Wernadskij war kein Ökofreak!

Wir feiern in diesem Jahr den 150. Geburtstag des großen Naturforschers Wladimir Wernadskij. Aus diesem Anlaß ist es uns ein dringendes Anliegen, die groben Entstellungen seines Werkes insbesondere in der westlichen Welt richtigzustellen, wie sie insbesondere vom Club of Rome seit Ende der 1960er Jahre verbreitet wurden. Tatsächlich stehen Wernadskijs Konzepte in völligem Gegensatz zu den wachstumsfeindlichen Ansichten (und dem zu ihrer Rechtfertigung entwickelten wissenschaftlichen Apparat) des Club of Rome.

Wernadskij, der die Biogeochemie begründete, die Entwicklung der Radiochemie förderte und den Begriff der „Noosphäre” prägte, stellte fest, daß die Evolution der lebenden Materie stets in eine bestimmte Richtung verlief. Ausdruck dieser Aufwärtsentwicklung waren die zunehmende biogene Wanderung der an den Lebensprozessen beteiligten Atome, der zunehmende Energieverbrauch der Lebewesen und die Entwicklung des Nervensystems, die sog. „Cephalisierung”. Anstatt nach einem nebulösen „Lebensprinzip” zu suchen, das seiner Ansicht nach nur zum Philosophieren und nicht zu sinnvollen wissenschaftlichen Erkenntnissen führt, untersuchte Wernadskij die Gesamtheit der lebenden Organismen, die lebende Materie, wie er sie nannte. Genauso wie die Evolution des Lebens und der „lebenden Materie” in eine bestimmte Richtung verläuft, wächst auch die soziale Kraft des Menschen ständig an.

Wernadskijs Ansicht, daß sich die Noosphäre in Übereinstimmung mit der menschlichen Vernunft entwickelt und die Biosphäre im Laufe der evolutionären Zeit auf immer höhere Energiezustände steigt, läuft somit der Nullwachstumsideologie sämtlicher Umwelt- und Zurück-zur-Natur-Gruppen seit den 60er Jahren bis heute völlig zuwider.

Zudem nahm Wernadskij eindeutig gegen Malthus’ Behauptung Stellung, wonach begrenzte Ressourcen grundsätzlich zu einer Beschränkung menschlicher Aktivitäten führten. Dennoch wurden seine Arbeiten im Westen vor allem von der Ökologiebewegung aufgegriffen, die sich Wernadskijs Konzept der Biosphäre so zurechtbog, als wenn der Mensch „im Gleichgewicht” mit der Natur leben müsse – eine Vorstellung, die Wernadskij niemals teilen würde. Im Gegenteil, Wernadskij befürwortete ausdrücklich die Nutzung der Kernkraft, betrachtete die Rohstoffe als menschengemacht und sah unsere Zukunft darin, daß der Mensch den Weltraum erobert.

Die Vorstellung, daß der Mensch auf Wachstum verzichten solle, um den Verbrauch endlicher Ressourcen zu verhindern, übersieht völlig, welche für die Entwicklung entscheidenden Beziehungen es zwischen der unbelebten Lithosphäre, der Biosphäre und der Noosphäre gibt. Im Bereich des Unbelebten sind evolutionäre Veränderungen vielleicht nicht ganz so offensichtlich, aber die lebende Materie hat die Ressourcen und die Umwelt, in der sie wirkt, dramatisch verändert. Die Grenzen des Wachstums chemotropher Mikroorganismen, die von den Schwefelverbindungen in den „heißen Schloten” der Tiefsee oder in der Erdkruste leben, waren nichts im Vergleich zu den späteren photosynthesefähigen Lebewesen, die in der Lage waren, das bisher nutzlose Sonnenlicht als Energiequelle zu verwenden. Die von diesen Meereslebewesen ausgelöste Sauerstoffbelastung würde heute sämtliche Umweltschützer auf den Plan rufen, um die Zahl dieser „Umweltfeinde” zu begrenzen. Doch dieser freie Sauerstoff wurde selbst zum Ausgangspunkt einer ganz neuen Evolutionsstufe, wobei der Krebszyklus der Sauerstoffatmung eine zentrale Stellung einnahm.

Und mit der Photosynthese wurde nicht nur mehr von der gleichen Energie erzeugt, wie sie den chemotrophen Lebewesen zur Verfügung stand, sondern die Biosphäre insgesamt erreichte ein höheres Potential, wie es sich mit dem Auftreten der Photosynthese in der Zunahme lebender Materie und der von Lebensprozessen erzeugten Materie ausdrückte.

Wladimir I. Wernadskij

Das gleiche Prinzip gilt auch für die menschliche Gesellschaft. Ein Physiker mag annehmen, daß die Gesamtenergie des Universums eine feste Konstante sei, doch das trifft nicht auf die Noosphäre zu. Vor Entdeckung der Vorgänge im Atomkern Anfang des 20. Jahrhunderts war Uran lediglich ein gelbes Erz, das man zur Färbung von Gläsern verwenden konnte. Heute ist Uran (und Thorium) eine Energiequelle, mit der sich die realen Kosten der Energieversorgung dramatisch senken ließen. Wenn wir darüber hinaus jetzt die Kernfusionsenergie nutzen können (Jahrzehnte später, als dies möglich gewesen wäre), wird die Menschheit nicht nur über mehr Energie im Überfluß, sondern über eine höhere Qualität von Energie verfügen – über Prozeßwärme, mit der sich günstig Wasserstoff als Treibstoff herstellen läßt, sowie über Plasmaenergie, mit der sich Fusionsfackeln für eine revolutionäre Methode der Rohstoffgewinnung betreiben lassen, was selbst das grünste Recyclingprogramm in den Schatten stellen würde.

Wenn wir Naturgesetze entdecken, verändern wir die Natur, indem wir die Noosphäre verändern, die selbst die größte geologische Kraft ist.

Die Grenzen des Wachstums und die Gesetze der Thermodynamik mögen zwar für umherfliegende Elektronen oder einfache unbelebte Prozesse gültig sein, sie gelten jedoch ganz ausdrücklich nicht für wirtschaftliche Prozesse des Menschen. Jeder, der meint, man müsse das Wachstum drosseln, um Ressourcen zu sparen, unterstützt eine Politik, die die Menschheit langfristig zum Untergang verurteilt, denn dieses Denken widerspricht unserem Vermächtnis, ein besonderer Teil der gerichteten Naturentwicklung zu sein.

Anstatt unser Fortschreiten zu verlangsamen, um zu bewahren, was wir haben, müssen wir schnellstmöglich voranschreiten, um die 2,7 Milliarden Menschen, die heute auf der Welt in bitterster Armut leben, aus ihrem Zustand zu befreien, um gleichzeitig neue Ressourcen und Technologien zu entwickeln, indem wir unsere Raumfahrt- und Kernfusionsprogramme in Gang bringen. Ein solcher Sprung nach vorn in der Entwicklung der Noosphäre wäre etwas, das Wernadskij hoch erfreuen würde.

Das wäre für ihn ein großartiges Geburtstagsgeschenk!

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