Öffentliche Verschuldung: Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Seit Jahren wachsen die Löcher in den Haushaltskassen von Städten und Gemeinden, weil Steuereinkünfte sinken, der Bund die Kommunen zusätzlich mit Sozialleistungen belastet und vor allem, weil hohe Zinsen die Schuldenberge anschwellen lassen. Kommunale Politiker stehen vor der immer schwierigeren Aufgabe, Gemeinwohlaufgaben wie Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, Entsorgung von Müll und Abwasser, Verkehr und Schulangebot, Krankenhäuser, Altenheime, Feuerwehr und andere öffentliche Leistungen aufrechtzuerhalten.

In diesem Zusammenhang tauchte Anfang des Jahres ein Bericht über den Stadtkämmerer von Düsseldorf auf, der seit 1999 auf wundersame Weise den Stadthaushalt nicht nur von den laufenden Kosten für die Klärwerke kräftig entlastet, sondern außerdem noch 41 Mio. DM „Gewinn“ in die Stadtkasse erwirtschaftet hätte. Durch Vermietung erst an die Deutsche Bank, Weitervermietung durch die Bankiers an ein amerikanisches Unternehmen und Rückmietung aus den USA durch die Stadt über einen Zeitraum von 20 Jahren sei man in der Lage gewesen, die beiden Klärwerke, die ansonsten wegen leerer Kassen wenig Zukunft gehabt hätten, zu günstigen Kosten weiter zu betreiben. Und der Kunde, der Wasserverbraucher von Düsseldorf, habe seinen Nutzen davon, da man die Verbrauchspreise niedrig halten konnte.

Aber diese Rechnung hat die Stadt Düsseldorf ohne die Finanzhaie der internationalen Geldmärkte gemacht, genausowenig wie die vielen anderen deutschen Gemeinden, die seit Mitte der 90er Jahre die städtische Finanzkrise durch den Gang auf den freien Leasing-Kapitalmarkt überwinden wollten. Finanzierungsmodelle dieser Art sind teuer für den Steuerzahler und Bürger, das hat der Bundesrechnungshof schon im November 1995 bei einer Durchleuchtung entsprechender Pläne des Bundes für den Bau neuer ICE-Trassen festgestellt. Private Fremdvorfinanzierung der ICE-Neubaustrecke und späterer Rückkauf durch den Bund in Raten über 10–20 Jahre hätte die Gesamtkosten auf 15,6 Mrd. DM hochgetrieben, etwa das Doppelte des Betrages, den der Bund bei eigener Finanzierung ausgegeben hätte.

Schon in der Ära Waigel war diese Praxis der schleichenden Privatisierung und verteuerten Finanzierung von Gemeinwohlaufgaben in Deutschland salonfähig gemacht worden. Die durch jahrelange Hochzinspolitik und sinkende Steuereinnahmen überschuldeten Kommunen sind, wenn sie den Weg der vollen Privatisierung von städtischen Diensten nicht gehen wollten, von cleveren Bankiers zu Leasing-Modellen überredet worden – nach dem verführerischen Motto: Mit diesem Modell vermeidet ihr neue Verschuldung, könnt die Dienste aufrechterhalten und spart sogar noch Geld dabei.

Die größten Hoffnungen werden dabei mit dem sog. „grenzüberschreitenden Leasing“ (cross-border leasing) geweckt, das Steuervorteile in anderen Ländern nutzt, um mit Kapital aus diesen Ländern kommunale Dienste in Deutschland zu mieten. Die Dresdner Bank, West LB und andere sind aktiv in diesen Bereichen, und die Deutsche Bank führt auch Krankenhäuser in ihrer Liste attraktiver Leasingobjekte.

Im Falle der Düsseldorfer Klärwerke traten als „Mieter-Vermieter“ auf: die Deutsche Bank, deren Leasing-Ableger in den USA sowie ein ungenanntes amerikanisches Unternehmen, das gar nicht aus der Wasserbranche kommt, sondern nur Interesse an einer saftigen Steuerersparnis in den Vereinigten Staaten hat. Das amerikanische Steuergesetz gewährt nämlich für Investitionen in umweltrelevante Bereiche wie die Wasserversorgung starke Steuerrabatte. Von diesem „Gewinn“ des amerikanischen Investors nun erhalten die Stadtkämmerer eine Provision – eben jene 20 Mio. DM im Haushaltsjahr 1999 und im folgenden Jahr sogar 21 Mio. DM. Den Namen des amerikanischen Finanziers der Klärwerke wollen die Düsseldorfer Stadtväter nicht nennen – angeblich wegen des „unglaublich verschachtelten Systems der Finanzierung.“ Öffentlichkeit könnte hier störend wirken und das amerikanische Geld wieder vertreiben, heißt es.

Wie gewonnen, so zerronnen

Die Gefahr, daß der amerikanische Investor einen Rückzug macht, droht aber aus einer anderen Ecke: Am 20. April 1995 kündigte die amerikanische Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) eine Überprüfung dieser Investmentpraktiken an, und zwar mit dem volkswirtschaftlich gesehen richtigen Argument, Bürgern in einem anderen Land kämen unberechtigt Steuervorteile zu Lasten des amerikanischen Steuerzahlers zugute. Des weiteren vermutete die IRS zu recht, hier werde auch von amerikanischen Investoren Mißbrauch mit dem inländischen Steuerrecht getrieben.

Noch hat aber in diesen Fragen die Finanzwelt das Sagen, denn bei diesen steuerbegünstigten Kapitalanlagen im Ausland winkt ein „Markt“ im Volumen von einigen Billionen Dollar. Allein im Falle der deutschen kommunalen Wasserversorgung rechnen Experten mit einem Finanzbedarf von 300–320 Mrd. DM. Das Geschäft mit den kommunalen Diensten ist lukrativ für den amerikanischen Investor, weil er Steuern einspart und es ihn zum geheimen Besitzer dieser Anlagen in Deutschland macht, und es ist lukrativ für die Bankiers, die Investment- und Leasingberater wegen der üppigen Provisionen.

Außerdem, so eine jüngste Äußerung des amerikanischen Notenbankchefs Greenspan vor dem Bankenausschuß des Senats am 13. Februar, erspart diese organisierte Kapital- und Steuerflucht den USA angeblich die Gefahr der Inflation: Greenspan behauptete, daß es gut sei, wenn kalifornische und andere Energiekonzerne ihre Gewinne (bei Enron waren dies im vergangenen Jahr 30 Prozent!) eben nicht in die amerikanische Wirtschaft investierten, sondern bei Energiefirmen im Ausland. Wie gut das für die Amerikaner ist, wenn nach dem Greenspan-Modell nicht in Kraftwerke investiert wird, spüren dieser Tage die Kalifornier, die nicht wissen, ob ihnen von einer Minute auf die andere Strom und Gas abgestellt werden, weil die Kapazitäten nicht ausreichen.

Aber in die gleiche Lage können die Bürger in Düsseldorf und anderswo auch kommen, denn abgesehen von möglichen Änderungen im amerikanischen Steuerrecht droht eine andere Gefahr für die kommunale Versorgung hierzulande – nämlich der finanzielle Kollaps von Investmentfonds und anderen Kapitalgesellschaften, die zunehmend in den Grauzonen von Steuerrecht und riskanten Termingeschäften auf Pump operieren. Von einer Minute auf die andere kann eine solcher Fonds wegen Zahlungsunfähigkeit zusammenbrechen und dann sein Engagement beispielsweise bei den Klärwerken in Düsseldorf nicht mehr aufrechterhalten. Die Stadt muß dann einspringen und das akute Finanzloch mit einigen hundert Millionen Mark an teuren Notkrediten stopfen, damit die Düsseldorfer weiterhin mit Trinkwasser versorgt werden können.

In Köln ist diese Gefahr vielleicht noch größer, denn dort haben die Stadtkämmerer ihre Klärwerke im März 2000 an einen (geheimgehaltenen) Investmentfonds auf den karibischen Cayman-Inseln „vermietet“. Diese Inseln zählen zu den „Steuerparadiesen“ mit den schlimmsten Exzessen im Finanzwesen weltweit. Viele andere Städte in NRW haben ihre öffentlichen Versorgungsbetriebe, Krankenhäuser und sogar Theater und Kunsthallen in die Hände amerikanischer und anderer Finanzhaie überliefert: Zum Beispiel Köln (Verkehrsbetriebe), Wuppertal (Müllverbrennung), Minden und Porta Westfalica (Stromversorgung), Jüchen (Kanalnetz); im übrigen Deutschland ist es ähnlich: Chemnitz (Kläranlage), Rostock und Halle (Straßenbahnen), Ulm (Müllverbrennung), Leipzig (Opernhaus).

Experten schätzen, daß seit 1997-98 allein aus Deutschland 30 Milliarden Dollar aus kommunalen Leasing-Deals auf Konten an der Wall Street geflossen sind – und so die Spekulationsblase mit am Leben erhalten haben. Platzt die Blase, ist das ganze Geld weg. Hätte man es bloß hier zu Hause real investiert, wird dann mancher Stadtkämmerer sagen.

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