Was ist physische Ökonomie?

Regelmäßig veröffentlichen wir in FUSION in deutscher Erstübersetzung Schriften des FEF-Gründers Lyndon LaRouche, der im Februar 2019 verstorben ist. Die folgende Rede hielt LaRouche auf einem Seminar in New York City am 21. Februar 1998. Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.

Es sollte bekannt sein, daß physische Ökonomie grundsätzlich nur dem Menschen eigentümlich ist. Kein Tier ist zu physischer Ökonomie fähig. Ökonomie existiert deshalb schon so lange, wie es den Menschen gibt, denn die physische Ökonomie ist im wesentlichen die Beziehung zwischen Mensch und Natur, basierend auf Eigenschaften, die nur im Menschen und in keinem Tier existieren: der Fähigkeit, Entdeckungen zu machen, insbesondere prinzipielle Entdeckungen in den Naturwissenschaften.

Bau des Karlsgrabens – ein Kanalbauprojekt Karls des Großen (747–814), um für die Schiffe seiner Zeit eine befahrbare Verbindung zwischen dem Flußsystem des Rheins und dem der Donau herzustellen. Künstlerische Darstellung in der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries. Quelle: Wikipedia

Die Erkenntnisse der Wissenschaft, die Erkenntnisse der physischen Ökonomie, gehören jedoch aus Gründen, die ich noch darstellen möchte, in die Neuzeit. Sie entstanden schrittweise gegen Ende des 16. und während des 17. Jahrhunderts in Westeuropa.

Was in den meisten Lehrbüchern fälschlicherweise allgemein als Ökonomie bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit eine Untersuchung der Methoden, mit denen Volkswirtschaften verwaltet wurden. Denn über einen langen Zeitraum verfügten alle organisierten Gesellschaften über Methoden, um in Bereichen, die wir heute der Wirtschaft zurechnen, die Beziehung des Menschen zur Natur zu verwalten. Aber es gab keine Wissenschaft, die erklärte, wie der Mensch mit der Natur zusammenwirkt, und keine Wissenschaft der Verwaltung, die die Beziehung zwischen Mensch und Natur untersuchte.

Was sich in Europa nach dem 15. Jahrhundert entwickelte, folgte aus dem Entstehen des ersten modernen Nationalstaates oder der ersten Annäherung an einen modernen Nationalstaat. Der erste Nationalstaat als solcher entstand in Frankreich zwischen 1461 und 1483 unter Ludwig XI. In England, in Deutschland und besonders in Frankreich gab es anschließend während des 16. Jahrhunderts verschiedene Bemühungen, zu verstehen, wie diese neue Gesellschaftsform und diese neue Form nationaler Wirtschaft die Art und Weise veränderte, in der die Gesellschaft mit der Natur in Beziehung tritt.

Dies wurde allgemein als Kameralismus bezeichnet, der sich gegen Mitte und Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte. Im letzten Viertel des folgenden Jahrhunderts, dem 17. Jahrhundert, entstand aus dem Kameralismus eine Revolution, die sich als erste wirkliche Wissenschaft der physischen Ökonomie darstellte. Das, was man mit Recht als erste wissenschaftliche Ökonomie bezeichnen kann, entstand in dieser Zeit als physische Ökonomie.

Gottfried Wilhelm Leibniz (links), Begründer vieler Bereiche der europäischen Wissenschaft; und Dimitri Mendelejew, der große russische Wissenschaftler, der vor allem wegen seiner Entwicklung des Periodensystems bekannt ist. Leibniz-Porträt von Johann Friedrich Wentzel, Mendelejev-Porträt von Iwan N. Kramskoi

Diese Entdeckungen stammen von Gottfried Wilhelm Leibniz, der auch Vater eines Großteils der gesamten europäischen Wissenschaft ist. Leibniz begann 1671, als er in Mainz lebte, über die physische Ökonomie zu schreiben, und setzte diese Arbeit 1672 fort, als er vier Jahre lang unter dem Schutz des französischen Ministers Colbert und der Französischen Nationalen Gesellschaft für Wissenschaft stand. Damals trat er erstmals mit Christiaan Huygens, einem anderen berühmten Wissenschaftler, in Verbindung. Von diesem Zeitpunkt an bis zu seinem Tod 1716 war Leibniz umfänglich an der Entwicklung einer Wissenschaft der physischen Ökonomie und den damit verbundenen Verwaltungsfragen beteiligt.

Leibniz stand bekanntermaßen in enger Beziehung zu Zar Peter dem Großen von Rußland. Der erste Versuch, eine moderne Wirtschaft in Rußland zu entwickeln, basierte auf Leibniz‘ Rat an Peter den Großen. Zum Beispiel wurde in St. Petersburg eine der vielen von Leibniz beförderten Wissenschaftsakademien gegründet. In Rußland war in verschiedenen Perioden danach die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere mit der physikalischen Wissenschaft verbunden. Im 19. Jahrhundert war zum Beispiel einer der wichtigsten Wirtschaftsdenker Rußlands der berühmte Dmitri Mendelejew, der eigentlich wegen seiner Entwicklung des Periodensystems bekannt ist.

Die Landbrücke

Ich möchte hier nur einen Aspekt zu Mendelejew einfügen, der sich direkt auf die Idee der Landbrücke bezieht. Die erste Idee einer Landbrücke kam aus den Vereinigten Staaten Mitte des 19. Jahrhunderts und insbesondere in der Zeit zwischen 1861 und 1876, als die Regierung unter Präsident Abraham Lincoln in der Zeit des Bürgerkriegs die Entwicklung transkontinentaler Eisenbahnen vorantrieb, um den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean zu verbinden. Daraus resultierte die spätere Ausrichtung der Vereinigten Staaten auf Asien und insbesondere auf China.

Bereits 1876 war Japan unter direkter amerikanischer Anleitung in eine Phase der industriellen Entwicklung eingetreten, die sogenannte Meiji-Restauration, die die Grundlage für die moderne Industriestruktur Japans bildet. Deutschland, das damals bereits sehr enge Beziehungen zu den Vereinigten Staaten unterhielt, knüpfte 1877 an die gleichen Entwicklungsprinzipien an, die zwischen 1861 und 1876 in den Vereinigten Staaten umgesetzt worden waren.

Erinnern wir uns daran, daß die Vereinigten Staaten zu dieser Zeit eng mit dem Rußland des Zaren Alexander II. gegen die Briten verbündet waren. Von den 1850er Jahren, der Zeit des Krimkrieges, bis 1905 war England, das Britische Empire, der totale Feind Rußlands. Bis 1901 war das Britische Empire auch der Feind der Vereinigten Staaten. So hatten Rußland und China nach dem Krimkrieg unter Alexander II. eine enge Beziehung entwickelt. Nach der Niederlage unseres Feindes, Napoleon III. von Frankreich, freundete sich Frankreich auch wieder mit den Vereinigten Staaten an.

Vollendung der ersten transkontinentalen Eisenbahnlinie der USA zwischen Atlantik und Pazifik. Für die Presse gestelltes Foto des feierlich begangenen Zusammentreffens der Central Pacific Railroad und der Union Pacific Railroad am 10. Mai 1869 am Promontory Summit in Utah.

Später im Jahrhundert entwarf der auf Hawaii ausgebildete Sun Yat-Sen, der auch ein Feind der Briten war und umgekehrt, einen Plan für die Entwicklung Chinas, der sich auf den Eisenbahnbau und andere Entwicklungen stützte und sich am amerikanischen und europäischen Modell orientierte.

Während dieser Zeit, etwa ab 1877, verfolgten führende und einflußreiche Denker in Frankreich, Deutschland, Rußland, China, Japan und anderswo Pläne, ebenfalls transkontinentale Eisenbahnnetze zu entwickeln, so wie in den Vereinigten Staaten eine Bahnverbindung vom Atlantik zum Pazifik geschaffen wurde. Die eigentliche Ursache für die zwei Weltkriege in diesem Jahrhundert waren die Bemühungen der Briten, die Entwicklung einer solchen Landbrücke zu verhindern. Als ich 1988 in Erwartung des Zusammenbruchs des Sowjetsystems die Entwicklung einer Landbrücke vorschlug, und als Helga und ich und andere daran arbeiteten, dies weiter bis zum Pazifik auszudehnen, waren darin viele unserer Ideen originell. Aber das Grundkonzept der eurasischen Landbrücke an sich war nicht originell. Es basierte auf den Vorläufern aus dem 19. Jahrhundert.

Leibniz war in gewisser Weise der Urheber dieses weltwirtschaftlichen Ansatzes, wozu auch seine berühmten Abhandlungen und Studien zur China-Frage zu Beginn des 18. Jahrhunderts gehörten. Es waren also Leibniz‘ Ansichten der physischen Ökonomie, aus denen diese Entwicklungen hervorgingen. Der Widerstand dagegen in Europa kam von der oppositionellen Fraktion.

Mehr als 6000 Jahre

Wenn man über die Beziehungen mit der Zivilisation spricht, die aus Westasien und Europa und später aus den Vereinigten Staaten kam, geht es um eine Periode von etwa 6000 Jahren, eigentlich um eine noch längere Zeit, aber geschichtlich gesehen etwa 6000 Jahre.

Ursprünglich war die Gesellschaft in diesem Teil der Welt, wie in jedem bekannten Teil der Welt, in „oben“ und „unten“ geteilt, eine Zweiklassengesellschaft. Eine sehr kleine obere Gruppe, weniger als fünf Prozent der Gesamtbevölkerung, benutzte die „Untermenschen“, die über 95 Prozent der Bevölkerung ausmachten, wie menschliches Vieh. Sie galten nicht als wirkliche vollwertige Menschen, sondern sie wurden wie sprechendes, intelligentes Vieh benutzt. Sie durften sich nicht entwickeln. Sie sollten so leben wie ihre Väter und Großväter vor ihnen. Das war ein oligarchisches System, wie man es aus Babylon kannte.

Dieses System setzte sich von Babylon über das Persische Reich, das Römischen Reich, das Byzantinische Reich und bis zum europäischen Feudalismus fort, wo diese zweiklassige, oligarchische Gesellschaft immer noch existierte. Im Europa der Antike und des Mittelalters gab es jeweils zwei vorherrschende oligarchische Klassen. Die eine war der Landadel, mächtige Grundbesitzer, die riesige Ländereien besaßen – samt der Menschen, die auf dem Land lebten. Die zweite Gruppe waren Finanzspekulanten – eine parasitäre Klasse. Europa erlebte infolge dieser beiden Klassen, des Landadels und des Finanzadels eine große Krise – ich werde auf diese ganze Geschichte nicht eingehen, das ist hier nicht relevant. Im Zuge der weiteren Entwicklung der Neuzeit ist der Landadel fast aus ganz Europa, aus der europäischen Zivilisation, verschwunden. Aber der andere Aspekt des Feudalismus, der Finanzadel, besteht weiter.

Mittelalterliche Darstellung eines Landvogts, der Leibeigene antreibt, die mit Sichelhaken Weizen ernten.

Im 15. Jahrhundert, das an sich schon ein ganzes Thema ist, kam es zu einer Revolte, in dem Versuch, eine neue Gesellschaftsform zu schaffen. Die Grundlage für die neue Gesellschaftsform leitete sich von dem christlichen Prinzip ab, daß alle Menschen gleich sind und jeder über eine schöpferische Kraft verfügt, die bei Menschen unterschiedlich entwickelt sein mag, aber von Natur aus sind die Menschen alle gleich. Deshalb war es falsch und ungerecht, daß 95 Prozent der Bevölkerung unter der Herrschaft einer Handvoll mächtiger Feudalherren und Bankiers oder Finanziers als Vieh lebten.

Das war der Kern des Problems. Wenn der Mensch gut ist, d.h. wenn alle Menschen gut sind, weil sie erzogen und entwickelt werden können, dann müssen alle Menschen erzogen und entwickelt werden. Dann muß ihnen auch die Möglichkeit gegeben werden, Arbeiten zu verrichten und ein Leben zu führen, das dieser Bildung und Entwicklung entspricht. Es wurde also versucht, eine neue Gesellschaft zu schaffen, in der diese sich dazu verpflichtet, diese beiden Prinzipien zu schützen, nämlich die Verbesserung der Lebensbedingungen durch die Entwicklung aller Menschen, und dadurch, daß den Kindern, wenn sie heranwachsen, die Möglichkeiten geboten werden, etwas Gutes zu tun und der Gesellschaft von Nutzen zu sein. Der Mensch sollte nicht länger wie eine Kuh, ein Pferd oder ein Schwein leben, um ständig nur das gleiche zu tun wie sein Vater, Großvater usw. vor ihm.

Der Nationalstaat

Dieser Versuch, der kein voller Erfolg, sondern ein Anfang war, erfolgte in Frankreich unter Ludwig XI. zwischen 1461 und 1483. Es begann ein großer innerer Kampf in Europa, der innerhalb der europäischen Zivilisation bis heute andauert. Zunächst versuchte der mächtige Land- und Finanzadel, diese Bewegung zu zerschlagen, woraus die Periode der Kriege des 16. Jahrhunderts in Europa entstand. Im Laufe der Jahrhunderte wurde jedoch der Landadel besiegt. Doch ein anderer Teil des Feudalismus setzte sich durch, der Finanzadel, vertreten durch das Britische Empire und dem, was es heute in der Welt darstellt.

Auf der ganzen Welt gibt es also seither überall dort, wo die europäische Zivilisation Einfluß hatte, im allgemeinen zwei Gesellschaftsformen. Es gibt Gesellschaftsformen, die sich bemühen, Volkswirtschaften zu schaffen, die allen Menschen innerhalb eines Landes Nutzen und Fortschritt bringen und menschenwürdige Arbeits- und Lebensformen ermöglichen. Gleichzeitig steht aber in den meisten Teilen der Gesellschaft eine finanzparasitäre Klasse an der Spitze, die die nationale Wirtschaft am Boden halten oder unterdrücken oder zerstören will.

Genau hier beginnt die Nationalökonomie, hier beginnt die physische Wirtschaft. Wäre der Mensch lediglich ein Menschenaffe, dessen Verhalten man unter ökologischen Gesichtspunkten untersucht, d.h. wäre der Mensch etwas, das wie ein Mensch aussieht, aber ein Menschenaffe ist, dann wäre die menschliche Bevölkerung nie über mehr als einige Millionen Einzelwesen hinausgekommen.

Aber wir wissen, daß die Bevölkerung dieses Planeten schon vor 2000 Jahren über 100 Millionen Menschen erreicht hatte. Mitte des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts war die Bevölkerung dieses Planeten auf mehrere hundert Millionen Menschen angewachsen. Heute, nach Einführung des Nationalstaates und der Nationalökonomie, beträgt die Bevölkerung dieses Planeten über fünf Milliarden Menschen. China hat daran natürlich einen bedeutenden Anteil, und man sieht, daß mit der Berührung moderner europäischer Technologie und Zivilisation die Bevölkerung Chinas zunahm, vor allem die Menschen aus der Unterschicht hatten mehr Möglichkeiten, am Wachstum teilzuhaben. Die Bevölkerung wuchs, weil sich die materiellen Lebensbedingungen verbesserten, um dieses Wachstum zu ermöglichen.

Seit etwa 3000 v. Chr. und seither mit stetig steigender Tendenz ist die menschliche Bevölkerung stark angewachsen, weil sich die materiellen Lebensbedingungen ständig verbesserten, um dieses Wachstum zu unterstützen. Quelle: EIRNS

Die Frage ist also: Woher kommt dieses Wachstum? Während ihrer gesamten Existenz ist die menschliche Bevölkerung gewachsen. Kein Tier ist dazu in der Lage. Warum ist das so? Weil der Mensch sein Verhalten gegenüber der Natur ändert. Es ist eine immer kleinere Fläche erforderlich, um einen durchschnittlichen Menschen zu ernähren, weil sich die Technologie immer mehr verbessert. Der Lebensstandard jedes arbeitenden Menschen steigt, denn jeder Mensch ist selbst mit einer kleineren Landfläche immer produktiver.

Die Ursache hiervon sind wissenschaftliche Entdeckungen, aber es gibt auch andere Entdeckungen, wie künstlerische Entdeckungen, die eine ähnliche Wirkung haben.

Bildung und Kreativität

Durch die Förderung der kindlichen Bildung, durch mehr und immer bessere Bildung, die Kindern geboten wird, durch die Verlängerung der Bildungszeit, so daß Menschen in der Jugendzeit nicht zur Arbeit gehen mußten, sondern weiter studieren konnten, hat sich das Wissen über Naturprinzipien und Prinzipien der Kunst und Staatskunst in der Bevölkerung erhöht. Anstatt also wie Schweine oder Kühe zu leben und sich wie ihre Eltern oder Vorfahren zu verhalten, gab es für die Menschen Fortschritte von einer Generation zur nächsten – durch den Erwerb von Wissen und durch die Entwicklung neuen Wissens.

Je größer der Anteil einer gebildeten Gesamtbevölkerung ist, desto größer ist das Wissen der Gesamtbevölkerung und damit auch das Entwicklungstempo. Die geistige Beziehung des Individuums zur Menschheit insgesamt und das Verhalten des Menschen gegenüber der Natur als Ganzer ist die Wissenschaft der physischen Ökonomie. Das ist ihre Bedeutung seit der Zeit von Leibniz.

Leibniz‘ Untersuchungen über Arbeit seit seinen ersten beiden wichtigen Aufsätzen von 1671 befaßten sich von Anfang an mit dieser Frage. In einer Arbeit, in der er sich mit der Frage des Lohnes beschäftigte, betonte er zum Beispiel, daß das Einkommen eines Arbeiters nicht nur ein minimaler Lebensunterhalt sein dürfe. Sein Einkommen habe Einfluß auf die kulturelle Entwicklung seiner ganzen Familie und bestimme damit die potentielle Produktivität aller Familienmitglieder. Je höher der Lebensstandard, je höher das kulturelle Niveau, desto mehr Produktivität könnten die Menschen potentiell verwirklichen. Deshalb müssen die Löhne steigen, damit die Familien ein besseres Leben führen und ihre Produktivität steigern können. Wenn es um Lohnerhöhungen geht, muß man also den Unterschied zwischen solchen Lohnerhöhungen kennen, die gut für die Menschheit sind, und solchen, die nutzlos sind. Mehr Geld für Prostituierte verbessert nicht das Leben der Gesellschaft, auch wenn einige Menschen heute so zu denken scheinen.

Unsere große Herausforderung besteht also darin, genau zu verstehen, was es mit der Beziehung des Geistes einer Person zur Gesellschaft und seiner physischen Umgebung auf sich hat, die das Potential für menschlichen Fortschritt definiert. Offensichtlich geht es um dieses Problem heute in China. Wie ist es angesichts einer begrenzten Landfläche mit einer großen Bevölkerungskonzentration in bestimmten Teilen des Gebiets und einer geringen Bevölkerungskonzentration in anderen unterentwickelten Gebieten Chinas möglich, daß die Bevölkerung Chinas zunimmt, indem die Macht des Menschen über die gesamte Landfläche Chinas zunimmt? Ein typisches Problem.

Mit diesem Problem sind alle Gesellschaften in der einen oder anderen Form konfrontiert. Wie läßt sich der Lebensstandard verbessern, wie läßt sich die Lebenserwartung erhöhen, wie lassen sich die kulturellen Aktivitäten in der Familie verändern, um die Menschen auf eine höhere Qualität zu heben? Wie kann man die Plackerei abschaffen und mehr Betonung auf geistige Arbeit, nicht nur körperliche Arbeit legen, um die Zukunft der Menschheit zu verbessern? Und wie kann man dadurch das Glück in unserer Zeit finden? Genau das lag Leibniz am Herzen: das Prinzip des Glücks – nicht des Vergnügens, sondern des Glücks. Wenn man weiß, daß man ein nützlicher Mensch ist, der die Vergangenheit mit der guten Zukunft verbindet, dann ist man ein glücklicher Mensch, weil man weiß, daß sein Leben notwendig ist. Und ein Mensch, der weiß, daß sein Leben notwendig ist, kann auch von anderen versichert bekommen, ein glücklicher Mensch zu sein – ein ganz normales menschliches Wesen.

Die Macht der Menschheit vergrößern

Als ich nach dem Zweiten Weltkrieg vom Militärdienst zurückkam, habe ich mich intensiv mit dem Thema Wirtschaft beschäftigt. Damals, 1948, war ein Buch im Umlauf, das ich nach meiner vorherigen Ausbildung für einen inkompetenten Schwindel hielt. Das Buch hieß Kybernetik, geschrieben von einem Scharlatan vom Massachusetts Institute of Technology. Sein Name war Norbert Wiener, heute der weltberühmte Vater eines Betrugs namens „Informationsgesellschaft“. So funktioniert das nicht, und ich habe den Betrug durchschaut. Ich sah in diesem Betrug eine Gefahr, weil dahinter ein falsches Menschenbild steht, ein falsches Bild vom Verhältnis des Menschen zur Natur. Folglich verbrachte ich einen Großteil meiner Zeit, um eine Widerlegung dieses Buches vorzubereiten.

LaRouche stieß 1948 auf diese beiden Bücher: Norbert Wieners „Kybernetik“ und John von Neumanns „Spieltheorie“, worin er sehr schnell den gleichen wissenschaftlichen Betrug wie bei Bertrand Russell erkannte.

In diesem Zusammenhang stieß ich auf ein zweites Buch, das ebenfalls ein Schwindel war. Darin ging es um Systemanalyse, geschrieben vor allem von einem Herrn namens John von Neumann. Die Systemanalyse entstand anfangs hauptsächlich um Themen der politischen Ökonomie, doch war sie derselbe Schwindel wie der Betrug von Norbert Wiener, was kein Zufall ist, denn sowohl Wiener als auch von Neumann waren Schüler derselben Person, dem Engländer Bertrand Russell.

Wenn man Russells Schriften liest, versteht man sehr schnell, wer Russell ist. Russell ist ein perfektes Beispiel für einen Oligarchen – er haßt die moderne Gesellschaft. Er ist natürlich bereits tot, aber er hat hart gearbeitet, um sich seinen Tod zu verdienen. Seine Ansicht war, daß die moderne Gesellschaft schlecht sei, weil sie das Leben für britische Aristokraten unangenehm macht. Diese Leute waren gegen den wissenschaftlichen Fortschritt. Russell haßte besonders die Vereinigten Staaten. Er sagte: „Wie kann ich, der ich im viktorianischen England geboren wurde, als England ein großes Empire war und meine Familie zu den herrschenden Familien des Britischen Empire gehörte, wie kann ich es ertragen, heute in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu leben, wenn die Amerikaner die Welt beherrschen?“

Das Hauptproblem für uns in der Welt und für die Vereinigten Staaten war immer, daß diese Menschen eine Zweiklassengesellschaft aufrechterhalten wollen, in der eine kleine Gruppe der Bevölkerung, weniger als fünf Prozent, die Welt regiert oder als Bürokraten das Vieh von oben lenkt. Diese Leute waren immer entschlossen, eine Gesellschaftsform zu zerstören, die nur das Wohl des Volkes zum Ziel hat. Sie sind vor allem gegen eine Bildungspolitik, die die Menschen zu wissenschaftlichem Denken erzieht oder in Begriffen der klassischen künstlerischen Kultur zu denken.

Sie wollen, daß die Mehrheit der Menschheit so gehalten wird, wie ein Bauer sein Vieh hält: fett, verzehrbar und dumm. Das ist wie bei der Tierzucht: Wie sind die Tiere entstanden, die heute auf den Höfen leben? Es begann mit wilden Tieren. Es wurden jene wilden Tiere ausgewählt, die wir gerne essen, so wie es mit den Pflanzen geschah. Wildpflanzen wurden gezüchtet, Pflanzen, die wir gerne aßen, und verbesserten sie. Man wählte Rinder aus, die wild und eklig waren, und züchtete sie, damit man sie besser essen konnte. Noch heute leben in bestimmten Teilen der Erde wilde Rinder. Sie sind sehr wild, und es ist sehr schwierig, mit ihnen umzugehen. Sie sind nicht sehr gehorsam. Also züchteten wir Rinder, um sie dumm und gehorsam zu machen, damit sie viel Milch und viel Fleisch geben. Wir züchteten sie so, daß sie für die Menge an Getreide, das sie fressen, möglichst viel Fleisch geben.

„Wildpflanzen wurden gezüchtet, Pflanzen, die wir gerne aßen, und verbesserten sie.“ Im Bild links das Wildgras Teosinte aus Mexiko, das als der wilde Vorfahr der heutigen Maispflanze (rechts) gilt. Quelle: Nicolle Rager Fuller, National Science Foundation

Macht und Glück

Unter dem oligarchischen System geschah das gleiche mit den Menschen. Man ermutigte sie, sich zu vermehren, starke Menschen zu machen, wie Vieh – Menschen, die nicht allzu intelligent oder gebildet waren, denen man beibrachte, gehorsam zu sein, damit sie wie gutes Vieh für ihre Herren arbeiten konnten.

Das ist der eigentliche Konflikt. Und dieser Konflikt ist der Schlüssel zum Verständnis physischer Ökonomie als einer Idee. Sobald man sagt, daß alle Menschen aufgrund ihrer Geburt zu wissenschaftlichem Denken fähig sind, daß alle Menschen in der Lage sind, den Weltraum zu erforschen, dann müssen sie entsprechend erzogen werden. Sie sollten Arbeiten verrichten, die zu dem paßt, was sie sind. Und da wir alle sterben werden, müssen sie die Möglichkeit bekommen, etwas Gutes für die Menschen zu tun, die nach ihnen kommen, und wir müssen bewahren, was sie Gutes zum Wohle der zukünftigen Menschen tun. Sobald man das akzeptiert, weiß man: „Wir müssen eine Gesellschaft formen, die diesem Gesetz gehorcht“; das bedeutet auch, dem Fortbestand der oligarchischen Gesellschaft den Krieg zu erklären. Es hat ein Krieg begonnen zwischen denen, die diese Art von Gesellschaft wollen, und denen, die die andere Art von Gesellschaft bevorzugen.

Wenn man zu der ersten Gruppe gehört, die glaubt, daß alle Menschen in diesem Sinne gleich sind, dann ist unser Anliegen: „Welche Art Führung braucht die Gesellschaft?“ Sie braucht eine Führung, die der Natur des Menschen entspricht, d.h. unserer geistigen Fähigkeit, die Gesetze des Universums zu entdecken, die Entdeckungen früherer Generationen zu meistern, damit wir den Geist der ganzen Geschichte in uns tragen, ganz im Sinne der Ideen großer Gelehrter oder großen Wissenschaftler.

Deshalb sind wir daran interessiert, die Gesetze herauszufinden, die den Menschen in der Gesellschaft befähigen, seine Macht über die Natur zu vergrößern. Die andere Seite hält dagegen: „Natürlich, wir wollen Wissen und die Technologie, aber wir wollen nicht, daß zu viele Menschen sie verstehen.“

Sobald also in Europa Staaten entstanden, in denen einige wenige Denker viel Unterstützung hatten, war es nur natürlich, daß das Anliegen aufkam, Volkswirtschaften zu entwickeln, die die Bildung und neue Arten der Beschäftigung beförderten. Damit entstand das, was man in Europa als moderne experimentelle Naturwissenschaft bezeichnet; es kamen neue Ideen der Wirtschaftsverwaltung und eine neue Bildungspolitik auf. Die Ideen der physischen Ökonomie begannen sich unter diesen Bedingungen auf natürliche Weise herauszubilden.

Was waren die Auswirkungen der europäischen Zivilisation auf die Welt seit dem 15. und 16. Jahrhundert? Zum Beispiel war im 15. Jahrhundert der technologische Entwicklungsstand in China und in Europa ungefähr gleich hoch, wie die großen Forschungsreisenden und Astronomen in China zeigen. Doch durch die Revolution in Europa machte die Entwicklung von Wissenschaft und Technik in Europa plötzlich einen Sprung nach vorn. Dadurch wurde die europäische Zivilisation, die zuvor nur ein Teil der Welt gewesen war, zu einem immer dominanteren Teil der Welt.

Das Verhältnis Europas zur Welt seither ist also eine Geschichte einerseits der Verbreitung dieser überlegenen Kultur, andererseits aber auch ihrer Assimilation mit chinesischen Merkmalen, so wie die meisten Menschen eine andere Kultur aufnehmen, um aus ihren Vorteilen Nutzen zu ziehen.

Europa und China

Doch dann gibt es noch die andere Seite, die durch die imperialen Systeme des 18. und 19. Jahrhunderts verkörpert wird und die den Konflikt in Europa zwischen nationaler Wirtschaft und Finanzoligarchie widerspiegelt. Aus verschiedenen Gründen, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, sind wir am Ende dieses Konflikts angekommen. Es hat sich ein besonderer historischer Zustand eingestellt, an dem diese beiden Gesellschaftsformen nicht mehr zusammen auf demselben Planeten existieren können. Die große Finanzkrise, die in Asien [1997] ausgebrochen ist, ist der Anfang vom Ende dieses Systems dieser beiden Wirtschaftsformen.

Aus dieser Sicht läßt sich die physische Ökonomie verstehen und nachvollziehen. Es gibt zwei Ideen, die man in der physischen Ökonomie berücksichtigen muß, die aber in Wirklichkeit zwei Richtungen der gleichen Idee sind.

Auf der einen Seite gibt es Ideen, die sich auf die Beziehung der Gesellschaft pro Kopf zum physikalischen Universum beziehen. Das heißt, wie viele Quadratkilometer sind erforderlich, um eine durchschnittliche Person zu erhalten? Wie hoch ist der Lebensstandard dieser durchschnittlichen Person, physisch gesehen? Wie hoch ist die physische Produktivität dieser Person im Durchschnitt?

Der zweite Bereich ist das Gebiet der klassischen Kunst. Der Begriff „klassisch“ bezieht sich in diesem Fall auf die griechische „Klassik“. Er bedeutet klassisch im Sinne Platons, der sagt, daß die Kunst von einem Vernunftprinzip beherrscht wird. Es geht hierbei nicht um irrationale Inspirationen, sondern in der Kunst gibt es ein wißbares Prinzip. Und man findet Spuren bzw. Wurzeln der klassischen Kunst, soweit wir sie kennen, bereits vor 6.000 Jahren.

Der erste Bereich ist in gewisser Hinsicht einfach zu verstehen. Man nennt ihn im heutigen Sprachgebrauch experimentelle physikalische Wissenschaft, die praktisch alles umfaßt: Biologie, Mechanik, Astrophysik, alles dieser Art. Die Menschheit entdeckt ein Naturgesetz, ein Prinzip, und diese Entdeckung erweist sich als wahr durch so etwas wie ein Experiment, ein sogenanntes entscheidendes Experiment.

Wenn man einen Apparat konstruiert, um ein wissenschaftliches Prinzip zu testen, kann dieser Apparat als Anleitung dienen, um neue Produkte herzustellen und neue Produktionsverfahren einzuführen. Dieses neue Prinzip führt also dazu, Dinge künftig besser zu tun, die Art und Weise zu verändern, wie man arbeitet und wie man Produkte entwirft. Und man stellt fest, daß man jetzt mit gleichem Aufwand mehr erreichen kann, daß die Produkte besser sind und daß die Macht des Menschen pro Kopf über das Universum zugenommen hat.

Doch die Gesellschaft ist nicht nur eine Ansammlung von Einzelpersonen, die Wissenschaft betreiben. Nehmen wir einen ganz konkreten Punkt, um dies zu verstehen: Kann eine Person mit ihren Sinnen sehen, wie der Verstand einer anderen Person arbeitet? Kann man sehen, wie der Verstand arbeitet, wenn eine gültige Entdeckung entsteht? Nein, das kann man nicht. Hier geht es um den Bereich der Ideen: Dinge, die wahr sind, die man aber nicht mit den Sinnen sehen, berühren, fühlen kann.

Die Wissenschaft der Paradoxe

Wie lernt man zum Beispiel wissenschaftliches Denken? Dem Schüler in der Schule wird eine Aufgabe gestellt. Das Problem, das der Schüler lösen muß, ist schwierig. Unter den Hinweisen, die der Schüler erhält, sind Berichte, daß eine bestimmte Person ein Naturgesetz entdeckt hat. Der Schüler wird aufgefordert, zu einem bestimmten Zeitpunkt in seiner Ausbildung den Akt der Entdeckung, den diese berühmte Person gemacht hat, für sich selbst zu wiederholen. Wenn der Schüler so eine große Entdeckung nachvollzieht, hat er genauso gedacht wie der große Entdecker Jahrhunderte oder länger zuvor. Er hat den Akt des Denkens dieser Person, diese Entdeckung, nacherlebt.

Wenn jedoch in einer Schule die Schüler nicht aufgefordert werden, das zu tun, sondern man ihnen lediglich sagt, sich das Ergebnis des Experiments einzuprägen, werden diese Schüler zwar ihre Prüfungen bestehen, aber sie haben nichts verstanden. Das gilt auf allen Ebenen des Lernens und der Arbeit. Wenn man jemanden arbeiten läßt, wie gut wird diese Person dann arbeiten? Man sagt: „Nun, er wird das tun, was er gelernt hat.“

Nun, einige von Ihnen haben einmal Verwaltungstätigkeiten ausgeübt oder haben die Verwaltung von Projekten beobachtet. Und Sie wissen aus schmerzlicher Erfahrung, daß das nicht funktioniert. Auf jeder Ebene wird von den Menschen, die an einem Projekt arbeiten, ein gewisses Maß an Kreativität verlangt, das über das bloße Lernen hinausgeht. So muß man auch sagen, daß jeder arme Bauer mit den gleichen geistigen Fähigkeiten geboren wurde wie jemand, der gebildet ist. Wenn ein armer Bauer von einem kleinen Bauernhof in ein Industrieprojekt gesteckt wird, wie soll das Projekt gelingen? Man braucht dazu mehr als jemanden, der versteht, was zu tun ist. Das Ergebnis wird davon abhängen, inwieweit diese Person die Fähigkeit entwickelt hat, Probleme zu lösen, die Dinge zum Funktionieren zu bringen – Einfallsreichtum.

Warum kann jemand Probleme wie diese lösen? Ich kann Ihnen meine eigenen Erfahrungen und die Erfahrung anderer in der US-Industrie mitteilen. Menschen lösen Probleme, weil es ihnen Spaß macht, Probleme zu lösen. Jemand, der wütend ist, gegen die Maschine tritt und das Werkzeug zerbricht, wird das Problem nicht lösen. Er wird es nicht schaffen. Er wird extrem wütend werden, Dinge zerbrechen, Menschen verfluchen.

Ein Vorgesetzter von Arbeitern wird, wenn sie ihn frustrieren, wütend auf sie sein und dumme Dinge zu ihnen sagen. Ein guter Manager ist jemand, der gerne Menschen hilft, kreativ denken zu lernen. Er wird sagen: „Es gibt Arbeit zu tun.“ Er wird unerbittlich auf das Ergebnis dringen, aber er wird seinen Untergebenen liebevoll dabei helfen, einen Weg zur Lösung des Problems zu finden.

Das Wichtigste in der Gesellschaft ist es also, den Einzelnen so zu entwickeln, daß er liebevoll das tut, was er als Mensch gut kann, nämlich Entdeckungen zu machen. Wenn man zum Beispiel für ein kleines Kind ein neues Spielzeug oder ein neues Spiel mit nach Hause bringt, ist das Kind vielleicht anfangs frustriert. Es weiß nicht, was es mit diesem neuen Spielzeug anfangen soll, wie es es benutzen soll. Aber wenn das Kind, insbesondere ein kleines Kind, entdeckt, wie es das Spielproblem lösen kann, ist das Kind sehr glücklich. Und die Menschen in seiner Umgebung, in der Regel die Eltern, sind ebenfalls glücklich, wenn sie sehen, daß das Kind das Problem löst.

Was uns menschlich macht

Dieses Glücksprinzip, d. h. den Verstand zur Lösung eines Problems einzusetzen, ist somit das, was gute Arbeit und Kreativität ausmacht. Kreativität kann man nicht kaufen, man muß sie anregen. Eine gute Ausbildung ist also keine Ausbildung, die Menschen zum Gehorsam dressiert. Eine gute Erziehung ist eine Erziehung, die das Kind zwingt, sich der Herausforderung zu stellen, ein Problem zu lösen, von dem wir wissen, daß das Kind es lösen kann. Und der Erfolg erzeugt Freude.

Ich bin sicher, Sie alle haben Erfahrungen in einem sehr eintönigen Beruf gemacht: Tagein, tagaus dasselbe. Es ist sehr langweilig und frustrierend, die gleiche Handlung immer und immer wieder zu wiederholen. Menschen in solchen Arbeitssituationen wollen Abwechslung, um die Monotonie zu durchbrechen. Sie werden manchmal Dinge anders machen, nur um die Langeweile zu durchbrechen.

Der normale Zustand des Menschen besteht also darin, glücklich zu sein – im Sinne wahren Glücks, d.h. des Glücks eines alten Mannes, der mit einem Lächeln im Gesicht stirbt, der sagt: „Mein Leben war notwendig. Ich war hier und habe etwas Gutes getan. Das wäre nicht passiert, wenn ich nicht da gewesen wäre, um es zu tun. Deshalb war mein Leben notwendig.“ Der alte Mann stirbt und sagt: „Ich habe gute Kinder. Ich war notwendig, um diese guten Kinder zu machen.“ Glück im Leben bedeutet, in jedem Augenblick etwas zu tun, das Gutes bewirkt.

Man sollte also jedes Baby, jedes Kind als einen guten Menschen betrachten und mit der Idee erziehen, nicht nur eine bestimmte technische Fähigkeit zu erreichen, sondern das Kind mit dieser Aufgabenstellung glücklich zu machen, denn dann wird dieses Kind das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein, weil es diese Kraft im eigenen Geist spürt. Ein gutes Bildungssystem muß genau das leisten: Kreative Menschen hervorbringen, die Probleme lösen, die sich nicht einfach über Dinge ärgern, die nicht funktionieren, sondern Wege finden, sie zum Funktionieren zu bringen. Das ist auch ein Spiegelbild der Kunst innerhalb der Wissenschaft.

Tatsächlich kenne ich persönlich keinen großen Wissenschaftler, der sich nicht auch mit klassischer Kunst befaßt hätte. Denn der geistige Aspekt der Kunst ist notwendig für den Geist wissenschaftlicher Arbeit. Lassen Sie mich kurz erklären, was ich damit meine.

Die berühmtesten Kunstformen, die wir haben, sind unterteilt in das, was wir plastische Kunst nennen, wie die Bildhauerei, die Architektur, die Malerei, und in andere Künste wie die Musik und die Dichtung bzw. die großen dramatischen Werke, die daraus hervorgehen. Dichtung und Poesie sind wohl das Älteste, was wir kennen. Jedes klassische Gedicht, wie jedes Kunstwerk, birgt in sich ein Problem. Und man erfährt in jedem großen Gedicht ein Wiedererleben des Aktes der Lösung dieses Problems, das dieses Gedicht darstellt.

Große Kunst und Größe

Dabei geht es beispielsweise um Prinzipien des Sozialverhaltens. Allgemein können diese durch große Dramen oder große Gedichte dargestellt werden. Dasselbe gilt für die Musik und auch für die bildende Kunst. Dabei wird das wichtigste aller Probleme untersucht, daß wir nämlich eine Gesellschaft sind und nicht eine Ansammlung einzelner Menschen. Ja, wir benutzen in jeder Gesellschaft eine Sprache, die für die Menschen gemeinsam ist. Aber die Sprache allein läßt eine Gesellschaft nicht an sich funktionieren.

Das Wichtigste dabei ist, was ich bereits gesagt habe: Niemand kann den Denkprozeß, durch den ein anderer Mensch eine Idee entwickelt, sehen, riechen, berühren oder fühlen. In der physischen Ökonomie sind Ideen – wissenschaftliche Entdeckungen – das Wichtigste. Dabei kommt es darauf an: Wie kann man eine gültige, wissenschaftliche Entdeckung, die jemand gemacht hat, wie kann man diesen Entdeckungsakt im Kopf einer anderen Person replizieren? Dazu ist die Informationstheorie nicht geeignet. Sie ist ein Betrug. Man muß es der anderen Person ermöglichen, die von einem anderen gemachte Entdeckung zu wiederholen.

LaRouche: „Niemand kann den Denkprozeß, durch den ein anderer Mensch eine Idee entwickelt, sehen, riechen, berühren oder fühlen.“ Im Bild Rembrandts Porträt des Empirikers Aristoteles, der den schöpferischen Geist des blinden Dichters Homer, dessen Büste er betrachtet, nicht erkennt.

Man erlebt dies in jeder Schulklasse, wenn Schüler in derselben Klasse ein wissenschaftliches Prinzip studieren. In einem guten naturwissenschaftlichen Unterricht sollten 15-17 Schülerinnen und Schüler teilnehmen, weil dann ein guter Austausch stattfinden kann. Man kann dann an den Gesichtern der Kinder in dieser Klasse, eines nach dem anderen, ablesen, daß sie das Prinzip verstanden haben. Sie können sich dann gegenseitig zeigen, daß sie alle die gleiche Erfahrung gemacht haben. Diejenigen, die die Entdeckung zuerst gemacht haben, teilen sie allen anderen mit. Und jeder weiß, was im Kopf des anderen passiert ist.

Das Wichtigste in der Gesellschaft ist also, wie wir einander befähigen können, zu verstehen, was wir denken? Das ist nicht nur für Wissenschaft und Technik wichtig, es ist wichtig für alles – auch für die Rechtsprechung. Soll Recht etwas sein, nur weil sich einige Leute auf bestimmte Worte geeinigt haben? Oder muß Recht ein Prinzip sein, wie ein wissenschaftliches Prinzip?

Nehmen wir einmal an, jemand muß sich vor einem Gericht verantworten, weil er eines Verbrechens beschuldigt wird. Man stellt ihn vor Gericht, doch die Person, der der Prozeß gemacht wird, weiß, daß sie unschuldig ist und die Anklage zu Unrecht besteht. Was ist das Problem für den Beschuldigten? Er sagt: „Ich bin unschuldig. Ich weiß, daß ich nicht schuldig bin. Wie kann ich die Richter davon überzeugen, daß ich nicht schuldig bin?“ Wie können die Richter zu einem „wahren“ Urteil kommen – nicht durch „Überredung“, nicht durch „Bestechung“, nicht durch „Täuschung“ – sondern „wie können sie die Wahrheit herausfinden, so wie ich die Wahrheit kenne?“

Auf der anderen Seite muß man sich in den Richter hineinversetzen. Vor dem Richter steht der Angeklagte. Wie kann der Richter wissen, ob diese Person unschuldig ist oder nicht? Was muß er von dem Beschuldigten oder von Zeugen herausbekommen, um festzustellen, ob er unschuldig oder schuldig ist?

Nicht mit den Sinnen

In beiden Fällen dreht sich das Problem um das Denken, dessen Funktionsweise von den Sinnen nicht erfaßt werden kann. Dasselbe Prinzip, das bei einer wissenschaftlichen Entdeckung oder im Wissenschaftsunterricht gilt, gilt auch in allen Bereichen der Gesellschaft – nicht nur in der Rechtsprechung oder nicht im Gericht, sondern besonders auch bei der Führung eines Staates. Das Wichtigste ist: Wie entwickeln wir Ideen, die wahr sind, und wie überzeugen wir die Menschen davon, daß diese Ideen wahr sind? Nicht indem wir sie täuschen, sondern indem wir ihren Verstand dazu bringen, die Wahrheit zu erkennen.

Deshalb ist auch die Kunst so wichtig. Wenn man auf die Geschichte aller großen klassischen Kulturen zurückblickt – und ich bin sicher, man findet dies auch in der chinesischen Kultur – findet man viele Dinge in der klassischen Kunst, die dazu beitragen, das zu vermitteln, was sonst nicht mit Worten vermittelt werden kann. Man nennt das auch Metapher: die Kunst des Widerspruchs. Wenn zwei Bedeutungen einander widersprechen, was ist dann die Wahrheit, die zwischen beiden einander widersprechenden Bedeutungen liegt, vor allem wenn beide Bedeutungen beweisbar erscheinen? Hier liegt die Bedeutung der wissenschaftlichen Methode. Das ist auch die Methode der klassischen Kunst.

Das ist somit auch das Wesen der physischen Ökonomie. Ziel der physischen Ökonomie ist es, eine Gesellschaftsform zu erhalten und zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Menschen entspricht – nicht nur den heutigen physischen Anforderungen, sondern auch den Anforderungen, die sich aus der Tatsache ergeben, daß wir alle sterblich sind.

Wenn jeder von uns sterben wird, was ist dann der Sinn unseres Lebens? Der Sinn unseres Lebens ist das, was wir während unseres Lebens tun, das der zukünftigen Menschheit zugute kommt und das den Menschen Ehre erweist, die vor uns kamen und denen wir zu Dank verpflichtet sind.

Wie können wir eine solche Gesellschaft schaffen? Und wie können wir verstehen, wie der Verstand funktioniert, wie unser Denken zusammenspielen kann, damit wir Prinzipien entdecken, die uns gemeinsam in die Lage versetzen, nicht nur den Zustand der Menschheit zu verbessern, sondern auch das Universum besser zu verstehen?

Deswegen müssen wir uns mit Astrophysik beschäftigen, denn vielleicht wird in drei Milliarden Jahren die Sonne explodieren. Was passiert dann mit der Menschheit? Es könnte andere Katastrophen geben. Vielleicht schlägt ein Objekt auf der Erde ein und zerstört alles Leben. Welche Probleme auch immer auf uns zukommen, das Schicksal des Menschen besteht offensichtlich darin, Bedingungen zu schaffen, unter denen die Menschheit weiter existieren kann.

Wir müssen uns also entwickeln. Und nicht nur das; wir müssen die Menschen Glück fühlen lassen, wenn sie zur Entwicklung beitragen. Das ist physische Ökonomie. Sie hat viele technische Implikationen, doch ich habe versucht, mich hier auf die historisch bedingten Prinzipien zu konzentrieren.

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