Das neue Paradigma: Globaler Süden im Aufbruch, Westen am Abgrund

Es ist atemberaubend, wie schnell sich die Welt wandelt. Dem Gipfel in Johannesburg, wo die BRICS zu einem echten Akteur in der Weltpolitik geworden sind, folgten das Rußland-Afrika-Treffen in St. Petersburg, der ASEAN-Gipfel, das G20-Treffen in Neu Delhi und das Ostwirtschaftsforum in Wladiwostok. Auf all diesen Veranstaltungen wurde deutlich, daß sich der Globale Süden nicht länger an die „regelbasierte Ordnung“ des Globalen Nordens hält, sondern eine eigene gerechte Entwicklungs- und Sicherheitsarchitektur aufbauen will.

Besonders eindrucksvoll wurde das auf dem G20-Gipfel in Indien am 9.–10. September 2023, wo die Vertreter westlicher Regierungen mit ihrem Versuch völlig gescheitert sind, in der Abschlußerklärung die „russische Aggression“ in der Ukraine zu verurteilen. Rußland, Indien, China und Brasilien hingegen waren von den Ergebnissen begeistert und bezeichneten sie als Erfolg für die wirklich wichtigen Fragen der Menschheit. Der brasilianische Präsident Lula da Silva brachte dies in seinen abschließenden Bemerkungen zum Ende des Gipfels zum Ausdruck, als er sagte: „Wir dürfen nicht zulassen, daß geopolitische Fragen die Tagesordnung der G20-Diskussionen bestimmen.“ Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte sogar, es zeige, daß es dem Westen nicht gelungen sei, „die Tagesordnung auf Kosten der Erörterung dringender Probleme der Entwicklungsländer zu ,ukrainisieren‘.“

Auf die Frage nach denjenigen, die sich über die Sprache in der Abschlusserklärung beschweren, sagte der indische Außenminister S. Jaishankar einfach: „Die Leute, die das so ausdrücken, verstehen nicht wirklich, was in der Welt passiert.“ Dies wurde auch durch die Weigerung unterstrichen, sich auf dem Gipfel zu irgendwelchen Dekarbonisierungszusagen zu verpflichten. Trotz allerlei Gerede über „grüne“ Energie ist die Welt eindeutig weniger bereit, wirtschaftlichen Selbstmord zu begehen, und hat lediglich zugesagt, „im Einklang mit den nationalen Gegebenheiten“ von der Kohle wegzukommen. Wenn man dann noch bedenkt, daß sowohl Rußland als auch China große Investitionen in Kohlekraftwerke planen und daß die Blase beim Bau von Windparks in den Vereinigten Staaten und in Europa implodiert, wird dieses Bild noch deutlicher.

Kohle für Entwicklung

Vom Standpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung des Globalen Südens macht ein Ausstieg aus den fossilen Energieträgern überhaupt keinen Sinn. Im Gegenteil, wie Prof. Franco Battaglia, Professor für chemische Physik und Mitglied der CLINTEL-Italia-Gruppe von Wissenschaftlern, aufgezeigt hat, war Indien dank fossiler Brennstoffe jetzt in der Lage, eine Raumsonde auf dem Südpol des Mondes abzusetzen. Dank der Kohle, aus der 72 Prozent der Elektrizität gewonnen werden, hat Indien 100 Prozent des Landes elektrifiziert. Vor dreißig Jahren hatte nur die Hälfte der indischen Bevölkerung Strom, bevor das Land die Nutzung fossiler Brennstoffe, insbesondere von Kohle, massiv beschleunigte. „Durch die Erschließung seiner reichhaltigen Kohlereserven hat sich Indien auf den Weg gemacht, die Energiearmut zu lindern, das industrielle Wachstum anzukurbeln und das Leben von Millionen von Menschen zu verbessern. Und das ist der Kohle zu verdanken“, so Battaglia. Und weiter: „Elektrisches Licht hat Kerosinlampen ersetzt, die Luftqualität in Innenräumen verbessert und Gesundheitsrisiken verringert. Sie hat auch die Bildungschancen erweitert, da die Schüler auch nach Einbruch der Dunkelheit lernen können. Der Tagesablauf hat sich verändert, da Familien nun Aktivitäten nachgehen können, die früher nur bei Tageslicht möglich waren. Und das ist der Kohle zu verdanken… Und der Prozentsatz wird noch steigen, was auch immer Greta Thunberg und ihre Anhänger sagen mögen. Tatsächlich scheren sich Millionen von Indern, die mit den wirtschaftlichen Verbesserungen zufrieden und stolz auf ihre Mondmission sind, einen Dreck um die westliche Ablehnung fossiler Brennstoffe. Nicht zuletzt, weil Indien in der Lage ist, erstklassige Physiker und Wissenschaftler auszubilden, die genau wissen, daß fossile Brennstoffe nichts mit dem Klima zu tun haben.“

In Afrika haben heutzutage fast 50 Prozent der Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Wenn wir wollen, daß sie eine bessere Lebensqualität haben, müssen wir dafür sorgen, daß auch die afrikanischen Länder mehr Kohle – und auch die Kernkraft – nutzen, um reichlich Energie zu einem günstigeren Preis zu erhalten.

Der beste Wegweiser in die Zukunft sind die Perspektiven, die auf dem Ostwirtschaftsforum in Wladiwostok am 10.–13. September 2023 sichtbar wurden, das schon bald viel bedeutsamer werden dürfte als das Weltwirtschaftsforum in Davos. „Im Osten boomt alles, geht es schnell voran, entwickelt sich rasant. Und das gilt nicht nur für China, Indien und Indonesien, sondern auch für viele andere Länder. Sie sind heute das Zentrum der Entwicklung, nicht Europa, unsere Hauptverbraucher von Energie sind schließlich dort in Asien,“ schilderte ein Beobachter die Stimmung.

Und der Investigativjournalist Pepe Escobar beschreibt den historischen Wandel, den der russische Präsident Putin in Wladiwostok angekündigt hat. Putin hatte seine Rede dort mit den Worten eröffnet: „Der Ferne Osten ist Rußlands strategische Priorität für das gesamte 21. Jahrhundert.“ Tatsächlich ist die russische Investitionsrate im Fernen Osten inzwischen dreimal so hoch wie im übrigen Land und wird auch in Zukunft ein Gebiet mit enormem Wachstum sein, wenn man bedenkt, daß es erst zu 35 Prozent erforscht ist, aber den Großteil der russischen Ressourcen birgt. All dies wird in Zukunft ausgebaut, wenn die Infrastruktur, die Transport- und Logistikkapazitäten entwickelt sind, um dieses Gebiet zum neuen Zentrum der globalen Wirtschaftstätigkeit zu machen. Die Vision dafür ist gewaltig. Dazu gehören die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale, die sich quer durch das Land ziehen. Sie umfaßt den internationalen Nord-Süd-Verkehrskorridor von St. Petersburg durch Zentralasien bis in den Iran und von dort nach Mumbai. Sie umfaßt den geplanten östlichen Seekorridor von Wladiwostok nach Chennai in Tamil Nadu an der Ostküste Indiens. Und sie umfaßt die Nördliche Seeroute, die sich zunehmend zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt entwickeln wird, der auch am nächsten zu den reichen Bodenschätzen und fossilen Brennstoffen in der Arktis liegt. Um dieses Bild noch zu erweitern, berichtet Escobar, daß es jetzt Pläne gibt, im nächsten Jahr einen gemeinsamen Gipfel der BRICS und der Eurasischen Wirtschaftsunion abzuhalten, um die transeurasischen Transportkorridore weiter zu konsolidieren, „da bald zwei Drittel des Weltumsatzes über die östliche Schiene laufen werden, die Rußland mit Asien verbindet.“ Es gibt auch Pläne, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in naher Zukunft in diese Zusammenarbeit einzubeziehen. Die Bedeutung dieser Entwicklungen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es entsteht zweifellos ein neues Zentrum der Weltwirtschaft.

Am besten versteht man diesen Entwicklungsprozeß in seiner strategischen Tragweite, wenn man sich die Vorträge auf der Konferenz des Schiller-Instituts vom 9. September ansieht, die den Titel hatte: „Laßt uns gemeinsam mit der globalen Mehrheit ein neues Kapitel der Weltgeschichte aufschlagen!“ Helga Zepp-LaRouche betonte dort, die letzten 600 Jahre Kolonialismus und Neokolonialismus liegen endlich in den letzten Zügen liegen, um zugunsten einer Welt überwunden zu werden, die alle Nationen als gleichberechtigt respektiert und Wachstum statt Verfall fördert.

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