Galileos Odyssee zur Erkundung des Jupitersystems

Am 18. Oktober 1989 startete die Weltraumsonde „Galileo“ zu ihrem großen Entdeckungsflug Richtung Jupiter. Nach langem Hin und Her und trotz einiger technischer und organisatorischer Hürden arbeitet die Sonde, die noch bis Ende 1999 aus ihrer Bahn im Orbit des Planeten Jupiter technische Daten zur Erde liefern wird, nach wie vor tadellos. Obwohl die Mission Ende 1997 offiziell beendet werden sollte und trotz einiger Pannen, wie zum Beispiel dem Ausfall der Hauptantenne, konnte NASA-Projektmanager Bill O’Neill am 5. November 1997 feststellen:

„Die wissenschaftliche Ausbeute aus dem Besuch des Jupitersystems ist gewaltig, und die Auswertung dieser Daten wird sicherlich noch viele wichtige Entdeckungen erbringen. Auch wenn durch den Antennenausfall nicht alle ursprünglich vorgesehenen Ziele erreicht werden konnten, so glaube ich doch, daß die wissenschaftlichen Ergebnisse mit Leichtigkeit das übertreffen, was man sich bei Beginn des Projekts vor 20 Jahren vorgestellt hatte.“

Die Missionen zum Jupiter

Seit den 70er Jahren hat die NASA mehrere sehr erfolgreiche Erkundungsunternehmen zum Jupiter durchgeführt, doch erst die spannende Galileo-Mission, mit der zum ersten Mal direkt in der Jupiter-Umlaufbahn Untersuchungen angestellt wurden, und die sehr genauen, die Mission ergänzenden Bilder des Hubble-Weltraumteleskops, zeigten, welche neuen Welten noch zu erforschen sind.

1972 startete Pioneer 10, 1973 folgte Pioneer 11, um auszukundschaften, ob der Asteroidengürtel überhaupt passierbar sei. Die Forscher waren sich vor 25 Jahren noch nicht sicher, ob nicht trotz der Unwahrscheinlichkeit des Zusammenstoßes mit einem großen Gesteinsbrocken schon der dichtere Staub zwischen den fliegenden Felsen für eine Raumsonde fatale Folgen haben könnte. Diese beiden Sonden waren also im wahrsten Sinne des Wortes die „Pioniere“ einer nun folgenden ganzen Generation von viel aufwendigeren Jupitermissionen.

Die „Pioniere“ erforschten vor allem die Massen und Dichten der Galileischen Monde, auch die schwache Ionosphäre und Atmosphäre Ios wurden entdeckt. Außerdem beobachteten sie gezielt den Großen Roten Fleck Jupiters, ein 30.000 km langes Oval, das schon vor Jahrhunderten in der Jupiteratmosphäre gesichtet worden war. Höhepunkt der Reise von Pioneer 10 war der Vorbeiflug über Jupiters Wolken in 131.000 km Höhe; Pioneer 11 wagte sich sogar bis auf 44.000 km an Jupiter heran. Doch die Bildverarbeitung bzw. die technischen Möglichkeiten der 70er Jahre insgesamt waren noch nicht so weit wie heute, so daß man nur verschwommene Bilder mit Details von ca. 400 km Größe erhielt. Bei der Galileo-Mission sollte man eine tausend- bis zehntausendfach höhere Schärfe erreichen.

So sah die Sonde Voyager 2 den Jupiter 1979. Das kleine Bild (unten) zeigt den von Galileo aufgenommenen Jupitermond Io mit seiner mit Vulkankratern übersäten Oberfläche. Foto: NASA

Eigentlich träumten die Ingenieure bei der NASA schon in den 60er Jahren von einer „Großen Tour“ zu Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, doch die in den 70er Jahren einsetzenden drastischen Sparpläne machten dem Entdeckergeist der NASA-Wissenschaftler erst einmal einen Strich durch die Rechnung – obwohl sie mit den Raumsonden Voyager 1 und 2 ganz besondere Glanzstücke konstruiert hatten, die noch zwanzig Jahre nach dem Start so intakt waren, daß Voyager 2 sogar noch Uranus und Neptun erreichte. Bei dieser Mission wurde zum Beispiel entdeckt, daß Jupiter ähnlich wie Saturn einen Ring hat und von einem riesigen Magnetfeld umgeben ist. Außerdem brachten die bizarren Wolkenbilder Jupiters die gesamte Wissenschaftlerwelt zum Staunen und man schloß: diese riesigen Materiewolken rasen wirklich um den Planeten, es handelt sich nicht um Wellenphänomene eines ruhenden Gases. An den Polen Jupiters wurden große Polarlichter entdeckt, die mit den geladenen Teilchen im Plasmatorus des Jupitermondes Io (siehe nebenstehender Kasten) zu tun haben mußten. Noch eine andere faszinierende Entdeckung wurde gemacht: In einer magnetischen Flußröhre zwischen Jupiter und Io fließt ein elektrischer Strom von 5 Millionen Ampère, und zwischen beiden herrscht eine Spannung von 400.000 Volt. Außerdem öffnet sich das riesige Magnetfeld Jupiters auf der sonnenabgewandten Seite zu einem langen Magnetschweif.

Die Erkenntnisse der Voyager-Mission über die vier „Galileischen Monde“ waren nicht weniger interessant: auf Io herrscht eine so große vulkanische Aktivität, daß sich der Anblick der Oberfläche innerhalb weniger Monate deutlich ändert –es gibt mindestens acht aktive Vulkane; man entdeckte eine Eiskruste auf Europa und Ganymed und eine starke Verkraterung Callistos sowie den Mond Almathea, der noch innerhalb von Ios Bahn um Jupiter läuft. Diese vielseitigen neuen Entdeckungen warfen natürlich weitere große Fragen auf.

Das Projekt „Galileo“

Bevor 1974 die beiden Voyagersonden überhaupt gestartet waren, wußten die NASA-Forscher bereits, was sie danach genauer untersuchen wollten: die Zusammensetzung von Jupiters Atmosphäre sowie die vier Galileischen Monde, und zwar „aus der Nähe“. Das war der eigentliche Anfang des Galileo-Projekts. Galileo sollte abgebremst in die Umlaufbahn Jupiters eintreten und dann in einer Tour um den Planeten und die vier Galileischen Monde genauere Untersuchungen vornehmen. Seine technische Ausrüstung war entsprechend außerordentlich umfangreich: so u. a. eine Kamera zur Kartierung der Galileischen Monde mit mindestens 1 km Auflösung und zwanzigmonatiger Überwachung der Jupiteratmosphäre, zwei unterschiedliche Spektrometer zur Untersuchung der Ionen-Emission im Io-Torus, der Gase und Leuchterscheinungen der Jupiteratmosphäre, ein Magnetometer zur Überwachung von Magnetfeldern und ein sogenanntes „Plasma Wave System“ zum Nachweis elektromagnetischer Wellen und der Wechselwirkungen von Wellen und Teichen. Alle Instrumente waren in höchster Präzisionsarbeit von amerikanischen und deutschen Firmen hergestellt worden, und trotz verschiedenster Pannen übertrifft die wissenschaftliche Bilanz der am 31. Dezember 1998 endenden Mission alle Vorstellungen.

Die Galileo-Sonde, schon 1989 gestartet, liefert noch heute höchst aufschlußreiche Daten vom Jupiter und seinen Monden. Foto: DLR

Nach ersten Missionsplänen 1974 dauerte es immerhin 15 Jahre, bis Galileo am 18. Oktober 1989 endlich gestartet wurde. Was war passiert? Kurz vor dem ersten Starttermin kam es am 28. Januar 1986 zu dem tragischen Ereignis: die Raumfähre Challenger explodierte beim Start, für die sieben Astronauten gab es keine Rettung mehr. Die NASA entschied nun, daß so hochexplosive Geräte wie die Centaur-Rakete, die eigentlich auch für Galileo vorgesehen war, nicht mehr eingesetzt werden sollten. Diese Entscheidung bedeutete, daß Galileo und andere Raumsonden nun kein Trägersystem mehr hatten und die Forscher praktisch vor dem „Aus“ standen. Die Alternative, verschiedene kleinere Raketen zusammenzufügen, hätte insgesamt zu einem zu großen Gewicht für Galileo geführt. Die einzige Lösung bestand darin, nach erfolgtem Start einen „Umweg“ – einmal um die Erde, dann zur Venus und wiederum um die Erde – zu machen, um die Anziehungskräfte der Planeten beim Vorbeiflug zum „Schwungholen“ zu benutzen und so letztlich die Jupiterbahn zu erreichen.

Dieses „VEEGA“-Prinzip (Venus-Earth-Earth-Gravity Assist) funktioniert nur, wenn man den richtigen Termin, ein sogenanntes „Startfenster“, abpaßt, damit die Sonde zur Venus gelangt, wenn diese die geringste Entfernung zur Erde hat. Da bei dieser Lösung Galileo aber viel näher an die Sonne herankam als geplant, waren einige Schutzvorkehrungen zu treffen. Außerdem verlängerte sich der Flug drastisch: mit einer Ankunft bei Jupiter, falls der Start im Herbst 1989 erfolgen könnte, war vor 1996 nicht zu rechnen. Die Planungsumstellung machte zudem zahlreiche technische Änderungen erforderlich, und viele wissenschaftliche Instrumente mußten zur Nachbesserung in die Institute in Amerika und Deutschland zurückgeschickt werden.

Um den Schwierigkeiten die Krone aufzusetzen, begannen mehrere Umweltschutzgruppen kurz vor dem geplanten Starttermin eine hysterische Kampagne samt Gerichtsklage gegen Galileos „Atomantrieb“ in Form einiger Radioisotopenbatterien. Eine Wende setzte erst ein, als ausgerechnet einer der führenden Gegner der Nuklearrüstung, Carl Sagan, vehement die unsachlichen Kritiker öffentlich angriff und die Galileo-Mission verteidigte. Schließlich wies Richter Oliver Gasch am 10. Oktober 1989, also wenige Tage vor dem Starttermin, die Klage der „Umweltschützer“ ab.

Die wichtigsten Entdeckungen, die Galileo bis jetzt zur Erde schickte, betreffen vor allem die einzelnen Jupiter-Monde:

  • Es gibt neue Indizien für möglicherweise heute noch vorhandenes flüssiges Wasser unter der Eiskruste von Europa, und es ist mittlerweile eine intensive Diskussion unter den Forschern über mögliches Leben in diesem Europa-Ozean entbrannt.
  • Die eigens für die Erkundung des Jupiters konstruierte Atmosphärenkapsel hat zusammen mit dem Orbiter eindeutig Gewitterzellen und Schwankungen im Wasserdampfgehalt der Atmosphäre gemessen.
  • Die Vulkanaktivität auf Io hat sich seit 1979 verändert; insgesamt wurden 19 aktive vulkanische Zentren ausgemacht.
  • Der Plasmatorus in Ios Umlaufbahn ändert sich fortwährend, was wahrscheinlich an Schwankungen im Sonnenwind und Ios unterschiedlich starkem Materialauswurf liegt.

Neu war auch die Konstellation von nicht weniger als 16 bislang entdeckten Jupitermonden, von denen man annimmt, daß es sich teilweise um Asteroiden handelt, die bei einem nahen Vorbeiflug an Jupiter in dessen Umlaufbahn gezogen wurden. Bemerkenswert waren außerdem die ersten Vorbeiflüge an den zwei Asteroiden Gaspra und Ida, denn nun sah die Welt zum ersten Mal „Nahaufnahmen“ von einigen dieser winzigen Planeten: das erste Bild von Gaspra entstand aus 16.200 km Entfernung, der beleuchtete Teil des Asteroiden war lediglich 16 · 12 km groß.

Galileo entdeckte zudem etwas ganz Überraschendes: es gibt tatsächlich Leben auf der Erde! Die Idee zu einer solchen noch nie durchgeführten Untersuchung ergab sich aus der Frage, wie man überhaupt mit einer Weltraumsonde zuverlässig feststellen könne, ob auf einem Planeten oder Mond wirklich Leben oder sogar intelligentes Leben existiere. Da die Verhältnisse auf der Erde einigermaßen bekannt sind, könnte man also untersuchen, was die hierfür typischen Erscheinungen sind… und die Auswertung der Experimente war erstaunlich:

„Das fundamentalste Prinzip der Lebenssuche auf fremden Planeten lautet: Eine signifikante Abweichung irgendeines Wertes vom thermodynamischen Gleichgewicht ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Anwesenheit von Leben. Hat man ein solches Disequilibrium entdeckt, etwa eine Anreicherung einer bestimmten chemischen Verbindung um viele Zehnerpotenzen gegenüber dem zu erwartenden Wert für das chemische Gleichgewicht, dann müssen alle nichtbiologischen Erklärungen systematisch eliminiert werden.“

In der Erdatmosphäre ergaben die Messungen nicht nur eine um 20 Zehnerpotenzen erhöhte Ozonkonzentration, sondern auch eine sehr hohe Sauerstoff- und Methankonzentration. Das ist schon außergewöhnlich, wenn man bedenkt, daß Methan so schnell zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert, „daß es bei Gleichgewichtsbedingungen kein einziges Methanmolekül in der Erdatmosphäre geben dürfte.“ Methan ist aber um ganze 140 Zehnerpotenzen „zuviel“ da.

Diese Ergebnisse bedeuten im Klartext: alle CO2-Hysteriker und Nullwachstümler sind gegen das Leben, denn in einem „Equilibrium“ gibt es kein Leben mehr. Das Clausiussche „thermodynamische Gleichgewicht“, auf dessen Basis unsere gesamte Thermodynamik aufbaut, ist in der lebendigen Realität nicht existent!

Die Sparmanie der NASA

Leider sieht das Sparprogramm der NASA für die Zukunft nur noch einzelne, sogenannte „projektorientierte“ Missionen vor. Der letzte, größte und teuerste Vertreter der aussterbenden Klasse der Riesensonden ist „Cassini“, der bereits seit Oktober 1997 auf dem langen Weg zum Saturn ist. Am 30. Dezember 2000 wird diese Sonde Jupiter passieren und am 1. Juli 2004 mit einem großen Bremsmanöver in die Umlaufbahn des Saturn eintreten, wo er bis bis ca. Ende 2008 neue Entdeckungen zur Erde senden wird.

Bei so aufregenden Ergebnissen wie denen von Galileo oder den bisherigen anderen Weltraummissionen kann man die fanatische Pfennigfuchserei der Regierungen gar nicht begreifen. Normal und menschlich wäre es genau andersherum: wenn viele neue Fragen aufgeworfen werden, will man nicht nur immer bessere und größere Projekte planen und entwickeln, sondern will eigentlich gerne auch irgendwann selber einmal „nachgucken“. Aber gerade das Thema „bemannte Raumfahrt“ scheint bei der NASA nicht mehr zu existieren, und inzwischen scheint es vielen der jüngeren Generationen bereits entfallen, daß tatsächlich schon einmal Menschen auf dem Mond gewesen sind. Dabei zeugen gerade die faszinierenden Erkundungen Galileos, daß die Menschheit ruhig noch größere und mutigere Schritte in den Weltraum wagen darf und wir eigentlich erst am Beginn eines ganz neuen Zeitalters, des „Weltraumzeitalters“, stehen.


Literaturhinweise

Viele Details über die Entwicklung der Astronomie, insbesondere der Jupiterforschung, sowie eine detaillierte, sehr spannende Beschreibung der Galileo-Mission und viele Bilder finden sich in folgenden Büchern, die auch die Grundlage dieses Artikels bildeten:

  1. Jürgen Hamel: „Geschichte der Astronomie“, Birkhäuser-Verlag Basel 1998.
  2. Daniel Fischer: „Mission Jupiter“, Birkhäuser-Verlag Basel 1998.
  3. Daniel Fischer/Hilmar Duerbeck: „Das Hubble-Universum“, Birkhäuser-Verlag Basel 1998.
  4. Daniel Fischer/Holger Heuseler: „Der Jupiter Crash“, Birkhäuser-Verlag Basel 1998.

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