Wer stahl der Menschheit das Feuer?

Die Unterdrückung der Kernfusion


Die Verwirklichung der kontrollierten Kernfusion ist für die Menschheit bereits seit Jahrzehnten zum Greifen nahe. Daß dieses Ziel bisher nicht erreicht wurde, lag nicht daran, daß die Kernfusion unmöglich wäre oder daß es den Fusionsforschern und -ingenieuren an Fähigkeiten mangelte. Ein Rückblick auf 50 Jahre Fusionsforschung und deren Sabotage.


Die Verwirklichung der kontrollierten Kernfusion ist für die Menschheit bereits seit Jahrzehnten zum Greifen nahe. Wäre der Weg, der zu Beginn des Kernfusionsprogramms in den USA und Europa eingeschlagen wurde, weiter beschritten worden, verfügten wir heute über eine Energiequelle, die allen Ländern auf der Erde eine praktisch unbegrenzte Energieversorgung böte und viele Bereiche wie Industrie, Transport und Medizin qualitativ transformieren würde. Die Fähigkeit der Menschheit, die Lebensbedingungen auf unserem Planeten durch beispielloses realwirtschaftliches Wachstum anzuheben, wäre grundlegend revolutioniert worden.

Daß dieses Versprechen nicht eingelöst wurde, lag nicht daran, daß die Kernfusion unmöglich wäre oder daß es den Fusionsforschern und -ingenieuren an Fähigkeiten mangelte. Die Kernfusion ist keineswegs „immer 50 Jahre weit weg”; sie wurde unter einer imperialen Politik bewußt unterdrückt, wozu vor allem der Mechanismus gezielter Budgetkürzungen diente, der einen so starken Faktor der Lähmung erzeugte, um das, was unschwer hätte erreicht werden können, um Jahrzehnte zu verzögern. Man muß sich nur vorstellen, wo wir als Menschheit heute wären, wenn die Kernfusion in den 1990er Jahren verwirklicht worden wäre, wie es führende Fusionsforscher 1976 geplant hatten.((Dean, S. O.: Fusion Power by Magnetic Confinement: Program Plan. U.S. Energy Research and Development Administration Report ERDA-76/110 (July 1976).))

Nicht nur der erbärmlich niedrige Haushaltsansatz der Regierung Obama für 2015, mit dem wichtige Fusionsexperimente in den USA wegzufallen drohen, ist völlig indiskutabel, sondern auch mit der Knauserei für die Fusionsforschung in Europa muß sofort Schluß sein. Nur mit einem voll abgesicherten Fusionsprogramm als vorrangige nationale Aufgabe kann das Überleben und der Fortschritt der Menschheit gesichert werden. So wie China diese Aufgabe derzeit angeht, müßte auch für uns Vorbild sein.

Fusion: Eine neue Ära der Menschheit

Erst am Ende des 19. Jahrhunderts trat die Menschheit in das Atomzeitalter ein und begann die Kraft des Atomkerns zu verstehen und zu nutzen – eine Eigenschaft der Materie, die vom Standpunkt rein chemischer Prozesse nicht faßbar war. Die Radioaktivität wurde erstmals in den 1890er Jahren entdeckt, und 1905 zeigte Einstein, daß eine kleine Masse in sehr viel Energie umgewandelt werden kann (im Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat, E = mc2). Das war die geistige Geburt der Kernfusion. Während bei der Kernspaltung Energie frei wird, wenn ein schweres Atom (wie Uran, Plutonium oder Thorium) zerfällt, werden bei der Fusion die leichtesten Elemente (wie die Isotope des Wasserstoffs oder Heliums) miteinander verschmolzen, wodurch Energie frei wird, die millionenmal dichter ist als Kohle, Öl oder Erdgas und auch noch um eine Größenordnung dichter als Kernbrennstoff. Der Brennstoff für die Fusion ist reichlich vorhanden; er findet sich im Meerwasser (Beispiel Deuterium, auch schweres Wasser genannt) oder ist im Mondboden verteilt (wie Helium-3). Damit könnte die Menschheit über Milliarden Jahre mit Energie versorgt werden.

Der Princeton Large Torus (PLT) am Plasma Physics Laboratory der Universität Princeton in New Jersey. Foto: PPPL

1955 hatte der Brite John D. Lawson festgestellt, daß drei theoretische Parameter erfüllt sein müssen, um eine anhaltende Fusionsreaktion zur Energiegewinnung zu erreichen. Nach diesem Lawson-Kriterium muß zum Betrieb eines energieerzeugenden Fusionsreaktors ein Mindestprodukt aus Temperatur (Energie), Dichte und Einschlußzeit fusionierbarer Ionen erfüllt sein. Da der Brennstoff auf Temperaturen höher als auf der Sonne gebracht werden muß, läßt sich das Plasma in kein gewöhnliches Material einschließen. Da der Brennstoff aber aus geladenen Teilchen besteht, kann man eine andere Art „Wand” – ein Magnetfeld – einsetzen, um die Reaktionspartner zusammenzuhalten. So entstand die Idee der „Magnetflasche”.((Ein anderer Ansatz zum Einschluß des Fusionsbrennstoffs nennt sich Trägheitseinschluß, wobei ein Brennstofftarget (z. B. ein Kügelchen aus Deuterium und Tritium) mit hochenergetischen Strahlen erhitzt und komprimiert wird.))

Die Anfänge

Die Wiege des US-Fusionsprogramms stand in den wissenschaftlichen Forschungsanstalten der Vereinigten Staaten, konkret in dem Langley Memorial Aeronautical Laboratory (heute Langley-Forschungszentrum der NASA), wo zwei junge Forscher, Arthur Kantrowitz und Eastman Jacobs 1939 erste Versuche anstellten. Dabei wurde noch keine Kernfusion erzeugt, aber es folgten weitere Arbeiten in den ganzen 1940er Jahren im jetzigen Los Alamos National Laboratory und an der Universität Princeton, woraus das jetzige Princeton Plasma Physics Laboratory hervorging. 1946 kam man in Los Alamos zu dem Schluß, daß man zur Erzeugung eines Energieüberschusses ein stationäres Plasma auf eine Temperatur von etwa 100 Mio. Grad((Alle Temperaturangaben in Kelvin.)) erhitzen müsse – zehnmal heißer als im Mittelpunkt der Sonne und weit jenseits von allem, was jemals auf der Erde erreicht wurde.

1951 wurden Lyman Spitzer in Princeton von der Atomenergiekommission (AEC) 50.000 $ bewilligt, um einen von ihm entworfenen „Stellarator” zu bauen, eine modifizierte Magnetflasche, die so konstruiert war, daß sie der „Drift” des Plasmas entgegenwirkte, die in einfachen toroidalen Konfigurationen entstand und im Plasma das Erreichen von Fusionsbedingungen verhinderte. Das ursprüngliche Stellarator-Programm in Princeton bestand aus vier Phasen, den Modellen A bis D, wobei Modell B ein geplanter Demonstrationsreaktor war.

James Tuck baute im Winter 1952-53 in Los Alamos eine Maschine die er „Perhapsatron”((Das Perhapsatron würde vielleicht funktionieren oder vielleicht auch nicht funktionieren. Es funktionierte nicht, ebnete aber den Weg für die folgenden Phasen der Fusionsforschung.)) nannte. Das Perhapsatron war eine toroidale Magnetflasche, in der man mittels des sogenannten „Pinch”-Konzepts Fusionsreaktionen erreichen wollte.((Ein „Pinch“ macht sich die natürliche Tendenz eines in einem Plasmastrom induzierten elektrischen Felds zunutze, das Plasmamaterial ins Innere der Plasmasäule zu komprimieren, die unter diesem Druck dann in sehr dichte, dünne Filamente zerfällt. Man hatte die Vorstellung, mit Hilfe dieses Phänomens die nötigen Temperaturen und Dichten für Fusionsreaktionen zu erreichen, bevor Instabilitäten den Plasmastrom zum Erliegen bringt.)) Der Pinch und der Stellarator sowie die sogenannte „Spiegelmaschine” von Richard Post am Strahlungslabor der Universität Kalifornien in Livermore (später das Lawrence Livermore National Laboratory) bildeten das Rückgrat des amerikanischen Geheimprogramms zur Entwicklung der kontrollierten thermonuklearen Fusion – das „Project Sherwood”.

Die Table Top Mirror Machine in Livermore (links) und die Scylla-Maschine in Los Alamos (rechts) zur Zeit von Project Sherwood in den 50er Jahren. Fotos: LLNL, LANL

Mit Mitteln der AEC im Rahmen von Präsident Eisenhowers Programm „Atome für den Frieden” und unter Leitung der gleichen Wissenschaftler, die während des Krieges die Atomkraft zum Bau von Waffen nutzten, sollte Sherwood nun die Grundlagen der Kernforschung für friedliche Zwecke schaffen. Wie sich der AEC-Vorsitzende Lewis S. Strauss 1954 ausdrückte: „Unsere Kinder werden in ihren Wohnungen in den Genuß elektrischer Energie kommen, die so billig ist, daß man keinen Stromzähler braucht… Es ist nicht übertrieben, zu erwarten, daß unsere Kinder wiederholte regionale Hungersnöte in der Welt nur noch aus dem Geschichtsbuch kennen werden, daß sie gefahrlos und mit großer Geschwindigkeit über die Meere und unter den Meeren und durch die Luft reisen werden; sie werden auch eine viel längere Lebenszeit vor sich haben als wir, da Krankheiten zurückweichen und der Mensch immer besser versteht, was ihn altern läßt.”((Lewis Strauss, AEC-Vorsitzender (1953-58), in einer Rede vor dem Nationalen Verband der Wissenschaftsautoren am 16. September 1954.)) Ein solcher natürlicher Optimismus begleitete die wissenschaftlichen Perspektiven für die Fusion.

Die Öffentlichkeit erfuhr von der Existenz von Project Sherwood im Vorfeld der ersten Internationalen Konferenz über Atomenergie der IAEA, die 1955 in Genf stattfand, und eine begrenzte internationale Zusammenarbeit begann 1956.((Der Vorsitzende der indischen Atomenergiekommission Homi J. Bhabha, der die Konferenz in Genf 1955 leitete, brachte den Optimismus dieser Zeit in seiner Rede des Präsidenten zum Ausdruck: „Ich wage vorauszusagen, daß eine Methode gefunden wird, um in den nächsten zwei Jahrzehnten die Fusionsenergie kontrolliert freizusetzen. Wenn das geschieht, werden die Energieprobleme der Welt für immer gelöst sein, denn der Brennstoff ist als schwerer Wasserstoff reichlich in den Meeren vorhanden.“)) Im Rahmen der zweiten Internationalen Konferenz über Atomenergie 1958 wurde der Geheimschutz des Projekts vollkommen aufgehoben. Im gleichen Jahr wurden in Los Alamos erstmals in einem Experiment überhaupt Neutronen bei der thermonuklearen Fusion erzeugt: im Scylla I.((Die Scylla-Modelle basierten auf dem Konzept des „Theta-Pinch“, ähnlich dem „Z-Pinch“ von Tucks Perhapsatron, nur mit einer anderen Ausrichtung der magnetischen und elektrischen Felder.))

Lewis Strauss, der als Vorsitzender der AEC das Fusionsbudget von 7,3 Mio. $ 1951 auf 114,7 Mio. $ 1958((Alle Haushaltszahlen werden in Dollar von 2013 angegeben. Quellen: Fusion Power Associates, U.S. Energy Information Agency und Bishop, Amasa S., “Project Sherwood: The U.S. Program in Controlled Fusion,” 1958.)) erhöhte, schrieb über Project Sherwood:

„Die Bedeutung von ,Sherwood’, wie sich das Projekt nannte und zumindest theoretisch jetzt als machbar galt, kann kaum überbewertet werden, und ich hoffe, lange genug zu leben, um zu sehen, wie die gleichen Naturkräfte der Wasserstoffbombe für friedliche Zwecke gezähmt werden. Ein Durchbruch könnte schon morgen oder erst in einem Jahrzehnt kommen. Aus unseren Laboratorien könnte ein Entdeckung hervorgehen, die genauso bedeutsam ist wie die Zähmung des Feuers durch Prometheus.”

Die 1960er Jahre

Angeführt von den USA, der UdSSR und Großbritannien kamen die Arbeiten in 60er Jahren voran, und wichtige Fusionsforschung begann auch in Deutschland, Frankreich und Japan. Mit dem Scylla IV wurden in Los Alamos 1964 Temperaturen von über 40 Mio. Grad erreicht, obgleich die Einschlußzeit noch sehr kurz war: weniger als eine zehnmillionste Sekunde.

1968 wurde aus der Sowjetunion gemeldet, daß dort Rekordtemperaturen und -einschlußzeiten mit der T3-Maschine, einem Tokamak, erzielt worden waren.((Ein Tokamak, mit dem man in der Sowjetunion in den 50er Jahren zu arbeiten begann, ist eine toroidale Magnetflasche mit helikaler Wicklung und einem starken toroidalen Magnetfeld (entlang der Achse des Rohrs). )) Als sich 1969 eine Delegation vom britischen Culham Laboratory von diesen sensationellen Ergebnissen überzeugen konnte, begann man überall auf der Welt die toroidalen Magnetflaschen in Tokamaks umzuwandeln. Auch der Model-C-Stellarator in Princeton wurde konvertiert und war die erste Maschine in den USA, mit der die sowjetischen Ergebnisse bestätigt wurden.

Die Trägheitsfusion, bei der die Kernfusion durch blitzartige Energieeinwirkung auf ein Brennstofftarget ausgelöst wird, hatte ihren Anfang ebenfalls in den 60er Jahren. Mit der Erfindung des Lasers 1960 begann man über die Möglichkeit zu sprechen, mit Hilfe eines Lasers eine „Mikrowasserstoffbombe” zu zünden, die in einer Kammer eingeschlossen bliebe, um deren Energie zu nutzen. Die ersten Patentanträge für einen Laserfusionsentwurf wurden 1969 gestellt.

Inzwischen war das US-Fusionsbudget von 114,7 Mio. $ 1958 auf 140 Mio. $ 1968 gestiegen, wodurch die Grundlage für die kommenden Durchbrüche in den 70er Jahren gelegt wurde.

Die 1970er Jahre

Anfang der 70er Jahre entschied man, das Fusionsprogramm aufzuwerten und ihm eine eigene Abteilung in der Atomenergiekommission zuzuerkennen. 1972 – das Fusionsbudget war auf 144,7 Mio. $ aufgestockt worden – wurde ein Plan für zukünftige Fusionsanlagen und -experimente erstellt, um die wissenschaftliche Machbarkeit der Kernfusion zu demonstrieren.((Damals verstand man darunter das Erreichen des Lawson-Kriteriums in einem Deuteriumplasma-Experiment bzw. das Erreichen eines „äquivalenten wissenschaftlichen Breakeven“ – d. h. eines Experiments nur mit Deuterium-Brennstoff, bei dem mehr Energie produziert würde, als zur Erhitzung des Plasmas verbraucht wurde, wenn auch Tritium als Brennstoff verwendet worden wäre. Dies wurde bis heute nicht erreicht.)) Im Rahmen eines Planungsprojekts innerhalb der AEC erwartete man sich bis 1978 wichtige Ergebnisse von dem geplanten Princeton Large Torus (PLT). Und mit dem nachfolgenden Betrieb eines Testreaktors sollten 1984 10 MW Fusionsenergie erzeugt werden.((Beide Ziele wurden erreicht. Der PLT erreichte die genannten Ergebnisse 1978 (siehe unten), und ein Testreaktor, der Tokamak Fusion Test Reactor (TFTR), nahm 1982 in Princeton den Betrieb auf. Der TFTR produzierte tatsächlich 10 MW Fusionsenergie, allerdings erst 1994, zehn Jahre nach dem ursprünglich anvisierten Datum.))

1971 wurde im Oak Ridge National Laboratory ein kleiner Tokamak (ORMAK) in Betrieb genommen, der eine wichtige Rolle dabei spielen sollte, die Plasmatemperatur auf fusionsgeeignete Höhe zu bringen.

1973 wurden erste Entwürfe zum Bau eines Fusionskraftwerks durch Forscherteams der Universität Wisconsin, General Atomics, Argonne National Lab und Oak Ridge Natioal Lab genehmigt.

Bei weiter steigendem Fusionsbudget erhielten drei neue Tokamaks die Baugenehmigung: Der Alcator- A am MIT, der Doublet-II bei General Atomics und der PLT in Princeton.

1974 wurde die Atomenergiekommission aufgelöst, und die Fusionsforschung gelangte unter das Dach der neu geschaffenen Energieforschungs- und Entwicklungsbehörde (ERDA), dem Vorläufer des US- Energieministeriums (DOE).

Im gleichen Jahr, noch bevor der PLT in Betrieb ging, wurde die Entwicklung des Tokamak Fusion Test Reactor (TFTR) in Princeton als Nachfolger des PLT als „physics test reactor” genehmigt, mit dem man den Breakeven zu erreichen hoffte.

In Livermore hatte sich die Spiegelmaschine von ihren bescheidenen Anfängen aus den Sherwood-Tagen deutlich weiterentwickelt, und 1975 erreichte die 2XIIB am Lawrence Livermore Laboratory vergleichbare Plasmaparameter, wie sie mit den viel weiter erforschten Tokamaks erzielt wurden. 1977 erhielt eine neue Maschine, das Tandem Mirror Experiment (TMX), mit dem das „Endverschluß-Problem”((Die Spiegelmaschine ist eine nach beiden Seiten offene, gerade Magnetflasche mit zwei starken „spiegelnden“ Magnetspulen an den Enden der Röhre, mit denen der Plasmafluß zurück in die Mitte der Maschine gelenkt wird. Man dachte, der geradlinige Bau würde sich für den kommerziellen Betrieb besser als die Tokamaks eignen, da alle Seiten der Maschine für Wartung und Reparatur zugänglich wären und da sich ihr Plasma stabiler verhielte als in den geschlossenen, toroidalen Konstruktionen. Doch an den Enden gelangten zu viele Ionen nach draußen. Deswegen das „Endverschluß-Problem“.)) gelöst werden sollte, die Zulassung. Das TMX begann seinen Betrieb im Oktober 1978, und sein Erfolg führte zur Bewilligung der noch weiterentwickelten Mirror Fusion Test Facility (MFTF), die 1985 fertig gestellt sein sollte.

Im Verlauf der 70er Jahre waren die Fortschritte in allen drei wichtigen Fusionslinien (Tokamak, Pinch und Spiegelmaschine) so ermutigend, daß Schritte unternommen wurde, um die Fusionsforschung durch erweiterte internationale Zusammenarbeit zu beschleunigen. 1973 unterzeichneten Präsident Richard Nixon und der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew ein Abkommen über die friedliche Nutzung der Kernenergie. Das erste amerikanische Team, das im Rahmen dieser Abmachung in die UdSSR reiste, war eine Gruppe von Fusionsforschern, die sich über das sowjetische Fusionsprogramm unterrichtete. Dabei kam beiläufig auch eine in der Sowjetunion entwickelte Technik für die Trägheitsfusion zur Sprache, die sehr genau dem streng geheimen Ansatz entsprach, der in den USA im Sandia Laboratory entwickelt wurde.

Während in der ersten Hälfte des Jahrzehnts ein ungebrochener Optimismus die Fusionsforschung vorantrieb, bahnten sich Ende der 70er Jahre ernste Konflikte über Fragen der globalen Politik an.

Der PLT und das Kernfusionsgesetz

Der Princeton Large Torus, der 1975 sein erstes Plasma erzeugte, sollte künftig im Mittelpunkt eines politischen Kampfes stehen, der weit über die Grenzen der sogenannten „wissenschaftlichen Forschung” hinausging.

Ende Juli 1978 gingen Berichte ein, wonach es Wissenschaftlern mit dem PLT in Princeton gelungen sei, mit Hilfe einer Zusatzheizung, die zuvor bereits am ORMAK in Oak Ridge eingesetzt wurde,((Mit dem ORMAK war mit einer Neutralstrahlheizung, einer Art Zusatzheizung, eine Temperatur von 20 Mio. Grad erreicht worden – das Dreifache dessen, was ein Jahrzehnt zuvor im T3-Tokamak erzielt wurde.)) die Plasmatemperatur auf eine bisher nie erreichte Höhe zu bringen; mit 60 Mio. Grad wurde damit erstmals die Mindesttemperatur von 44 Mio. Grad überschritten, die für die Zündung erforderlich ist.((Für ein Deuterium-Tritium-, oder D-T-Plasma. Mel Gottlieb, Leiter des Princeton Lab, sagte am 14. August 1978 auf einer Pressekonferenz: „Wir brauchten sieben Jahre, um von mehreren Millionen Grad auf 26 Millionen Grad im Dezember 1977 zu kommen, und dann gerade einmal sechs Monate, um noch weitere 35 Millionen zu erreichen.“)) Das Erreichen dieses Temperaturrekords war auch deswegen besonders bedeutsam, da kurz zuvor mit dem Alcator-Tokamak am MIT gezeigt wurde, daß ein Plasma bei der erforderlichen Dichte lange genug eingeschlossen werden konnte, um eine Zündung zu erreichen.((Das waren die drei von Lawson vorgegebenen Parameter, damit in einem Fusionsreaktor ein Energieüberschuß erzeugt werden kann: Plasmadichte, Einschlußzeit und Temperatur.))

Mit dem Überschreiten der Schwelle zur Zündung war aber auch eine psychologische Barriere durchbrochen. Dr. Stephen Dean, Leiter der Abteilung für Einschlußsysteme in der DOE-Abteilung für Fusionsenergie, war voller Zuversicht: „Die Frage, ob Kernfusion aus wissenschaftlicher Sicht möglich ist, ist damit beantwortet… Zum ersten Mal haben wir in einer maßstabgetreuen Anlage die tatsächlichen Bedingungen eines Fusionsreaktors erzeugt.”

Die Nachricht über den Durchbruch verbreitete sich unter den Fusionsforschern in Windeseile, allerdings wurde angeordnet, daß die offizielle Bekanntgabe erst auf der kommenden IAEA-Fusionskonferenz am 23. August in Innsbruck erfolgen sollte. Die Neuigkeit drang jedoch schon vorher zur Presse durch, woraufhin die Spitze des DOE unter Energieminister James Schlesinger alles in Bewegung setzte, um die Bedeutung der Ergebnisse herunterzuspielen. Es wurde sogar versucht, eine für den 14. August angesetzte DOE-Pressekonferenz abzusagen, die aber schließlich doch stattfand, allerdings unter auffälligem Ausschluß des Chefs der DOE-Fusionsabteilung Ed Kintner. Schlesingers DOE bestand darauf, daß die in Princeton erzielten Ergebnisse im Grunde gar kein Durchbruch seien und die Fusion im übrigen noch genauso weit entfernt sei wie zuvor. John Deutch, DOE- Energieforschungsdirektor, pflichtete seinem Chef bei, indem er erklärte, die Ergebnisse seien gut für Princeton, aber noch lange kein Durchbruch.

Diese Unterdrückungstaktik ist bei jemandem wie Schlesinger nicht überraschend, der bereits 1960 in seinem Buch Die politische Ökonomie der nationalen Sicherheit geschrieben hat: „Ökonomie ist die Wissenschaft der Wahlfreiheit in einer Welt begrenzter Ressourcen… Wir sind auf der ganzen Welt herumgezogen und haben das ,Evangelium des Überflusses’ gepredigt und damit Erwartungen geweckt,… [aber] es liegt in der Natur der Dinge, daß diese gestiegenen Erwartungen nie befriedigt werden können… Wir müssen in unserer strategischen Ausrichtung auf die Tage vor der industriellen Revolution zurückkehren… [und] uns darauf einstellen, begrenzte Kriege zu führen.”

Nicht jeder in wichtigen politischen Positionen war jedoch mit dem Malthusianer Schlesinger einer Meinung. Der Kongreßabgeordnete Mike McCormack aus dem Bundesstaat Washington nutzte die durch die PLT-Ergebnisse erzeugte Aufbruchsstimmung, um im Kongreß einen wissenschaftlichen Beirat zu schaffen, der in seinen Sitzungen 1979 zu dem Schluß kam, daß das Haupthindernis für die Fusion mangelnde politische Entschlossenheit und eine unzureichende Mittelbereitstellung sei. Das öffentliche Interesse an der Kernfusion stieg immer weiter an, wobei die Abonnentenzahl des von der Fusion Energy Foundation((Die von Lyndon LaRouche 1974 gegründete FEF hatte entscheidenden Anteil daran, daß die Nachricht vom PLT-Durchbruch an die Öffentlichkeit – und auch ins Weiße Haus – gelangte, was u. a. dafür sorgte, daß die geplante Pressekonferenz wie geplant stattfinden konnte. Siehe auch “Schlesinger vs. Fusion: A Dossier.” EIR, 29. August 1978, und “The Coming Breakthroughs in Fusion,” Fusion, Oktober 1978.)) herausgegebenen Magazins Fusion auf bis zu 100.000 kletterte – wodurch es das Wissenschaftsmagazin mit der zweithöchsten Verbreitung in den USA wurde.

In den ganzen 70er und bis in die 80er Jahre hinein spielte die FEF eine entscheidende Rolle, um die Öffentlichkeit und auch die politischen Entscheidungsträger über die Bedeutung der Kernfusion aufzuklären. Neben der Herausgabe des Magazins veranstaltete sie Dutzende von Seminaren auf der ganzen Welt und griff aktiv in die politischen Kämpfe ein, um die Sabotageversuche gegen die Kernfusion abzuwehren. Im Oktober 1978 richtete die FEF in Reaktion auf den Durchbruch in Princeton ein Memorandum an den Kongreß, worin eine Beschleunigung des Fusionsprogramms und eine Erhöhung des Fusionsbudgets vergleichbar mit dem Apollo-Programm der 60er Jahre gefordert wurde.

Ende der 1970er Jahre erreichte das Magazin Fusion in den USA Auflagen bis 100.000 und war damit das Wissenschaftsmagazin mit der zweithöchsten Verbreitung in den USA.

Im Januar 1980 kündigte der Abgeordnete McCormack auf einer Konferenz über nukleare Sicherheit in Washington, D.C. an, daß er ein Gesetz einbringen werde, „um es zur Politik der amerikanischen Regierung zu machen, noch vor dem Jahr 2000 das erste stromerzeugende Fusionskraftwerk in Betrieb zu nehmen.” Er sagte weiter: „Wir müssen bei der Fusion zur technischen Entwicklungsphase übergehen. Wir dürfen nicht warten, bis jemand anders dies tut… Sobald wir die Kernfusion entwickelt haben, werden wir in der Lage sein, für alle Zeiten und für die gesamte Menschheit genug Energie zu produzieren.”

In einem späteren Interview sagte McCormack im Gegensatz zu Schlesingers Ansicht, die Kernfusion „könnte die wichtigste Abschreckung gegen Krieg in der gesamten Geschichte sein.”

In dem von ihm eingebrachten „Gesetz zur Entwicklung der Magnetfusion” war der Bau einer technischen Testanlage bis 1987 und des ersten Versuchsreaktors zur Stromeinspeisung ins Netz bis 2000 vorgesehen. Zusätzliche Mittel sollten außerdem zur Erweiterung und Verbesserung der wissenschaftlichen Ausbildung bereitgestellt werden. Dafür müßten innerhalb von zwei Jahrzehnten geschätzte 48 Mrd. $ aufgebracht werden. Nachdem die Vorlage schnell 140 Mitunterzeichner gefunden hatte, wurde es am 27. August 1980 im Repräsentantenhaus mit einer überwältigenden Mehrheit von 365 : 7 verabschiedet. Im Senat wurde kurz darauf ein Begleitgesetz per Akklamation angenommen, und am 7. Oktober unterzeichnete Präsident Carter das Gesetz zur Entwicklung der Magnetfusion von 1980.

Da McCormack jedoch im darauffolgenden Monat seine Wiederwahl verlor,((Da sich Jimmy Carter bei den Präsidentschaftswahlen schon vor Schließung der Wahllokale an der Westküste Ronald Reagan geschlagen gab, machten sich viele Demokraten dort gar nicht mehr die Mühe, ihre Stimme abzugeben, so daß viele demokratische Kandidaten für Positionen in Bund und Land ihre Wahlen verloren.)) befand er sich nicht mehr im Kongreß, um die Umsetzung seines Gesetzes zu überwachen. In einem noch im Dezember von McCormacks Unterausschuß für Energieforschung- und -produktion verfaßten Bericht hieß es recht prophetisch: „Die schwersten Kämpfe stehen noch aus. Gelder müssen regelmäßig jedes Jahr bewilligt und entsprechend angewiesen werden… Es sind gehörige Wachsamkeit und Entschlossenheit auf Seiten der Nation erforderlich, um den zwanzigjährigen Entwicklungsplan umzusetzen, den es braucht, um die Fusion Wirklichkeit werden zu lassen.”

Revidierte Ziele

Nur wenige Monate nach Unterzeichnung des Gesetzes zur Entwicklung der Magnetfusion legte die neue Regierung von Präsident Reagan ihren ersten Haushaltsplan für 1982 vor, in dem die Finanzierung der Fusionsforschung so niedrig angesetzt war, daß die Umsetzung des Fusionsgesetzes ein Ding der Unmöglichkeit war. Nach Maßgabe des Gesetzes von 1980 sollte „der Energieminister einen Plan für den Aufbau eines nationalen Technologiezentrums für die magnetische Fusion erarbeiten, um durch die Konzentration und Koordinierung wichtiger Fusionstechnologieanlagen und damit verbundener Aktivitäten die Entwicklung der Fusionstechnologie zu beschleunigen.” Doch im Juli 1982, als der Energieminister spätestens einen Plan zur Einrichtung des Technologiezentrums hätte vorlegen müssen, äußerte sich das DOE in Person des amtierenden Energieforschungsdirektors Doug Pewitt: „Wir haben festgestellt, daß es verfrüht ist, zum jetzigen Zeitpunkt das nationale Technologiezentrum für die magnetische Fusion voll einzurichten.” Statt dessen wurde vorgeschlagen, ein „technisches Machbarkeits- Vorbereitungsprojekt” an einem bestehenden Standort der Fusionsforschung einzurichten.

Aus Protest gegen diesen Verrat trat Ed Kintner im November 1982 von seinem Posten als Chef der DOE- Fusionsabteilung zurück. Im darauffolgenden Jahr äußerte er sich zu diesem Gewaltstreich gegen die Fusion, indem er feststellte, daß die Mittel, die die Regierung für das Haushaltsjahr 1983 eingeplant habe, nicht nur viel zu wenig seien, um das Gesetz von 1980 umzusetzen, sondern sogar noch 25 % unter dem Budget von 1977 lägen. Er meinte, damit „verliert das Fusionsprogramm sein strategisches Rückgrat, und es ist nur noch eine Ansammlung von Einzelprojekten und -aktivitäten ohne klare Aufgabe oder Zeitvorgabe… Der Plan, die Industrie in die Fusionsentwicklung einzubinden, ist auf unbestimmte Zeit vertagt, und der industrielle und wirtschaftliche Nutzen von Hochtechnologie-Spinoffs, mit Sicherheit ein zunehmend wichtiges Phänomen eines beschleunigten Fusionstechnologieprogramms, geht verloren.”((Kintner, E. E. “Casting Fusion Adrift.” MIT Technology Review. Mai/Juni 1982.))

Einen Monat nach Kintners Rücktritt erklärte Präsident Reagans Wissenschaftsberater George Keyworth bei einer Anhörung im Kongreß: „Die USA können nicht erwarten, auf allen Wissenschaftsfeldern herausragend zu sein, noch ist dies wünschenswert.” In Keyworths Worten lautete die offizielle Position der amerikanischen Regierung fortan: „Es liegt nicht in der Verantwortung der Regierung, Energieforschung zu betreiben und nach Energieunabhängigkeit zu streben. Das ist die Verantwortung der Privatindustrie.” Sophistisch fügte Keyworth hinzu, überreichliche Förderung könnte „sogar die Mittelmäßigkeit begünstigen, anstatt Vortrefflichkeit anzuregen.” Was für Welten lagen zwischen dieser Sicht einer amerikanischen Regierung und der Vision von Kennedys Apollo-Programm!((„Jene, die vor uns kamen, stellten sicher, daß dieses Land auf den ersten Wellen der industriellen Revolution, auf den ersten Wellen neuzeitlicher Entwicklungen und der ersten Welle der Kernkraft ritt, und diese Generation hat nicht vor, im Kielwasser des kommenden Raumfahrtzeitalters hinterherzuschwimmen. Wir haben vor, Teil davon zu sein – wir haben vor, an der Spitze zu stehen.“ John F. Kennedy am 12. September 1963 an der Rice University in Texas.))

Geradezu den wachsenden Angriffen auf das Fusionsprogramm zum Trotz erzeugte das Zugpferd der amerikanischen Fusionsforschung, der Thermonukleare Fusions-Testreaktor (TFTR) in Princeton, im Dezember 1982 sein erstes Plasma und erreichte 1986 eine Rekordplasmatemperatur von 200 Mio. Grad. Doch 1986 mußte das Lawrence Livermore Lab, wo die „Spiegel-Methode” mit vielversprechenden Ergebnissen voranschritt, einen herben Verlust verkraften: Die Mittel für den Betrieb der Mirror Fusion Test Facility (MFTF) wurden aus dem Haushalt gestrichen, und die Anlage wurde am gleichen Tag, wo sie offiziell fertiggestellt war, eingemottet, ohne daß mit ihr ein einziges Experiment durchgeführt werden wäre. Das Spiegel-Programm war damit erledigt, weil aus einem rapide schrumpfenden Budget herausgefallen.

Ende der 80er Jahre gab es absolut keinen wissenschaftlichen Grund, nicht auf dem Erfolg von Projekten wie dem TFTR und dem großen Wissen der Forscherteams in Princeton und anderswo aufzubauen, um die nächste Phase des Tokamak-Programms in Angriff zu nehmen: Die dauerhafte Erzeugung von Fusionsenergie. Der Grund, dies nicht zu tun, war rein politisch, und ist es bis heute. 1988 legte das Princeton-Team einen vollständigen Entwurf für den Nachfolger des TFTR, den Compact Ignition Tokamak (CIT) vor, der bis zum Jahr 2000 ein dauerhaft „brennendes” Plasma erzeugen würde.((Ein brennendes oder gezündetes Plasma bedeutet, daß die in dem Brennstoff auftretenden Fusionsreaktionen die notwendige Temperatur für kontinuierliche weitere Reaktionen aufrechterhalten, ohne daß eine äußere Zusatzheizung erforderlich wäre (genauso wie ein Feuer anfangs angefacht werden muß, dann aber selbständig weiterbrennt, solange Brennstoff vorhanden ist). Der Begriff „brennen“ bedeutet nicht, daß im wörtlichen Sinne eine Flamme im Plasma brennt, sondern das „Feuer“ der Kernfusion ist eine Ableitung des ursprünglichen Geschenks des Prometheus an die Menschen.)) Im Oktober 1989 verkündete allerdings George Bushs DOE-Sprecher Robert Hunter, diese Pläne seien einfach nicht finanzierbar, und eine weitere Kürzung des Fusionsbudgets um 50 Mio. $ sei zu erwarten. Auf einer Kongreßanhörung erklärte Hunter, der CIT sei zu risikoreich und würde wahrscheinlich nicht erfolgreich sein. Dr. Stephen Dean (früherer Leiter der Abteilung für Einschlußsysteme im DOE) erwiderte darauf: „Man muß ein bestimmtes Risiko eingehen, wenn man eine Maschine entwickeln will, die Strom erzeugt. Wenn Kolumbus mit seiner Abreise gewartet hätte, bis das Radar entdeckt worden wäre, wären wir heute nicht hier.”

Diese 50-Mio.-$-Kürzung, wovon 12 Mio. $ auf die Anlage in Princeton fielen, bedeuteten praktisch das Ende für das CIT-Projekt. Es mußten 120 Mitarbeiter entlassen werden, wodurch der dort versammelte Wissensfundus zerstreut und dem wissenschaftlichen Kampfgeist weit über Princeton hinaus ein schwerer Schlag versetzt wurde. Wie unten noch weiter ausgeführt wird, waren diese Kürzungen nicht nur die Schnapsidee eines Häufchens sparwütiger Bürokraten, sie waren der Hauptmechanismus für die Umsetzung einer gezielten Anti-Kernfusion-Politik.

Die 1990er Jahre und ITER

Indem so die US-Fusionsforschung jedes Jahr durch weitere Haushaltskürzungen immer weiter zurückgedrängt wurde, was zur Folge hatte, daß an den Großforschungsstätten und den Universitäten zahlreiche kleinere und „alternative” Fusionsexperimente (außerhalb von Tokamaks und Trägheitseinschluß) aufgegeben wurden, setzte man immer mehr auf Hoffnungen „von außen”: Die amerikanische Beteiligung an dem internationalen Großprojekt ITER.((Der Internationale Thermonukleare Experimentalreaktor, der jetzt im französischen Cadarache gebaut wird.)) Als Teil des „Reagan-Gorbatschow- Abkommens” vom November 1985 sollte ITER ein sehr großer Tokamak werden, gemeinsam geplant und gebaut von den USA, der UdSSR, der EU, Japan und Kanada,((Zu den beteiligten Ländern zählen heute: USA, EU, Rußland, Japan, Indien, China und Südkorea.)) mit dem Ziel, während einer Einschlußzeit von 480 Sekunden 500 MW Fusionsenergie zu erzeugen. Der ITER wäre dann der Vorläufer eines DEMO-Reaktors, mit dem kommerziell Strom ins Netz gespeist würde.

Die Mirror Fusion Test Facility (MFTF) im Bau 1981. Der Reaktor war vollständig fertig gestellt, wurde aber stillgelegt, bevor ein einziges Experiment durchgeführt werden konnte. Das Reaktorgefäß und seine Tragwerke wogen 3,6 Mio. t, wovon allein 1,3 t die supraleitenden Magnete ausmachten, um ein Plasma von über 100 Mio. Grad einzuschließen. Bild: LLNL

Trotz aller Kürzungen und Verzögerungen erzielte indessen der TFTR in Princeton eine Reihe von Rekorde bei den Plasmatemperaturen und erreichte 1994 sogar den wichtigen Meilenstein, der 1992 ins Visier genommen wurde: Die Erzeugung eines Höchstwertes an Fusionsenergie von 10,7 MW – das 90Millionenfache dessen, was Anfang der 70er Jahre möglich war, als das Experiment erstmals vorgeschlagen wurde.((Drei Jahre später wurde dieser Wert vom Joint European Torus (JET) übertroffen, der 16 MW erzeugte, was nach wie vor der Weltrekord ist.)) Nur ein Jahr später erreichte der TFTR einen weiteren Rekord: Eine Plasmatemperatur von 510 Mio. Grad.

Weitere zwei Jahre später wurde der TFTR inmitten von Newt Gingrichs „Konservativer Revolution” mit einem bemerkenswert verantwortungslosen Sparbeschluß stillgelegt und schließlich 2002 endgültig zerlegt. Seine verwandten Tokamaks, der Joint European Torus (JET) und der japanische JT-60, sind (mit erheblichen Neuerungen) bis heute in Betrieb und haben die vom verfrüht stillgelegten TFTR aufgestellten Rekorde längst überboten.

1999, zwei Jahre, nachdem der TFTR seinen Betrieb einstellte, kam der nächste Schock: Der amerikanische Kongreß sperrte 12 Mio. $ (!) für die weitere Beteiligung am ITER, was die USA zwang, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Zur Begründung führte der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses James Sensenbrenner an: „Es verstößt gegen den gesunden Menschenverstand, daß die Vereinigten Staaten einer weiteren Beteiligung an einem aussichtslosen Projekt zustimmen sollte, das amerikanische Steuergelder verschwendet.” Hätte man die gestrichenen ITER-Gelder in eine Wiederbelebung der eigenen Fusionsforschung verbunden, wären Sensenbrenners ignorante Bemerkungen vielleicht etwas genießbarer geworden, aber das war nicht der Fall.

Der Tokamak Fusions-Testreaktor in Princeton. Der TFTR war von 1982 bis 1997 in Betrieb und erzielte viele bedeutsame Rekorde bei Plasmatemperaturen und erzeugter Fusionsleistung, bevor er aus Kostengründen stillgelegt wurde. Bild: PPPL

Die Finanzierung des US-Fusionsprogramms wurde nach dem Höhepunkt 1982 jedes Jahr weiter zurückgefahren,((Ausgenommen hiervon waren die Gelder für das Laserfusionsprogramm, die größtenteils aus dem Wehretat kamen, und zum Bau der National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore Lab dienten. Die meisten Mittel für die Trägheitsfusion flossen 2006, wobei das Schwergewicht der Arbeiten am NIF nicht auf der Fusion, sondern auf Waffentests lag.)) was in dem beispiellos niedrigen Forschungsetat der Regierung Obama gipfelte, wodurch jetzt auch der Alcator C-Mod am MIT und andere extrem wertvolle Projekte von der Stillegung bedroht sind.((Und was soll an die Stelle der Kernfusion treten? Äußerungen von Präsident Obama zur Lösung der Weltenergiekrise sind dafür bezeichnend (aus einer Rede in Fairfax, Virginia, am 13. September 2010): „Wir brauchen keine neuen Technologien. Wir brauchen keine phantastische neue Fusionsenergie oder so was. Wir müßten nur hergehen und unsere Häuser richtig isolieren und mit neuen Fenstern ausstatten – Schulen, Krankenhäuser, viele große Verwaltungsgebäude – da gibt es riesige Effizienzreserven.“ Sollte dieser Trend zu „grüner“ Technologien anhalten, bedeutete dies ein weltweites Massensterben.))

Wo war der Optimismus geblieben, der die großen Erfolge der Fusionsforschung in den 70er Jahren beflügelte? Warum wurde das Gesetz zur Entwicklung der Magnetfusion nie umgesetzt? Wie noch gezeigt werden soll, war die Fusionsforschung kein Zufallsopfer konservativer Sparwut, die nach den „fetten” 70er Jahren einsetzte. Die Tatsache, daß Milliarden von Menschen noch immer nicht im Genuß einer beginnenden Kernfusionsökonomie sind, war vollkommen beabsichtigt.

Bösartige Politik

„Die US-Wirtschaft benötigt große und zunehmende Mengen an Mineralien aus dem Ausland, vor allem aus weniger entwickelten Ländern. Diese Tatsache gibt den USA ein erhöhtes Interesse an der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stabilität der Lieferländer. Überall dort, wo eine Verringerung des Bevölkerungsdrucks durch geringere Geburtenraten die Aussichten auf eine solche Stabilität Ressourcenversorgung und die wirtschaftlichen In erhöhen kann, wird die Bevölkerungspolitik für die teressen der Vereinigten Staaten relevant…

Obwohl der Bevölkerungsdruck hierbei offenbar nicht der einzige Faktor ist, sind derartige Frustrationen unter Bedingungen eines langsamen oder eines Bevölkerungsnullwachstums viel weniger wahrscheinlich.” – NSSM 200, 1974

Diese erschreckende Aussage eines geistig verwirrten Henry Kissinger in dem National Security Study Memorandum 200 (NSSM 200), das unter seiner Leitung 1974 im US-Außenministerium verfaßt wurde, war nicht nur eine Drohung gegen die Menschen in der Dritten Welt, sie wurde im Dezember 1975 unter Präsident Ford zur offiziellen amerikanischen Politik erhoben.

US-Außenminister Henry Kissinger (hier mit Präsident Gerald Ford 1974) verfaßte die Direktive NSSM-200 und bemühte sich nach Kräften, die Wachstumsorientierung der Ära Kennedy zu beenden. Bild: Library of Congress

Drei Jahre zuvor hatte der 1968 gegründete Club of Rome((Der Club of Rome, ein von Alexander King und Aurelio Peccei aufgebauter elitärer Club alter Seilschaften, diente aufgrund seiner engen Verflechtungen mit Institutionen wie der UNO und der OECD als zentrale Koordinierungs- und Kontrollinstanz über viele Regierungen. Gegenüber EIR beschwerte sich King 1981, daß „das Vereinigte Königreich kein weißes Land“ mehr sei. „Ganz Europa ändert sich. Und selbst wenn es so langsam wie jetzt weitergeht, ist die weiße Rasse am Ende… Ich denke, wir sind in vielerlei Weise überbevölkert, aber in der besten aller möglichen Welten wird es überall viel weniger Menschen geben.“ Siehe auch Helga Zepp-LaRouche, „Die historischen Wurzeln des grünen Faschismus“, in Neue Solidarität Nr. 16 und 17/2007.)) sein Völkermordtraktat von den Grenzen des Wachstums veröffentlicht, womit der „wissenschaftliche” Vorwand zur Durchsetzung politischer Maßnahmen geschaffen wurde, um die Weltbevölkerung zu reduzieren – basierend auf dem Mythos begrenzter Ressourcen
und der Verweigerung wissenschaftlicher Fortschritte, wie sie die Kernfusion bedeutet. Eine Form, die diese Politik annahm, waren von der CIA angezettelte Putsche gegen wichtige Staatsführer, die hartnäckig an der Entwicklung ihrer Nationen festhielten.((Zum Beispiel Jaime Roldós von Ekuador (1981), Omar Torrijos von Panama (1981) und Indira Gandhi (1984). Siehe auch „Geständnisse eine Wirtschaftsattentäters,“ Interview mit John Perkins, in Neue Solidarität Nr. 49/2004.)) Doch NSSM 200 wurde auch in den USA selbst umgesetzt, wie der Mord an Präsident John F. Kennedy im Vorfeld bereits ein unheilvolles Vorzeichen war. Ein deutlicher Ausdruck hiervon war die Einrichtung „schwarzer Kassen” durch Finanzmogule der Wall Street, des sogenannten „Nuclear Club of Wall Street”,((Weiterer Hintergrund über den Nuclear Club of Wall Street, der gegründet wurde, um den Einfluß der Fusion Energy Foundation zurückzudrängen, siehe http://www.larouchepub.com/other/2004/3147_hit_men_vs_fef.html.)) um mit viel Geld in der Wirtschaft den Übergang von fossilen Brennstoffen zur Kernkraft aufzuhalten und die Kernfusion abzuwürgen, bevor sie überhaupt in Gang käme. Überhaupt war die Aussicht, die Kernfusion könnte die Menscheit mit praktisch unbegrenzter Energie von der Armut befreien, den Hunger beenden und die Lebenserwartung erheblich steigern, einfach inakzeptabel für jene, die wie Zeus in der Antike glaubten, die Herrschenden hätten die Pflicht, die Menschenmenge zu kontrollieren und manchmal auch zu dezimieren.

Um entsprechend großflächig auf die Volkswirtschaft einzuwirken, mußte vor allem die energieintensive Industrie, die der Motor des Wirtschaftswachstums ist, ins Visier genommen werden. Nach der manipulierten Energiekrise 1975 (und der grünen Parole, lieber die Heizung runterzudrehen und einen Pullover anzuziehen) wurde das Energiesparen auch auf die übrige Industrie ausgedehnt. Und das mit Erfolg. Seither flachte sich der durchschnittliche Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung ab und beginnt jetzt sogar zu sinken, anstatt auf jenes Niveau zu steigen, wie es noch unter der Regierung Kennedy vorgesehen war.

Somit war es kein Wunder, daß Minister Schlesinger im August 1978 im Zuge der erklärten Nullwachstumspolitik alles unternahm, um die Nachricht von dem PLT-Durchbruch unter dem Teppich zu halten. Denn wenn die Kernfusion tatsächlich in Sicht wäre, ließe sich der Mythos vom „gefährlichen Bevölkerungswachstum” nicht länger aufrechterhalten – genausowenig wie die Rechtfertigung für eine Politik, die globale Entwicklung zu verhindern.

Was getan werden muß

Mit der immer weiteren Verzögerung der Kernfusion bewegt sich die Welt auf einen jähen Rückgang der Weltbevölkerung zu. Das Alter der Fusionsforscher in den USA und Europa steigt. Erfahrene Wissenschaftler, die an den Durchbrüchen der letzten Jahrzehnte beteiligt waren, gehen in den Ruhestand. Arbeitsgruppen, die in einem Jahr an Forschungseinrichtungen aufgebaut wurden, werden im nächsten Jahr sinkender Mittel oftmals wieder aufgelöst, und Maschinen, die einmal stillgelegt wurden, werden zerlegt und verschwinden.

Noch gravierender ist jedoch der Schaden, der dem Prozeß schöpferischen Denkens zugefügt wird. Der Pessimismus eines Umfelds, in dem das eigene Experiment ungeachtet seines Erfolgs oder potentiellen Beitrags für die Zukunft sehr wahrscheinlich dem Rotstift des nächsten Budgets zum Opfer fallen wird, läßt jeden kreativen Ansporn absterben, der vor allem Leidenschaft und Zukunftsoptimismus braucht.

Die Menschheit überlebt als Gattung, weil sie voranschreitet. Die großen Sprünge in der Energiedichte der jeweiligen Energieträger (Holz, Holzkohle, Kohle, Koks, Erdöl usw.) gingen mit entsprechenden Revolutionen in der Macht des Menschen über die Natur sowie einem nichtlinearen Anstieg der potentiellen Bevölkerungsdichte und der pro Kopf verfügbaren Energie einher.((Siehe auch Jason Ross, „Jede Kunst, die der Mensch beherrscht, kommt von Prometheus“, FUSION 01/2014)) Nur mit der Kernfusion kann das Überleben der menschlichen Gattung in den nächsten Jahrzehnten sichergestellt werden, und damit auch die Fähigkeit, die notwendigen Entdeckungen zu machen, die zum nächsten großen Sprung nach vorne führen.

Das muß eine globale Anstrengung sein. Während die Fusionsforschung in den USA und Europa in den letzten 30 Jahren unter massivem Druck stand und in Amerika sogar ums Überleben kämpft, haben mehrere asiatische Länder deutliche Fortschritte gemacht und haben sich an die Spitze der globalen Anstrengungen gesetzt. Vor allem China und Südkorea haben in den letzten 15 Jahren ungeheure Fortschritte in ihren Fusionsprogrammen gemacht und verfügen über die einzigen beiden supraleitenden Tokamaks auf der Welt, den EAST in China und den KSTAR in Südkorea.((Mehr über Chinas EAST-Tokamak siehe „Chinas ehrgeiziger Weg zur Kernfusion“, in FUSION 03/2011, und über Südkoreas KSTAR-Tokamak siehe „Kernfusion in Korea: Energie für die nächste Generation“, in Neue Solidarität Nr. 7/2010.)) Beide Länder betreiben eine beeindruckende Fusionsforschung mit sehr ehrgeizigen Zielen, Budgets und Zeitplänen, die längst auf einen DEMO-Reaktor in der Zeit nach ITER abgestellt sind.

Im Rahmen des ITER-Projekts findet derzeit eine wichtige internationale Zusammenarbeit statt, und die Arbeiten werden wichtige Beiträge zu vielen Aspekten der Fusionstechnik leisten, doch der ITER und auch das Nachfolgeprojekt DEMO sind nicht darauf ausgelegt, tatsächlich als Fusionsreaktoren Strom zu erzeugen – und das absehbar für mehrere Jahrzehnte.((Aufgrund von Verzögerungen und Budgetkürzungen wurde der Zeitpunkt zur Erzeugung des ersten Plasmas im ITER mehrere Male verschoben und dürfte jetzt nicht vor 2023, wahrscheinlich erst 2025 stattfinden. Der Betrieb seines Nachfolgers DEMO wird frühestens 2033 erwartet.)) Deswegen muß von amerikanischer Seite sofort ein Crashprogramm im Geiste von Project Sherwood und im Umfang des Apollo-Mondlandeprogramms in Gang gesetzt werden – in enger Abstimmung mit beschleunigten Anstrengungen auf der ganzen Welt, um einen ersten stromproduzierenden Kernfusionsreaktor in 10–15 Jahren in Betrieb zu nehmen. Dafür sind umfangreiche, langfristige Bemühungen (kein Herumwursteln von Jahr zu Jahr) aller beteiligten Länder erforderlich. Die besten Köpfe des Fusionsprogramms, von denen viele bereits im oder vor dem Ruhestand stehen oder sich Arbeit in der Industrie gesucht haben, müssen für diese Aufgabe mobilisiert werden. Die gewaltigen Fortschritte, die das US-Fusionsprogramm machte, als es die volle Unterstützung hatte, beweisen, daß es keinen technischen oder wissenschaftlichen Grund gibt, warum ein solches Crashprogramm nicht die Kernfusion in unmittelbarer Zukunft verwirklichen kann. Alles ist eine Frage des politischen Willens.

Das heutige grüne Paradigma muß mit einem neuen Zukunftsoptimismus ersetzt werden. Es ist höchste Zeit, daß sich die Menschheit von der Vorherrschaft imperialer Systeme und deren Völkermordideologie des Nullwachstums befreit. Es ist nicht länger tolerierbar, daß zwei Drittel der Menschheit in Armut leben. Wissenschaftliche Entdeckungen und deren Umsetzung sind Ausdruck dessen, was den Menschen vom Tier unterscheidet, und was den heutigen Generationen einen unsterblichen Beitrag für die Zukunft ermöglichen. Die Unterdrückung der Kernfusion muß aufhören!

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