Eckehard Göring, 1969 in Halle an der Saale geboren, war nach dem Studium der Kernkraftwerkstechnik an der TH-Zittau und dem erfolgreichen Abschluß als Diplom-Ingenieur an der TU Dresden einige Jahre in der nuklearen Entsorgung tätig. Nach den sich verschlechternden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in dieser Branche durch politische Entscheidungen wechselte E. Göring in die Großchemie, zuerst als Konstruktions-Ingenieur, später als Kostenschätzer und Controller. In dieser Rolle ist er bis heute tätig, aktuell bei einem international tätigen, mittelständischem Anlagenbauer. In seiner Freizeit engagiert sich E. Göring unter anderem im Verein „Bürger für Technik“, welcher sich zum Ziel gesetzt hat, die breite Bevölkerung über die Vorteile und Nutzen von technischen Errungenschaften aufzuklären und die naturwissenschaftliche Bildung von Kindern und Jugend zu verbessern. Zwei seiner Schwerpunkte sind dabei die Energieversorgung und die Kerntechnik. Die Fragen stellte Dr. Wolfgang Lillge.
Warum haben die Menschen so viel Angst vor der Kernenergie, während die Unfallrisiken bei der Kohle als Brennstoff ungleich höher sind, und gleichzeitig sehr leichtfertig mit der Drohung eines Nuklearschlags gegen vermeintliche Feinde wie Rußland und China umgegangen wird?
Das Problem mit der Angst vor der Kerntechnik fing bereits im August 1945 an, als die USA die militärisch unbedeutenden Städte Hiroshima und Nagasaki des Kriegsgegners Japan mit dem Abwurf der ersten Atombomben als Machtdemonstration vollständig auslöschten. Die Nachricht vom Einsatz einer solch verheerenden Waffe ging um die ganze Welt. Das war der blutige Anfang des vielzitierten „Atom-Zeitalters“.
Damit war im Bewußtsein der Menschheit die Kerntechnik untrennbar mit einem riesigen Vernichtungspotential verbunden. Auch der Einsatz der ersten Kernreaktoren diente ausschließlich militärischen Zwecken und nicht der friedlichen Nutzung der Nukleartechnik.
Erst später kamen rational denkende Politiker in Ost und West zu der Überzeugung, diese gigantische Kraft für etwas Gutes, Schöpferisches einzusetzen, nämlich zur Erzeugung von billigem Strom an allen erdenklichen Orten dieser Welt und nicht zur Vernichtung. Das war umso bedeutender, da immer noch der „Kalte Krieg“ zwischen den beiden Blöcken herrschte.
Leider regte sich schon damals auch der Widerstand politischer Kreise, die in dem Zugang der Menschen zu billiger Energie den Untergang ihres Geschäftsmodells sahen und damit das Ende ihrer Macht. Also wurde versucht, in der Bevölkerung Angst zu sähen. Angst ist ein nicht zu unterschätzendes Druckmittel in der Menschheitsgeschichte. Man redete den Menschen also ein, diese gewaltige Energiequelle sei nicht zu beherrschen, die Folgen eines Unfalls grenzenlos, die Auswirkungen sozusagen apokalyptisch!
Der Erfolg dieser destruktiven Politik läßt sich auch noch heute spüren. Die Menschen können im allgemeinen gut zwischen ziviler Schifffahrt und Kriegsflotten unterscheiden, zwischen ziviler und militärischer Luftfahrt, sogar bei chemischen Stoffen, die als Waffen eingesetzt werden können, wie zum Beispiel Chlorprodukte, gelingt ihnen das, nur bei der Kerntechnik versagt diese kognitive Unterscheidung. Warum? Weil politische Eliten jahrelang die Bevölkerung unwissend hielten, ja sogar mit Lügen versorgten, um sie in Abhängigkeit zu halten. Nicht ohne Grund warnte der scheidende US-Präsident Dwight D. „Ike“ Eisenhower in seiner Abschiedsrede 1961 vor dem Militärisch-Industriellem Komplex. Dieser Begriff beschreibt ziemlich zutreffend die Eliten, die alles versuchen, um die friedliche Nutzung der Kernenergie zu verhindern. Natürlich konnten diese Eliten die Menschheit nicht wie unmündige Sklaven behandeln, also mußte man in gewissen Grenzen Mobilität, Lebensstandard und persönliche Freiheiten zulassen. Und hier kommen die anderen Arten der Stromerzeugung ins Spiel, die wesentlich unsicherer, statistisch tödlicher und umweltschädlicher sind als die Kerntechnik, mit denen sich aber prima Profite für die Konzerne und damit die Anteilseigner erwirtschaften lassen. Und um diese Politik weiterhin zu verfolgen, benötigt man die Hoheit über die Presse und Printmedien, neben Radio und Fernsehen. Ich kann an dieser Stelle nicht auf alle Arten der Stromerzeugung mit all ihren Vor- und Nachteilen eingehen, aber ich möchte gern über die Art und Weise der Berichterstattung darüber eingehen.
Ein Beispiel für diese Berichterstattung, die die Wahrnehmung der Leute manipuliert, sind die Reportagen über die „Atomkatastrophe“ in Fukushima, Japan. Hier gab es nachweislich null Tote durch die freigesetzte Strahlung, aber der Naturkatastrophe fielen fast 16.000 Menschen zum Opfer und etwas mehr als 2500 Menschen, die immer noch als vermißt gelten. Politiker der deutschen Grünen behaupten fälschlich, aber mit voller Überzeugung, daß das alles Strahlentote sind.
Ein anderes Beispiel ist die Berichterstattung über Tote im Bergbau. In der Türkei zum Beispiel starben nach Angaben des türkischen Arbeitsministeriums allein von 2005 bis 2014 mehr als 11.000 Bergleute bei rund 730.000 Arbeitsunfällen, das bedeutet für das Jahre 2010 durchschnittlich vier tote Bergleute am Tag. Dabei sind gesundheitliche Langzeitfolgen noch nicht einmal berücksichtigt.1
Und, wo bleibt hier der Aufschrei der „Gutmenschen“ gegen die Kohleimporte nach Deutschland? Wo formiert sich hier der Massenprotest auf der Straße? Der „Letzten Generation“ geht es angeblich um den Klimaschutz, von geretteten Menschenleben habe ich dabei noch nie etwas gehört. Der Ruf nach deutscher Strom- und Energie-Autarkie, oder Unabhängigkeit, mittels „erneuerbarer Energien“ ist hier pure Augenwischerei. Der Krieg Rußlands mit der Ukraine hat deutlich gemacht, daß Deutschland auf Energieimporte angewiesen ist. Die „Siegesmeldungen“ über neue Rekorde bei der Stromerzeugung aus „Erneuerbaren“ entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Beleg für den Niedergang der deutschen Wirtschaft und der damit verbundenen Stromeinsparung.
Mir war in den vergangenen Jahren sowieso unbegreiflich, wieso sich Friedensaktivisten an den Toren der Urananreicherungsanlage in Gronau festketteten, anstatt gegen Atomwaffen in der Eifel zu protestieren. An dieser Stelle muß noch einmal betont werden: „Kernkraftwerke sind so gebaut, daß sie nicht explodieren, Kernwaffen hingegen sollen explodieren!“
In der letzten Zeit wird ja leider auch von deutschen Politikern aller Couleur ganz offen diskutiert, ob und wann man einen „Atomschlag“ gegen Rußland oder die Volksrepublik China führen sollte und kann. Diese Politiker haben leider überhaupt nichts mehr gemeinsam mit ihren Vorgängern, die in Zeiten des „Kalten Krieges“ lebten. Damals ging es um die glaubwürdige Abschreckung auf beiden Seiten und nicht um selbstmörderische Machtphantasien, angeblich basierend auf den Grundlagen der westlichen Werte von Demokratie und Freiheit. Wenn diese Grundwerte sich nur mittels Krieg durchsetzen lassen, sind sie in meinen Augen nicht mehr wert als diktatorische Grundsätze, die man ja angeblich bekämpfen möchte!
Warum ist der Widerstand gegen die Kernenergie gerade in Deutschland so groß? Wie kam es zu der Wende von der anfänglichen Begeisterung über den Atomstrom – die SPD war noch bis in die 1980er Jahre dafür – bis hin zur totalen Verteufelung?
Deutschland war als geteilte Nation nach dem 8. Mai 1945 nie mehr souverän in seinen Entscheidungen. Ich zitiere an dieser Stelle immer gern Herrn Schäuble von der CDU. Diese Situation bedingte daher, daß sich die deutschen Politiker in Ost wie West immer nach den Vorgaben aus Moskau und Washington mehr oder minder zu richten hatten. Und da kommt der deutsche Forscher- und Erfindergeist ins Spiel. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte nicht nur Westdeutschland, die spätere BRD, sondern auch Ostdeutschland, die spätere DDR, sein „Wirtschaftswunder“. Soweit so gut. Moskau wie auch Washington profitierten davon direkt sowie indirekt.
Eines der Felder, auf dem die junge BRD sehr erfolgreich war, war die Nuklearforschung. Man war bald in der Lage, eigene Reaktorkonzepte zu entwickeln und nicht auf US-amerikanische zurückzugreifen. Federführend waren hier Siemens mit dem Druckwasserreaktor (DWR) und AEG mit dem Siedewasserreaktor (SWR). Anfangs störte das die Besatzungsmächte nicht. Das sollte sich später ändern. Darauf werde ich noch intensiver eingehen.
Politiker der damaligen SPD, wie Willy Brandt, Herbert Wehner oder Helmut Schmidt, um nur einige führende Köpfe zu nennen, hatten die Vorstellung, Deutschland mit billiger Energie aus heimischer Quelle nach dem verlorenen Krieg wieder aufzubauen. Kernenergie gehörte ausdrücklich dazu. Das war damals Politik für ihre Wähler, nämlich den „kleinen Mann“ auf der Straße, die Arbeiter in den Fabriken. Es war auch der „Wettlauf der Systeme“, in dem es darum ging, welcher Teil Deutschlands nun der bessere sei.
In den 1980er Jahren änderte sich die Situation, es kamen neue Leute innerhalb der SPD an die Macht, die „68er“. Und die ideologischen Väter hatten bei dieser Generation ganze Arbeit geleistet. Kernenergie wurde als das Schreckgespenst schlechthin dargestellt, Allianzen mit der neu gegründeten Partei „Die Grünen“ zeichneten sich ab. Somit entfernte sich dabei die SPD immer mehr von ihren Stammwählern, den Arbeitern und kleinen Angestellten. Das Ergebnis dieser verfehlten Politik läßt sich bis heute in den immer geringer werdenden Wahlergebnissen dieser Partei ablesen.
Daß die Kernenergie dabei nur eine Facette dieser verfehlten Politik war, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Auch der gestiegene Strompreis stößt dem „kleinen Mann“ bitter auf, wurde er doch jahrelang belogen mit dem Slogan: „Sonne und Wind schicken keine Rechnungen!“ Nein, Sonne und Wind nicht, aber die Profiteure der sogenannten „Energiewende“, die sich auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen füllen. Es geht hier nicht um den Bastler und Hausbesitzer, der seine Stromrechnung mittels regenerativer Stromarten senken möchte, es geht um den Industriestrompreis in diesem Land und die Abwanderungswelle der Industrie ins Ausland, von der man heute bereits in der Presse lesen kann und muß.
Der von Professor Schulten entwickelte Hochtemperaturreaktor wurde in Deutschland verboten, ist aber in China in weiterentwickelter Form jetzt ans Netz gegangen. Was sind die Vorteile des inhärent sicheren HTR?
Wie der Begriff schon sagt: inhärent, also innewohnend sicher, somit rein physikalisch, ohne menschliches Zutun. Dieser Reaktortyp kann sich also selbst überlassen werden und geht dabei immer in einen sicheren Zustand über. Diese grundlegende Eigenschaft dieses Reaktortyps hat die Chinesische Volksrepublik vor kurzen an ihrem ersten HTR getestet, in dem sie den „GAU-Test“, von Schulten damals vorgeschlagen und konzipiert, nachvollzog. Das Ergebnis war wie erwartet: Bei der vollständigen Abschaltung aller Kühlkreisläufe fährt der Reaktor herunter und nicht wieder hoch. Daß dieses Ergebnis so eingetreten ist, läßt sich leicht daran ablesen, daß die internationale Mainstream-Presse nicht drüber berichtete, andernfalls hätte sie wieder Katastrophennachrichten verbreiten können.
Das Aus für diese Reaktorlinie gründete übrigens nicht auf deutschen Protesten gegen diesen Reaktortyp, das hätte die Errichterfirma ABB als auch Siemens mit ihrem Konkurrenztyp ausgehalten. Der politisch brisantere Widerstand kam aus den USA, direkt aus dem Weißen Haus. Präsident Jimmy Carter hatte die Direktive ausgegeben, alles gegen die Weiterverbreitung von spaltbarem Material, der „Proliferation“, national wie international zu unternehmen. Sein Kampf gegen das Plutonium ist legendär. Als seine Berater wahrnahmen, man könne mit dem HTR aus nichtspaltbarem Thorium-232 durch Neutroneneinfang spaltbares U-233 „erbrüten“, war es schnell vorbei mit der Lieferung des benötigten Brennstoffs an die Bundesrepublik.
Noch unangenehmer dürfte der US-Administration die offizielle Anfrage der Sowjetunion bei der Bundesrepublik aufgestoßen sein, einen Prototyp bei ihnen zu erwerben, und zwar für harte Devisen zu marktüblichen Preisen. Da war dann Schluß mit Lustig und die Landesregierung von NRW unter Johannes Rau beugte sich dem politischen Druck. Das Ende ist bekannt. Die Volksrepublik China erwarb alle Patente sowohl von ABB wie auch von Siemens und verbaute den gasgekühlten Hochtemperaturreaktor (HTGR) im Shidaowan-Kernkraftwerk, der bisher störungsfrei läuft und alle Sicherheitstests uneingeschränkt bestanden hat.
Die Nutzung der Kernenergie in der Welt schreitet in schnellem Tempo voran, vor allem in Rußland und China, aber auch Länder in Afrika planen den Einstieg. Wie könnte eine Rückkehr Deutschlands zur Nutzung der Kernkraft aussehen?
Wir müssen zu unserer guten naturwissenschaftlich-technischen Bildung zurückkehren und nicht unser Bildungssystem weiter kaputtsparen und ideologisch überfrachten. Es werden Naturwissenschaftler und Techniker benötigt, nicht Geisteswissenschaftler, die neue Forschungsfelder erfinden, wie die „Genderwissenschaft“, damit sie eine Daseinsberechtigung haben. Zur Zeit könnten wir eine kurzfristige Rückkehr zur Kerntechnik nur mit ausländischen Spezialisten und ausländischer Technik bewerkstelligen, sind also hier hinter einige afrikanische Staaten zurückgefallen, die eigenes Personal für zukünftige Kernkraftwerksprojekte ausbilden lassen. Armes Deutschland, kann ich nur sagen.
Ist es nicht ein Widerspruch, wenn die Grünen einerseits bedingungslos gegen die Kernenergie sind, aber gleichzeitig offenbar nichts dagegen haben, daß die ukrainischen Streitkräfte die Kernkraftwerke in Kursk und Saporoschje bombardieren wollen – mit unabsehbaren Folgen für Menschen und Umwelt?
Dieses Verhalten kann man psychologisch nur als Schizophrenie, also Bewußtseinsstörung, bezeichnen. An dieser Stelle möchte ich auf mein Eingangs erwähntes Zitat zurückkommen: „Kernkraftwerke sind so gebaut, daß sie nicht explodieren, Kernwaffen hingegen sollen explodieren!“
Die Grünen spielen mit der Existenz Deutschlands, wenn sie eine Politik betreiben, die den Interessen Teilen des US-Establishments dient, aber den ureigensten Interessen Deutschlands zuwiderläuft. Es waren in der Geschichte der deutschen Länder immer Blütezeiten, wenn wir uns mit Rußland einigen konnten, hingegen brachten Konflikte mit Rußland nie politische oder wirtschaftliche Vorteile für die Deutschen.
Zum Abschluß möchte ich daher den großen deutschen Dichter und Theaterregisseur Bertolt Brecht zitieren: „Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen!
Fußnote(n)
- Quelle: Michael Kröger: „Türkei Grubenunglück: Arbeitsschutz in der Türkei ist schlecht.“ In: spiegel.de, 14. Mai 2014.[↩]