Die Rückkehr zum Mond

Zwei österreichische Diplomingenieure haben Konzepte entwickelt, wie eine Besiedlung des Mondes aussehen könnte. Die Hauptfrage ist: Wie bauen wir eine Mondbasis?


Der Kopernikus-Krater | Quelle: NASA

Heuer begehen wir den 50. Jahrestag der Landung des ersten Menschen auf dem Mond. Nach Neill Armstrong setzten im Rahmen des Apollo-Programms noch elf weitere Menschen ihren Fuß auf unseren Erdtrabanten und brachten vor allem Proben von Mondgestein zur Erde. Mitte der 1970er Jahre wurde das Mondprogramm von der NASA aus Kostengründen beendet. Seither hat niemand mehr den Mond betreten. Das soll sich in den nächsten Jahrzehnten ändern. Diesmal aber sollten wir auf den Mond zurückkehren, um bis in die ferne Zukunft dort zu bleiben und die Ressourcen, die der Mond uns bietet, zu nutzen.

Die europäische Weltraumagentur ESA plant zwischen 2020 und 2030 die Entsendung eines bemannten Lunar Orbiters, der den Mond umkreist und von dem aus die Astronauten ferngesteuerte Forschungsroboter zur Mondoberfläche entsenden können. China plant eine bemannte Landung auf dem Erdtrabanten. In den nächsten Jahrzehnten sollten wir bemannte Basen sowohl auf der Mondoberfläche als auch in natürlichen Hohlräumen im vulkanischen Eruptionsgestein, den sogenannten lava tubes, errichten. Die Anwesenheit des Menschen ist erforderlich, nicht nur für wissenschaftliche Forschung, sondern um erfolgreich Bergbau auf dem Mond zu betreiben. Das Isotop Helium-3 ist ein vielversprechender Brennstoff für künftige Kernfusionsreaktoren. Helium-3 und Deuterium verschmelzen dabei zu Helium-4 unter Freisetzung von Protonen, die man zur Stromerzeugung oder als Antrieb für Raumschiffe nutzen kann. Helium-3 hat sich über Milliarden Jahre durch den Sonnenwind gerade an der Oberfläche im sogenannten Regolith, einer losen Beschüttung aus Staub und Sand, gebildet. Man schätzt die Helium-3-Vorräte im Regolith auf bis zu einer Million Tonnen.((Kuhlman K, Kulcinski G.: Helium isotopes in the Lunar regolith – measuring Helium isotope diffusivity in Lunar analogs. Badescu V (ed.) Moon – Prospective Energy and Material Resources, Seiten 23–56. Springer; 2012.))

Metalle wie Eisen, Aluminium oder Titan sind als Oxide verfügbar. Bei ihrer industriellen Extraktion entsteht Sauerstoff als Nebenprodukt. Wasser wird seit langem an den Polen des Mondes vermutet. Der Mond kann auf Grund seiner geringen Schwerkraft als Versuchslabor für verschiedene fortgeschrittene Technologien verwendet werden, zum Beispiel für elektromagnetische Katapulte((O´Neill GK. The High Frontier – Human Colonies in Space. Space Studies Institute Press, Princeton, New Jersey;1989.)) oder zum Bau des Prototypen eines Weltraumliftes zwischen der Oberfläche und dem Lagrangeschen Punkt L1 zwischen Mond und Erde, in dem sich die Gravitationskräfte ausgleichen.((Pearson J, Levin E, Oldson J, Wykes H. Lunar Space Elevators for Cisluna Space Development Phase I Final Technical Report. Star Technology and Research Inc.,3213 Carmel Bay Drive, Suite 200, Mount Pleasant, SC, 294668513; 2005.))

Langfristig können Bergbau und lunare Industrie auf dem Mond selbst wie auch im Mondorbit und am L1 Rohstoffe und Industrieprodukte für raumbasierte Industrien und auch Treibstoffe für die weitere Erforschung und Nutzung des Sonnensystems liefern. Die Rückseite des Mondes ist ein hervorragender Standort für astronomische Forschung mit Teleskopen. Nicht zuletzt kann der Mond auch zu einer touristischen Destination werden.

Der „Raketenkran“ (Teleoperated Rocket Crane TRC)

Wie bauen wir eine erste Mondbasis? Wir brauchen dazu ein geeignetes Transportmittel zwischen Mondumlaufbahn und Oberfläche, das im Idealfall auch gleich die Module der Mondbasis zusammenfügt. Gesteuert wird das Gerät entweder vom Lunar Orbiter aus oder von Astronauten auf der Mondoberfläche mittels Fernsteuerung. Es muß sich darüber hinaus auch horizontal auf dem Mondboden bewegen können.

Wir haben dazu den multifunktionalen ferngesteuerten Raketenkran TRC entworfen. Er ist aus modularen Teilen konstruiert, und alle Teile passen in die Nutzlaststufe einer Ariane-5-Rakete. In der Mondumlaufbahn angekommen, werden die Komponenten von Astronauten und Robotern zusammengefügt (Abbildung 1).

Abbildung 1. Die modularen Komponenten des „Raketenkrans“ TRC.

Der TRC besteht aus einem räumlichen Tragwerk aus Aluminiumstäben und Knoten. Diese Konstruktion trägt modulare verstellbare Raketentriebwerke, Treibstofftanks und elektrisch betriebene Raupenmodule. Der TRC kann Nutzlasten bis zu 10,2 Tonnen (auf dem Mond 1,68 Tonnen) transportieren, sowohl durch Einsatz der Raketentriebwerke als auch als Kettenfahrzeug am Boden.

Der TRC kann auch ein bemanntes Modul als Nutzlast tragen. Dabei steuert ein Pilot den TRC. Die Triebwerke werden mit Sauerstoff und Wasserstoff betrieben, die Raupenmodule durch kleine Nuklearbatterien. Am Tragwerk können darüber hinaus auch Solarpaneele montiert werden. Durch die modulare Bauweise können defekte Teile jederzeit leicht ausgetauscht werden (Abbildung 2).

Abbildung 2. Raketenkran TRC mit zylindrischer Nutzlast.

Vor allem aber sind Astronauten mit Hilfe des TRC in der Lage, die Module einer Mondbasis zusammenzufügen (Abbildung 3).

Abbildung 3. Zusammenbau zylindrischer Elemente einer Mondbasis.

Eine erste bemannte Mondbasis

Wie können wir einen ersten bemannten Außenposten auf dem Mond bauen? Wir sollten dabei darauf Wert legen, durch bewährte technische Lösungen maximale Sicherheit für die Astronauten zu gewährleisten und die Kosten durch modulare Bauweise in Grenzen zu halten.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlreiche Vorschläge für Mondstationen gemacht. Frühe NASA-Konzepte aus den 1960er Jahren sahen zylindrische Module auf Basis der Saturn-V-Rakete vor.((Gatland K. Space Technology. Salamander Books Ltd. London; 1981.)) In Anbetracht der Gefahren durch Mikrometeoriten und kosmische Strahlung schlugen einige Autoren wie Krafft Ehricke oder Isaac Asimov vor, Habitate in natürlichen Hohlräumen unter der Mondoberfläche zu planen.((Asimov I, McCall R. Unsere Welt im All. Verlag C.J. Bucher AG,Frankfurt/M Germany; 1974.))12 Es gab auch Vorschläge für pneumatische Konstruktionen (inflated structures), die beim Start Gewicht sparen sollten.34

Jedes Bauwerk auf dem Mond und im freien Weltraum ist dem ständigen Beschuß durch kosmische Strahlung und Mikrometeoriten ausgesetzt. In einem Zyklus von etwa elf Jahren emittiert die Sonne Strahlenstürme, die für Astronauten tödlich sein können. Darüber hinaus herrschen zwischen den 14-tägigen Tag- und Nachtzyklen des Mondes Temperaturdifferenzen zwischen -170°C und +130 °C.((Rükl A. Mondatlas. Artia Praha, Czech Republic;1990.)) Es ist also enorm wichtig, eine Abschirmung gegen Strahlung und Meteoriten zu schaffen und auch eine Dämmschicht zur Bewältigung der Temperaturschwankungen zu konstruieren. Dazu eignet sich das auf der Mondoberfläche vorhandene lose Material, der Regolith, sehr gut.

Wir sehen dabei auch, daß der Einsatz pneumatischer (aufblasbarer) Konstruktionen ein wenig fragwürdig ist. Bevor noch der „Ballon“ mit schützendem Regolith bedeckt werden kann, kann ein kleiner Meteorit die Hülle zerstören. Durch die hohen Temperaturdifferenzen können in der pneumatischen Hülle Brüche und Risse entstehen. Wir greifen daher auf bewährte Aluminiumkonstruktionen zurück, die wir von den Raumstationen MIR und ISS kennen.

Unser Entwurf besteht aus sechs zylindrischen Modulen mit 17 m Länge, 6 Meter Durchmesser und einem Startgewicht von ca. 10,2 Tonnen (Abbildung 4).((Grandl W. Lunar Base 2015 Stage 1 Preliminary Design Study. Acta Astronautica 2007;60:55460.)) Jedes Modul besteht aus dünnen Aluminiumblechen und Aluminium-Trapezblechen. Im Gegensatz zu bisherigen Raumstationen ist die Außenwand zweischalig ausgeführt. Die beiden Schalen sind durch radiale Schotten ausgesteift (Abbildung 5). Der Hohlraum zwischen den beiden Schalen wird vor Ort von einem kleinen robotischen Bagger mit Regolith gefüllt (Abbildung 6). Acht Astronauten können auf 270 m2 Nutzfläche leben und arbeiten.

Abbildung 4. Modulare Mondbasis für 8 Astronauten.

 

 

 

 

Die Hohlräume werden mit 63 cm verdichtetem Mondmaterial gefüllt. Eine 25 cm starke Schaumstoffschicht sorgt für die Wärmeisolierung. Der Wärmedurchgangswert beträgt ca. 0,094 W/m2 K, ähnlich einem gut gedämmten Gebäude auf der Erde. Durch den mehrschichtigen Aufbau werden Mikrometeoriten, die die erste Hülle durchschlagen, abgebremst und bleiben im Regolith stecken. Um optimale Sicherheit und Redundanz zu gewährleisten, sind die Module durch Brandschutztüren getrennt. Im Falle eines Lecks kann die Mannschaft in den anderen Zylindern Zuflucht suchen und auf Rettung warten. Die Innenausstattung besteht aus ultraleichten Kunststoffen, die teils im 3D-Druckverfahren hergestellt werden. Die gesamte Leichtbauweise der Module reduziert das Startgewicht auf der Erde und das Landegewicht auf dem Mond.

Abbildung 5. Querschnitt durch ein Modul.

Die Energieversorgung wird sowohl durch eine Nuklearbatterie als auch durch ausklappbare Solarpaneele gewährleistet. Abbildung 7 zeigt die Nutzung der verschiedenen Module.

Abbildung 6. Füllung der konstruktiven Hohlräume mit Regolith.

In einer früheren Studie Design and Construction of a Modular Lunar Base (Grandl 2010)((Grandl W. Design and Construction of a Modular Lunar Base. Benaroya H(Ed.) Lunar Settlements. CRC Press, Taylor & Francis Group: 50917; 2010.)) verglich der Verfasser die zweischalige Konstruktion mit einschaligen Entwürfen sowie sog. Inflated structures. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Wärmeschutz und dem Temperaturverlauf in der Außenwand während der 14-tägigen Mondnacht. Bei einer angenommenen Außentemperatur von 170 °C, einer Innentemperatur von +21 °C bei 60 % Luftfeuchtigkeit zeigten die Berechnungen, daß nur bei der zweischaligen Außenwand mit mehreren Materialschichten Kondenswasserbildung und Vereisung an der inneren Wandoberfläche vermieden werden kann. Bei den aufblasbaren Elementen würde erst eine massive Regolithbeschüttung von mehreren Metern zu einem vernünftigen Ergebnis führen.

Abbildung 7. Grundriß der modularen Mondbasis für 8 Personen.

Für den Transport von der Erde in eine Mondumlaufbahn sind zumindest elf Raketenstarts nötig. Wir haben eine Ariane-5-Rakete als Beispiel gewählt. Natürlich können bei internationaler Zusammenarbeit auch Raketen anderer Hersteller verwendet werden.

1. Start: Lunar Orbiter

2. Start: Bemannte Landefähre und Dockmodul Lunar Orbiter

3. Start: Raketenkran TRC

4. bis 9. Start: Zylindrische Module der Mondbasis

10. Start: diverse Baumaschinen und Roboter

11. Start: wissenschaftliche Ausrüstung, Lunar Rover, etc.

Dank ihres modularen Designs mit standardisierten Maßen und Gewichten für alle Komponenten ist internationale Kooperation in allen Phasen des Projektes möglich und auch wünschenswert, nicht zuletzt um die Kosten für einzelne Länder und Unternehmen in einem vernünftigen Rahmen zu halten.((Grandl W. Building the First Lunar Base – Construction, transport, assembly. Badescu V (Ed.) Moon – Prospective Energy and Material Resources: 63340. Springer; 2012.)) Aufgrund dieses modularen Entwurfskonzeptes ist die Station beliebig erweiterbar, stets unter Verwendung kompatibler Teile und Module (Abbildung 8).

Abbildung 8. Erweiterte Mondbasis unter Verwendung standardisierter Module.

Habitate unter der Mondoberfläche

Man vermutet seit langem, daß es unter der Oberfläche des Mondes größere Hohlräume, sogenannte lava tubes, gibt. Ähnlich wie etwa auf Hawaii entstanden vulkanische Röhren durch die Bewegung flüssiger Lava in der Frühzeit des Mondes. Der japanische Orbiter SELENE (Selenological and Engineering Explorer) entdeckte 2009 drei große Vertiefungen, Lunar Holes, auf dem Mond, die offenbar durch den Einsturz darunter liegender Hohlräume entstanden sind (Abbildung 9). Man vermutet von diesen ausgehende weitere Hohlräume. In diesen Vertiefungen werden sogar Wasservorkommen vermutet. Aufgrund der Messungen der japanischen Sonde betragen die Temperaturen auf dem Grund der Löcher etwa zwischen 20 und + 30 °C. Auch kosmische Strahlung und Mikrometeoriten-Impakte scheinen geringer zu sein.((Haruyama J,Morota T,Kobayashi Sh, Sawai Sh, Lucey P, Shirao M, Nishino M. Lunar holes and lava tubes as resources for Lunar science and exploration. Badescu V(Ed.) Moon – Prospective Energy and Material Resources: 13763. Springer; 2012.))

Abbildung 9. Verschiedene große Vertiefungen auf dem Mond, die offenbar durch den Einsturz darunter liegender Hohlräume entstanden sind. (a: Marius Hills Hole (MHH) 59 x 50 m, 48 m tief; b: Mare Tranquilitatis Hole (MTH) 98 x 84 m, 107 m tief; c, d: Mare Ingenii Hole (MIH) 118 x 68 m, 45 m tief) Quelle: Japan Areospace Exploration Agency

Die Lunar Holes könnten daher bestens geeignete Orte für Mondbasen sein.

Wir wählen als Standort für den Entwurf eines Habitats das MTH im Meer der Stille, etwa 350 km vom ehemaligen Landeplatz Apollo 11 entfernt. Sowohl das Terrain an der Oberfläche als auch der Boden des MTH sind relativ eben. Aufgrund seiner Tiefe von 107 Metern sollte das MTH einigen Schutz vor Strahlung, Meteoriten und extremen Temperaturen bieten. Auch seitlich anschließende weitere Hohlräume dürfen wir erwarten.

Zunächst wird mit den oben beschriebenen Technologien eine „Bauhütte“ aus Modulen ähnlich der beschriebenen ersten Mondbasis errichtet, von der aus ein Team von Technikern den weiteren Baufortschritt steuert. Danach wird mit Hilfe der Raketenkrans TRC eine vertikale modulare Tragstruktur bis zum Boden des MTH errichtet. Schließlich erfolgt die Montage der letzten Module am Boden. In seitlichen lava tubes können pneumatische Strukturen eingebaut werden, die etwa zur Nahrungsmittelproduktion dienen.

Nach einigen Jahren könnte das MTH durch eine transparente Kuppel überdacht und der gesamte Hohlraum mit Atemluft gefüllt werden (Abbildung 10). In diesem Stadium der Erschließung des Mondes sollte bereits eine lunare Industrie die nötigen Materialien liefern. Während der zweiwöchigen Mondnacht muß ein Tag-Nacht-Rhythmus mit Kunstlicht simuliert werden. In der so entstehenden grünen Oase könnten Pflanzen und Tiere in beschränktem Ausmaß gedeihen.

Abbildung 10. „Grünes“ Habitat im Mare Tranquilitatis Hole für ca. 100 Personen.

In einem derartigen Habitat können Wissenschaftler, Techniker oder Touristen bequem wohnen und arbeiten. Aufgrund der geringen Schwerkraft des Mondes empfiehlt sich allerdings, den Aufenthalt auf ein Jahr zu begrenzen, da sonst körperliche Schäden nicht auszuschließen sind. Trotz des Einsatzes von Robotern und „künstlicher Intelligenz“ ist die Anwesenheit des Menschen zur Erforschung und Nutzung des Mondes als Plattform für die weitere Erschließung des Sonnensystems unvermeidlich.

  1. Smolders P. Living in Space. Airlife Publishing Ltd. England; 1986. []
  2. Bogen W. Creating habitable volumes from lunar lava tubes. AIAASpace Manufacturing 9 The High Frontier 11th SSI-Princeton Conference: 24751; 1993 []
  3. Benaroya H, Bernold L, Chua KM. Engineering, Design and Construction of Lunar Bases. Journal of Aerospace Engineering 2002: 3345. []
  4. Gruber P, Imhof B. Transformation: structure/space studies in bionics and space design, Acta Astronaut 2007; 60: 56170. []

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