thema in einem 70seitigen Bericht der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) behandelt: Very Low Frequency Array on the Lunar Far Side.))

Man vermutet, daß bestimmte fundamentale Prozesse von Galaxien nur in diesem Bereich Strahlung aussenden. Und im kleineren Maßstab unseres Sonnensystems vermutet man, daß auch bestimmte grundlegende Prozesse der Sonne nur in diesem Frequenzbereich „sichtbar” sind (siehe nebenstehende Erläuterung). So wissen wir beispielsweise immer noch nicht, warum es explosionsartige Ereignisse an der Oberfläche der Sonne gibt – Sonneneruptionen und koronale Massenauswürfe –, die eine Gefahr für Astronauten draußen im Weltraum, für Satelliten und auch für elektrische Anlagen auf der Erde darstellen. Wir verstehen immer noch nicht die physikalischen Prozesse, durch die es zu diesen explosiven Sonnenaktivitäten kommt, und man vermutet, daß der langwellige Bereich des elektromagnetischen Spektrums hierbei wesentlich ist.

Das vielleicht Wichtigste dabei aber ist: es wartet immer das „unbekannte Unbekannte” darauf, von uns entdeckt zu werden – das, was wir dort nicht erwarten.

Im Rahmen der Chang’e-4-Mission zur erdfernen Seite des Mondes sind einige erste Testbeobachtungen in diesem Niedrigfrequenzbereich anvisiert. Dadurch könnte sich ein ganz neues Fenster zum Universum eröffnen und uns neue Aspekte und Prozesse in der Aktivität unserer Sonne, unseres Sonnensystems, unserer Galaxis und in den übrigen Galaxien zeigen.

Solche Vorschläge und das ganze Chang’e-Programm stehen im krassen Gegensatz zu dem Kurs, den die Vereinigten Staaten in der Raumfahrt eingeschlagen haben. China unternimmt überlegte, entschlossene Schritte, es etabliert sich als führende Kraft in der Weltraumforschung und bereitet sich darauf vor, fundamentale erste Schritte in neue Bereiche zu tun, wohin die Menschheit bisher noch nie vorgedrungen ist. Das ist die Richtung, in der China voranschreitet, und das ist die Richtung, in der die ganze Menschheit voranschreiten sollte.

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