Wichtige Fortschritte bei der Kernfusion

In der Fusions-Forschung hat es in jüngster Zeit mit unterschiedlichen Ansätzen wichtige Fortschritte gegeben. Am südkoreanischen Fusionsforschungsreaktor KSTAR gelang es, ein 100 Mio. Grad heißes Plasma über eine Zeit von 20 Se­kun­den auf­recht zu erhalten. Und in China wurde der HL-2M Tokamak, das wohl fortgeschrittenste Fusions-Experiment der Welt, an dem bereits seit 2006 gearbeitet wird, erstmals „gezündet”. Von ihm werden schnell weitere Durchbrüche auf dem Weg zur Realisierung der Kernfusionsenergie erwartet.

Die Fortschritte der letzten Zeit sind rasant. Nachdem über Jahrzehnte vor allem die Bauprojekte vorangebracht wurden, konnten in den vergangenen Jahren diverse erfolgreiche Plasma-Zündungen vorgenommen werden. Jetzt arbeiten die Forscher mit Hochdruck daran, diese Zustände auch über längere Zeit stabil zu halten. Es könnte aber auch sein, daß mit bisher kaum bekannten Start-up-Ansätzen in der Fusionsforschung noch eher ein funktionierender Fusionsreaktor realisiert werden könnte, wenn auch im Miniformat.


KSTAR

Die in Korea jetzt erreichte Einschlußzeit ist eine bedeutende Spitzenleistung. Geschafft wurde dies im November 2020 am Korea Superconducting Tokamak Advanced Research Reactor (KSTAR). Den Forschern ist es gelungen, das Hochtemperaturplasma 20 Sekunden lang mit einer Ionentemperatur von über 100 Millionen Grad (Celsius) aufrechtzuerhalten. Das KSTAR-Forschungszentrum am Korea Institute of Fusion Energy (KFE) hat dabei mit der Seoul National University (SNU) und der Columbia University der Vereinigten Staaten zusammengearbeitet.

Mit diesem Erfolg wurde die 8-Sekunden-Plasma-Betriebszeit während der KSTAR-Plasma-Kampagne 2019 um mehr als das Doppelte verlängert. Im Experiment 2018 erreichte KSTAR zum ersten Mal die Plasmaionentemperatur von 100 Millionen Grad (Verweilzeit: ca. 1,5 Sekunden).

Bisher wurde zwar auch bei anderen Fusionsexperimenten kurzzeitig ein Plasma mit Temperaturen von 100 Millionen Grad oder mehr erzeugt, doch keines von ihnen hat die Grenze überschritten, den Betrieb für 10 Sekunden oder länger aufrechtzuerhalten.

Das endgültige Ziel des KSTAR ist es, bis 2025 einen Dauerbetrieb von 300 Sekunden mit einer Ionentemperatur von mehr als 100 Millionen Grad zu erreichen.

Der koreanische KSTAR ist ein supraleitender Fusionsreaktor, auch als koreanische künstliche Sonne bekannt. Damit wurde ein neuer Weltrekord aufgestellt, indem das Plasma 20 Sekunden lang bei mehr als 100 Millionen Grad gehalten wurde. Quelle: iter.org

Chinas „Künstliche Sonne“

Wissenschaftlern des chinesischen Forschungsreaktors HL-2M ist eine Sensation gelungen: Bei 150 Millionen Grad Celsius verschmolzen sie die Kerne zweier Atome zehn Sekunden lang. „Der Tokamak-Reaktor HL-2M in Chengdu in der südwestchinesischen Provinz Sichuan erreichte seine erste Entladung am 4. Dezember 2020, was Chinas unabhängige Beherrschung der Konstruktion und des Baus großer, fortschrittlicher Tokamak-Anlagen und ihrer Betriebstechnologie bedeutet,“ hieß es in einer Erklärung der China National Nuclear Corporation (CNNC). Der HL-2M sei derzeit die größte fortgeschrittene Tokamak-Anlage in China mit den höchsten Parametern. HL-2M sei die nächste Generation der fortgeschrittenen Forschungseinrichtung des Landes für Kernfusionsversuche mit magnetischem Einschluß.

Das Gerät verfüge über eine fortschrittliche Struktur und Steuerungsmethode: „Das Plasmavolumen ist mehr als doppelt so groß wie bei bestehenden inländischen Geräten, die Plasmastromkapazität wird auf mehr als 2,5 Megaampere erhöht, und die Temperatur der Plasmaionen kann 150 Millionen Grad erreichen. Dies bedeutet, daß hohe Dichte, hoher spezifischer Druck und hoher Bootstrap-Strom-Betrieb erreicht werden können.“

Chinas größte Betreibergesellschaft CNNC nennt den Tokamak „ein wichtiges Hilfsmittel bei der Realisierung der sprunghaften Entwicklung von Chinas Kernfusionsenergie, und er ist auch eine unverzichtbare Plattform, auf der China die ITER-Technologie verarbeiten und integrieren kann.“

Start-ups holen auf

Weltweit sind in den letzten 20 Jahren eine Vielzahl privat finanzierter Fusions-Experimente entstanden, von denen einige inzwischen sehr vielversprechende Ergebnisse erreicht haben.

Die amerikanische Firma LPPFusion mit Sitz in New Jersey könnte mit ihrem Plasmafokus schon bald beim Übergang zur Kernfusion eine Vorreiterrolle spielen. Das Fusionskonzept besteht darin, eine Anlage zu bauen, in der viele kleine Entladungen gebündelt – d.h. fokussiert – werden: auch Dense Focus Fusion genannt. Auf ihrer Webseite hat sich die Firma das folgende Ziel gesetzt:

„Im Moment besteht die Aufgabe für das Jahr 2021 darin, unsere Fusionsausbeute von dem Viertel Joule (J), das wir erreicht haben, auf die 30.000 J zu steigern, die wir brauchen, um mehr Energie aus dem Gerät herauszuholen, als wir hineinstecken. Das klingt nach einem gewaltigen Sprung. Aber er ist machbar.
Zweitens sind wir viel näher dran als alle anderen privaten Fusionsbemühungen. TAE, unser nächster Konkurrent, muß seine Ausbeute tausendmal mehr steigern als wir.
Drittens haben wir mit unserem Prozeß einen großen Hebel, um kleine Gewinne bei der Kompression in große Gewinne bei der Ausbeute umzuwandeln. Unser Gerät erzeugt eine winzige Kugel aus ultraheißem Plasma, ,Plasmoid‘ genannt. Wir haben dieses Plasmoid bereits auf die mehr als 2 Milliarden Grad Temperatur gebracht, die wir benötigen. Aber wir müssen es noch dichter machen. Glücklicherweise erhalten wir für jeden Faktor zwei, den wir die Kompression verbessern und damit den Radius des Plasmoids verringern, eine Erhöhung der Dichte um den Faktor vier. Für jeden Faktor vier in der Dichte erhalten wir einen Faktor 16 in der Fusionsausbeute. Mathematisch ausgedrückt, steigt die Ausbeute mit dem Kompressionsverhältnis hoch vier.“

TAE Technologies mit ehrgeizigem Ziel

Die Firma TAE Technologies (zuvor Tri Alpha Energy) verwendet als Prototyp einen zylindrischen Kollisionsstrahl-Fusionsreaktor (CBFR), der zunächst Wasserstoffgas erhitzt, um zwei Plasmaringe zu bilden, die dann miteinander verschmolzen werden. Zu diesem Zweck schuf TAE einen Reaktor, der wie eine seltsame Kombination aus einem Teilchenbeschleuniger und einem gewöhnlichen Plasma ist. Die ultrahohe Temperatur im Plasma wird erreicht, indem man Strahlen von Brennstoffteilchen beschleunigt und diese mit Plasmateilchen kollidieren läßt. Die typischen magnetisch eingeschlossenen Plasmadonuts werden dadurch in ein langgestrecktes Plasmarohr verwandelt, das die Form einer hohlen Zigarre hat. Um seine Stabilität zu verbessern, wird dieses Rohr um sich selbst gedreht, so daß der gyroskopische Effekt es viel stabiler macht. Theoretisch kann dieser Ansatz auf viel höhere Temperaturen skaliert werden als in einem Tokamak. TAE geht davon aus, daß die induzierte Stabilität und Ruhe des Plasmas mit höherer Temperatur sogar noch zunimmt. Damit erreicht TAE eine Temperatur von 50 Millionen Grad, bei der das Plasma entsteht.

TAE wurde 1998 gegründet. 2015 gelang es erstmals, ein Plasma zu erzeugen.

Die Versuchsanlage Norman, mit der TAE Technologies seit 2017 arbeitet. Quelle: TAE Technologies

Neue Hochtemperatur-Supraleiter

Andere Start-ups wollen schon in wenigen Jahren mit Hilfe neuartiger Hochtemperatur-Supraleiter kompakte Kernfusionsreaktoren in Betrieb nehmen – und so dem Internationalen Fusionsforschungsreaktor ITER den Rang ablaufen.

Die amerikanische Firma Commonwealth Fusion Systems mit Sitz in Cambridge, Massachusetts, will im kommenden Jahr einen ersten Reaktor namens „Sparc“ errichten. Das drei Jahre alte Start-up ist ausgestattet mit mehr als 200 Millionen Dollar von Investoren, darunter Bill Gates‘ Organisation Breakthrough Energy. Das zweite Start-up, das an dem gleichen Konzept arbeitet, ist die britische Firma Tokamak Energy.

Der neue Reaktor soll bereits 2025 den Betrieb aufnehmen. Commonwealth und Tokamak Energy verwenden dafür eine wichtige neue Technologie: Kleine, aber starke Magnete auf Basis von Hochtemperatur-Supraleitern.

Beim ITER werden die Magnetfelder mit magnetischen Spulen aus supraleitfähigen Drähten aus einer Niob-Aluminium-Verbindung erzeugt, die große Ströme ohne Widerstand leiten können. Sie müssen jedoch auf nahe über dem absoluten Nullpunkt von Minus 273 Grad Celsius gekühlt werden, was sehr aufwendig ist.

Neuere Hochtemperatur-Supraleiter funktionieren bereits bei Temperaturen oberhalb von Minus 196 Grad Celsius, die es bei der Planung von ITER noch nicht gab. Diese können deutlich mehr Strom leiten, wodurch kleinere, günstigere Reaktoren möglich sind. Das Material ist jedoch sehr spröde und anspruchsvoll in der Verarbeitung. Inzwischen haben Forscher aber Wege gefunden, dünne Schichten aus seltenen Erden, Barium und Kupferoxid (Rebco) auf Metallband aufzutragen. Die Bänder können in großer Länge hergestellt werden und arbeiten am besten bei etwa zehn Kelvin, was etwa -263 Grad Celsius entspricht.

Commonwealth hat ein Kabel entwickelt, das mit mehreren Lagen des Bandes besetzt ist, die sich wie die Streifen einer Zuckerstange um das Kabel winden. Tokamak Energy wickelt die Spulen wie eine Rolle Klebeband – eine Lage auf der anderen.

Ein potentieller Engpaß für beide Unternehmen ist der Nachschub. Die Hersteller von Rebco-Band produzieren lediglich ein paar hundert Kilometer pro Jahr. Commonwealth benötigt aber allein 500 Kilometer für den ersten Testmagneten. Allerdings fahren die Hersteller die Produktion hoch.

Inzwischen werden Testmagnete gebaut, die 20 Tesla erreichen sollen – anderthalbmal stärker als der von ITER – in Spulen, die nur ein paar Meter breit sind. Commonwealth baut einen zweieinhalb Meter großen, D-förmigen Magneten, Tokamak Energy will gleich einen ganzen Satz von 16 Spulen testen, groß genug für einen etwa einen Meter breiten Testreaktor.

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