China plant die weltweite Eisenbahn-Revolution

Nachdem China schon seit Jahren im Inland ein gewaltiges Eisenbahnprogramm vorantreibt, will es dies nun international auf viele andere Teile der Welt ausweiten. Die Chinesische Akademie für das Ingenieurwesen arbeitet an einem Programm für ein weltweites Netz von Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnen. Ein Bericht darüber erschien am 9. Mai 2014 auf der Webseite Nextbigfuture.com. Schon vorher hatten internationale Medien, wie Guardian und Daily Mail aus England, Russia Today sowie Alaska Dispatch und Anchorage Daily News aus den USA berichtet, daß China bereit ist, die Bahnverbindung zwischen Rußland und Amerika durch die Beringstraße zu bauen. Aber das ist nur ein Element der sehr ehrgeizigen Pläne.

Chinesische Unternehmen bauen mit Unterstützung der chinesischen Regierung – wie hier in Angola – Eisenbahnen in Afrika. Bild: ministryoftofu.com

China hat vor, weitere 80.000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken im Inland zu bauen. Die Akademie für Ingenieurwesen hat nun dargestellt, welche Schnellbahnstrecken China im Ausland bauen möchte, und das Ausmaß ist gewaltig. Die drei Hauptstrecken sollen China nach Westen mit Europa, nach Süden mit Singapur und nach Nordosten mit den Vereinigten Staaten verbinden. Parallel dazu hat Premierminister Li Kequiang während seiner jüngsten Afrikareise vorgeschlagen, daß China auch in Afrika ein riesiges Schnellbahnnetz baut.
Wer die Vorschläge des Schiller-Instituts für die „Eurasische Landbrücke” kennt, wird diese darin wiedererkennen. Sie entsprechen der Streckenführung der transasiatischen Hochgeschwindigkeitsbahnen, an denen China schon seit einigen Jahren arbeitet. Mit dem Plan für die Verbindungen über die Beringstraße und nach Afrika folgt China nun auch dem Vorschlag des Schiller-Instituts, die Eurasische Landbrücke zu einer „Weltlandbrücke” zu erweitern, die alle Kontinente miteinander verbindet.

Interessant ist, daß China damit einen Plan aufgreift, der in Amerika schon vor mehr als hundert Jahren ins Auge gefaßt wurde. Nach der erfolgreichen Fertigstellung der Transkontinentalen Eisenbahn sagte General Joshua Owens, man sollte „die ganze Welt mit eisernen Schienen umgürten”. Wie dramatisch der Unterschied in den kulturellen Werten geworden ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß in den USA die Infrastruktur immer weiter verfällt, während China zum größten Erbauer von Infrastruktur auf der Welt aufgestiegen ist.

Li Kequiangs Besuch in Afrika ist dafür das jüngste, eindrucksvolle Beispiel. Li schlug am 8. Mai in einer Rede vor dem Weltwirtschaftsforum für Afrika im nigerianischen Abuja vor, mit chinesischer Finanzierung (und ohne politische Bedingungen) sämtliche Hauptstädte Afrikas durch Schnellbahnen miteinander zu verbinden. Wie China Daily berichtete, kündigte Li an, daß China und die afrikanischen Länder gemeinsam Forschungs- und Entwicklungszentren für die dazu notwendige Bahntechnik aufbauen und bei der Planung, beim Bau und beim Betrieb dieser Bahnen zusammenarbeiten werden. China werde auch helfen, in Afrika neue Autobahnen und Flughäfen zu bauen. Dafür werde China, zusätzlich zu bereits verfügbaren 20 Mrd. $, eine Kreditlinie über weitere 10 Mrd. $ für Afrika einrichten und den China-Afrika-Entwicklungsfonds um 2 Mrd. $ auf 5 Mrd. $ aufstocken.

Vier Hauptstrecken in Eurasien

Es ist offensichtlich: China ist entschlossen, die Weltlandbrücke zu bauen, und will dazu seine Erfahrungen mit dem Bau des Hochgeschwindigkeits-Bahnnetzes im eigenen Land weltweit anwenden.

Ein führender Bahnexperte, Prof. Wang Mengshu von der Chinesischen Akademie für das Ingenieurwesen, hat die Planungen in einem ausführlichen Interview dargelegt, das am 8. Mai in der englischsprachigen Beijing Times erschien.

Wang listet vier Hauptstrecken der Hochgeschwindigkeitsbahn auf:

  1. Eine Eurasische Bahn zwischen Europa und China, von London über Paris, Berlin, Warschau, Kiew und Moskau, von dort aus zwei Teilstrecken weiter nach China, die eine durch Kasachstan und die andere nach Manzhouli an der chinesischen Grenze und von dort weiter bis Chabarowsk in Ostsibirien.
  2. Eine Zentralasiatische Bahn, von Ürümqi ausgehend durch Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, den Iran und die Türkei und von dort weiter nach Deutschland.
  3. Eine Panasiatische Bahn von Kunming durch Vietnam, Kambodscha, Thailand und Malaysia bis Singapur.
  4. Eine Amerika-Bahn, von Chinas Nordosten durch Sibirien nach Tschukotka und von dort aus Anschluß an den von russischer Seite geplanten Beringstraßentunnel nach Alaska, von dort südlich nach Kanada und in den Westen der USA.

Mit Rußland wird über die Spurweite der Bahnen verhandelt, die über russisches Territorium gebaut werden sollen. Die russischen Eisenbahnen nutzen eine Spurweite von 1524 mm, China möchte jedoch lieber die international übliche Spurweite von 1435 mm verwenden.

Infrastruktur gegen Rohstoffe

China hatte seine internationale Bahnstrategie schon 2009 vorgeschlagen, und im folgenden Jahr nahm das Eisenbahnministerium Gespräche mit rund einem Dutzend Ländern auf. Zum gegenwärtigen Stand erklärte Wang, daß die Baumaßnahmen für die ersten beiden Linien im Inland bereits gute Fortschritte machen, während über die ausländischen Strecken noch verhandelt werde. Im Juni beginne der Bau der Panasiatischen Schnellbahn mit dem Bau eines Eisenbahntunnels, der China und Myanmar verbinden wird. Über die sibirische Linie werde noch verhandelt, aber China sei bereit, sich an der Finanzierung und dem Bau des Tunnels unter der Beringstraße zu beteiligen.

Wang ging auch auf den vielfältigen Nutzen der sog. „auswärtsgerichteten”, d. h. internationalen Infrastrukturpolitik Chinas ein:

Erstens könnten die Partnerländer die chinesischen Infrastrukturinvestitionen statt mit Geld auch mit Energieressourcen bezahlen, die viele dieser Länder besitzen. Auch andere Tauschgeschäfte sind möglich, so wird Myanmar in Form von Kali-Lieferungen zahlen.

Zweitens könne man bei Landvermessung, Planung, technischer Ausarbeitung und Bau der Strecken chinesische Ingenieure einsetzen, die dann Personal aus den Transitregionen ausbilden können. Schon jetzt transportiere regelmäßig ein Zug von Zhengzhou aus Explorationsausrüstung und technisches Personal zum Einsatz nach Zentralasien und in andere Regionen an der Schnellbahn. Und eine Beteiligung am Beringstraßen-Projekt werde den chinesischen Ingenieuren notwendige Erfahrungen vermitteln, um später einen ähnlichen Tunnel zwischen Fujian auf dem chinesischen Festland und Taiwan zu bauen.

Wang Mengshu sagte weiter, die Linie nach Deutschland durch Zentralasien und Südeuropa entspreche der alten Seidenstraße. Wenn diese Bahn gebaut werde, könnten Chinas Hochtechnologie-Importe aus Deutschland, die jetzt per Schiff durchgeführt werden, innerhalb von nur fünf Tagen in China eintreffen.

Die Karte zeigt das geplante transasiatische Netz von Hochgeschwindigkeitsbahnen, das China mit Europa verbinden soll.

Allerdings blieben noch drei große Herausforderungen zu meistern.

Eine davon sei die Finanzierung. China hat einen Sonderfonds für Infrastrukturinvestitionen geschaffen, erwarte aber, daß auch von anderer Seite Kapital in diesen Fonds fließen wird, denn die Kosten seien astronomisch und höher, als es sich China alleine leisten könne. Selbst bei einer gemeinsamen Finanzierung mit den Ländern entlang der Route sei dies immer noch eine Hürde.

Das zweite sei das logistische Problem, die beteiligten Länder entlang der Route angemessen mit Personal für Zollabwicklung, Inspektionen etc. auszustatten, denn erst wenn dies reibungslos und schnell läuft, könne man den vollen Vorteil aus der schnelleren Bahnverbindung ziehen.

Drittens gebe es entlang der komplexen eurasischen Route geographische und geologische Hindernisse, die für den Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahn überwunden werden müssen.

Wang sagte auch, China biete soviel Kapital, Technologie und Ausrüstung an, wie es könne, aber im Prinzip würden alle Nationen entlang der Route am Betrieb beteiligt. China werde mit jedem Land über Lieferungen wichtiger Ressourcen – wie Erdöl und Erdgas und Mineralien – als Gegenleistung für den Bau der Eisenbahn verhandeln.

Baubeginn in Malaysia

Der Bau der Panasiatischen Linie wird auf zwei wichtigen Abschnitten der Verbindung von China nach Myanmar und weiter nach Indien im Juni beginnen. Die Route führt durch äußerst schwieriges Gelände. „Der Eisenbahntunnel durch die Gaoligong-Berge wird mehr als 30 km lang sein und dazu beitragen, die Provinz Yunnan mit Myanmar zu verbinden”, so Wang. Es wird der längste Bahntunnel in Asien sein, und beim Bau stellen sich ähnliche Schwierigkeiten wie beim Bau der Eisenbahn auf dem Permafrostboden in Tibet. Auch der Bau der Eisenbahnbrücke über den Nujiang-Fluß, ein weiteres wichtiges Projekt, wird demnächst beginnen. Brücke und Tunnel sind Bestandteile der Dali-Ruili-Eisenbahn, die über eine Strecke von 330 km China mit seinem Nachbarstaat Myanmar verbinden wird. Auf einigen Teilen dieser Strecke wird ein Hochgeschwindigkeitsbetrieb mit 250 km/h möglich sein, auf anderen Teilen nur mit 180 km/h.

Insgesamt sieht der mittel- und langfristige Plan der chinesischen Regierung drei Verbindungen nach Südostasien vor. Der gemeinsame Ausgangspunkt ist das chinesische Kunming, die Hauptstadt der Provinz Yunnan; von dort verlaufen die Bahnstrecken nach Laos, Vietnam, Kambodscha, Myanmar, Thailand, Malaysia und Singapur. Zusammen bilden sie den südlichen Teil der Transasiatischen Bahn. Das Ziel ist eine durchgehende, insgesamt 14.000 km lange Verbindung zwischen Singapur und Istanbul, und von dort ist der Anschluß nach Europa und Afrika möglich.

Es wird schon seit einiger Zeit an den Plänen für diese Strecken gearbeitet, aber Differenzen in Bezug auf die Finanzierung und die geplante Fahrtgeschwindigkeit haben die Vermessungs- und Bauarbeiten verzögert. Wang sagte dazu: „Nun sind die Vermessungsarbeiten abgeschlossen, und soweit ich weiß, verhandelt die Regierung mit den anderen Nationen über Finanzierungsmethoden… Sie sind vorläufig zu dem Schluß gekommen, daß China die Verantwortung für die Investitionen in die Infrastruktur, die Ausrüstung und die technische Forschung übernehmen wird, während andere Länder ihren Anteil mit Ressourcen der jeweiligen Länder bezahlen werden.”

Die Zukunft: Überschall-Magnetbahnen?

Chinas Vorhaben reichen jedoch noch weiter in die Zukunft. Forscher am Labor für Angewandte Supraleitung der Universität von Südwest-Jiatong unter der Leitung von Dr. Deng Zigang entwickeln derzeit den Prototypen einer Magnetbahn, die in einer luftleeren Röhre schweben und dabei Überschallgeschwindigkeiten bis zu fast 3000 km/h erreichen soll.

Die maximale Geschwindigkeit, die mit einer Magnetbahn erreicht werden kann, ist nicht durch die Magnettechnik als solche begrenzt, sondern durch den Luftwiderstand des Fahrzeugs bei hohen Geschwindigkeiten. Bei der chinesische Konstruktion wird der Luftdruck im Inneren der Röhre auf ein Zehntel des normalen Luftdrucks abgesenkt. In einem Interview mit der britischen Zeitung Daily Mail vom 7. Mai berichtet Deng, man arbeite an einem System mit einer Vakuumröhre, weil im Freien mehr als 83 % der Energie für den Betrieb des Systems „durch den Luftwiderstand verschwendet werden”, sobald die Geschwindigkeit 400 km/h überschreitet.

Das ursprüngliche Konzept für dieses Verkehrssystem ist schon ein halbes Jahrhundert alt. Das erste Patent für das System, das auf supraleitenden Magneten mit hoher Energiedichte beruht, wurde Mitte der 1960er Jahre zwei Wissenschaftlern erteilt, die am Brookhaven National Laboratory in New York arbeiteten. Die ursprünglich in den USA und Deutschland entwickelten Magnetbahnen werden bisher nur in Japan und China kommerziell genutzt; das ist ein weiteres Anzeichen für den Verfall der Produktivität im transatlantischen Raum in den letzten Jahrzehnten, verglichen mit den Fortschritten Asiens bei der Anwendung von Hochtechnologie.

Die Forscher des chinesischen Labors testen ihr Fahrzeug bisher in einer geschlossenen, ringförmigen Röhre von 12 m Durchmesser. Deng weist in seinem Interview darauf hin, daß fortgeschrittene Magnetbahnsysteme „auch bei einigen militärischen Systemen oder für Weltraumstarts” verwendet werden könnten. Schon vor einigen Jahren hatten die amerikanischen Konstrukteure Dr. Jim Powell und Dr. Gordon Danby einen konkreten Entwurf für einen Magnetbahn-Beschleuniger für Weltraumstarts vorgestellt, um die Kosten für das Einbringen unbemannter Satelliten in die Erdumlaufbahn drastisch zu senken.

Außerdem testet China seit Juni 2013 die erste „intelligente” Hochgeschwindigkeitsbahn des Unternehmens CRS Qingdao Sifang Locomotive Ltd. Zu ihren neuartigen Möglichkeiten gehören Selbsttests, Selbstdiagnose und intelligente automatische Entscheidungen für den sicheren Einsatz in schwieriger Umgebung.

Der große Unterschied zwischen dem westlichen und dem chinesischen Magnetbahnprogramm ist, daß die Chinesen diese Projekte tatsächlich verwirklichen, während im Westen vielversprechende Ideen blockiert und aufgegeben werden.

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