Sich ein Bild von der Erde machen – zum Nutzen der Menschen

Prof. Krištof Oštir leitet die Abteilung für Fernerkundung am slowenischen Exzellenzzentrum für Raumforschung und -technologie Space SI. Mit ihm sprach Toni Kästner über seine Arbeit mit Satellitenbildern und deren Verarbeitung. Verschiedene Meßgeräte auf kommerziellen und nichtkommerziellen Satelliten liefern dem Institut die Daten, die dann zu unterschiedlichen Produkten und Dienstleistungen weiterverarbeitet werden.


Sie haben eine Software entwickelt, mit der sich Satellitendaten in Echtzeit oder Beinahe-Echtzeit verarbeiten lassen. Wofür ist das wichtig und nützlich?

Oštir: Das ist für viele Anwendungen von entscheidender Bedeutung, zum Beispiel bei der Überwachung von Naturkatastrophen, bei der Aufspürung von Schiffen usw. Bei den Überflutungen, die kürzlich Deutschland, Österreich, Ungarn und andere Teile Europas heimgesucht haben, ist es entscheidend, die Behörden und die Öffentlichkeit stündlich oder sogar minütlich mit Informationen zu versorgen. Dadurch lassen sich nicht nur materielle Schäden verhindern, sondern vor allem Menschenleben retten.

Prof. Krištof Oštir auf dem 9. IAA-Symposium über Kleinsatelliten zur Erdbeobachtung.

Wie funktioniert das und was waren die Hauptschwierigkeiten bei der Entwicklung?

Das System, das wir bei Space SI entwickelt haben, empfängt Satellitenbilder, die bei der Bodenstation eingehen, und verarbeitet sie automatisch. Das heißt, die Bilder werden georeferenziert, d. h. präzise auf Karten positioniert, radiometrisch korrigiert, interpretiert und über einen Web Mapping Service, ganz ähnlich wie Google Maps, an den Endnutzer weitergeleitet. Vom Empfang in der Bodenstation bis zum Empfang beim Nutzer brauchen wir weniger als eine Stunde Zeit, was sehr schnell ist.

Die schwierigste Aufgabe war die sog. Orthorektifizierung, die präzise Positionierung der Bilder, die Erfassung verläßlicher Kontrollpunkte am Boden und deren Umwandlung mit Hilfe des digitalen Höhenmodells. Derzeit bereiten wir den Zugriff auf weitere Satelliten vor, was ebenso eine schwierige Aufgabe ist, da die Bildformate nicht standardisiert sind.

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, daß bisher 80 Prozent der verfügbaren Satellitendaten nicht genutzt werden? Sie haben ebenfalls geäußert, daß man die gesamte Verwendung von Satelliten überdenken sollte, da sie keine bloßen Wissenschaftsobservatorien mehr sind, sondern mehr und mehr zur regulären menschlichen Infrastruktur werden. Können Sie etwas mehr dazu sagen?

Derzeit befinden sich mehr als eintausend aktive Erdbeobachtungssatelliten im Orbit. Sie bilden ständig die Erdatmosphäre, den Boden und die Ozeane ab. Die jeden Tag in hoher und niedriger Auflösung gesammelte Datenmenge ist riesig, und nur ein Teil dieser Daten wird genutzt. Man stelle sich vor, alle diese Daten wären zu geringen Kosten oder umsonst in der Cloud verfügbar, und man stelle sich vor, jeder könnte auf Grundlage dieser Daten eine Applikation herstellen und die Informationen dem Nutzer auf sein Smartphone senden. Es bietet sich uns eine große Chance, wie wir raumgestützte Daten nutzen wollen, und in zehn Jahren werden wir auf Satellitenbilder genauso angewiesen sein wie heute auf GPS.

Nach dem schweren Erdbeben in Japan, das zu dem Fukushima-Unfall führte, wurde in Italien, Japan und Rußland viel über mögliche Erdbeben-Vorläufer diskutiert, und eines der größten Probleme, das dabei auftauchte, war, daß es derzeit keine Abbildungsmöglichkeiten in Echtzeit gibt, um die Daten für mögliche Vorboten zu verarbeiten. Spielt das bei Ihrer Arbeit eine Rolle?

Wir haben Erfahrungen mit Katastrophenbeobachtung, insbesondere mit der kartographischen Abbildung von Überschwemmungen und Erdrutschen. Hauptgedanke unserer Arbeit war die Erarbeitung eines Systems, das Datenverarbeitung und -weiterleitung in Echtzeit ermöglicht. Wir haben die ersten Schritte im Aufbau dieses Systems erreicht und haben Fachleuten die Werkzeuge geliefert, um Modelle und auf Satellitendaten basierende Früh warnsysteme zu entwickeln. Viel weitere Arbeit ist
jedoch noch zu tun.

Es ist absehbar, daß der Mensch seine Infrastruktur immer mehr in den Weltraum verlagern wird und sollte. Wie sehen Sie das und wie sehen Sie die Zukunft der Menschheit im Weltraum?

Der Weltraum ist universell, und das All ist nicht mehr nur den reichen Nationen vorbehalten. Selbst kleine Länder können und sollten in Raumfahrttechnologie investieren. Im Weltraum gibt es gleichzeitig starken Wettbewerb und enge Zusammenarbeit, und man erkennt, daß nur große internationale Gruppen erfolgreich sein können. Wir werden die Infrastruktur, die im Weltraum und auf der Erde verwendbar ist, weiterentwickeln. Menschen werden das Weltall mit bemannten und unbemannten Missionen erkunden. Die wichtigsten Auswirkungen hiervon sehe ich für das Leben auf unserem Planeten. Mit Hilfe der Erdbeobachtung werden wir ein immer besseres Verständnis von den ablaufenden komplexen Prozessen gewinnen, und ich hoffe, das wird unser Einwirken auf die empfindliche Umwelt verändern. Eine weitere interessante Idee ist, die Raumschiffanalogie auch für unsere Lebensräume auf der Erde anzuwenden. Wenn sich jedes Gebäude oder jede Stadt wie ein Raumschiff, das einmal zum Mars fliegen wird, mit Nahrungsmitteln, Wasser und Energie selbst versorgen würde, wäre das Leben auf der Erde erheblich anders.

Der große deutsche Raumfahrtpionier Krafft Ehricke sagte, der Mensch müsse dem extraterrestrischen Imperativ folgen, oder anders gesagt, in den Weltraum zu fliegen, wäre für den Menschen genauso natürlich, wie die Meere zu überqueren. Ist das auch Ihre Sicht?

Wir leben ja im Weltraum und verstehen bisher nur einen kleinen Teil davon. Auf der Erde, in ihrer Nähe und weit entfernt von ihr gibt es noch so viel zu entdecken. Es gibt nur einen unglücklichen Umstand – wir können uns noch nicht sehr weit von unserem Planeten entfernen. Aber ich bin mir absolut sicher, daß die Menschen den Weltraum weiter erkunden und wir jeden Tag etwas mehr von ihm verstehen werden.

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