Die historischen Wurzeln des grünen Faschismus

Dieser Aufsatz von Helga Zepp-LaRouche erschien erstmals vor 25 Jahren in leicht gekürzter Form in der Neuen Solidarität und wenig später in einem Massenpamphlet der Europäischen Arbeiterpartei (EAP).


Wenn sich heute, nur 36 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, ein allgemeines Unbehagen breit macht, daß wir am Rande eines möglichen dritten und damit wahrscheinlich letzten Weltkriegs stehen, daß wir bereits schon mitten in einer neuen Weltwirtschaftskrise stecken, daß unsere Gesellschaft auseinander zu fallen droht, alle Werte sich aufzulösen scheinen und kaum einer die Gefahr eines neuen Faschismus mehr auszuschließen vermag – dann ist es allerhöchste Zeit, einige grundlegende Fragen zu stellen und die Begriffe zu klären.

Am allerdringlichsten ist es, ein für allemal darüber Klarheit zu schaffen, was Faschismus eigentlich ist, aus welchen Elementen er sich zusammensetzt und wer seine Träger waren und sind. Dabei ist es notwendig, mit der Unterstellung z. B. unzähliger anglo-amerikanischer Filme aufzuräumen, daß Faschismus oder Nationalismus ein ausschließliches Problem der Deutschen sei. Es sollen auch linguistische Spitzfindigkeiten zurückgewiesen werden, denen zufolge der Begriff „faschistisch“ auf den Nationalsozialismus gar nicht zutreffe, sondern Entwicklungen in Italien oder Spanien beschreibe, usw. Denn solche Spitzfindigkeiten sind nur akademische Rationalisierungen, wenn es darum geht, die Gefahr des Faschismus heute überall, wo er auftritt, zu bekämpfen.

Ebenso wie es eine geistige Vorgeschichte des Faschismus gibt, gibt es eine geistige Nachgeschichte. Der Nationalsozialismus in Deutschland und der Holocaust gegenüber Juden, Slawen, Zigeunern, Kommunisten und Sozialdemokraten war nur eine von vielen Ausdrucksformen des Faschismus, wenn auch bis zum damaligen Zeitpunkt die grauenhafteste und barbarischste. Aber von diesem Standpunkt betrachtet war das Pol-Pot-Regime sehr wohl faschistisch, das immerhin innerhalb von drei Jahren drei Millionen Menschen und damit beinahe die Hälfte der eigenen Bevölkerung ermordet hat. Und ganz genauso faschistisch ist das Regime Khomeinis, das selbst vor Massenmord an Kindern nicht halt macht und das nach dem alten Nazi-Prinzip „alles ist erlaubt“ eine Terrorherrschaft gegen die eigene Bevölkerung ausübt.

„Unsere Hoffnung liegt in den jungen Leuten, die an Temperaturerhöhung leiden, weil in ihnen der grüne Eiter des Ekels frißt…“ (Ernst Jünger: Das abenteuerliche Herz, 1929)

Eine ideengeschichtlich fundierte Begriffserklärung ist auch deshalb nötig, weil sich immer häufiger Personen und Organisationen, die das genaue Gegenteil von faschistischen Ideen vertreten, von Anhängern wirklich faschistischer Bewegungen beschimpfen lassen müssen, sie seien „faschistisch“ oder „Neonazis“((Eine solche Verleumdung wurde z. B. von mehreren, meist linken Presseorganen gegen den früheren Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, kurz vor dessen Ermordung durch die Baader-Meinhof-Bande erhoben, nur weil er sich explizit für den Ausbau der Kernenergie ausgesprochen hatte. Der deutsch-amerikanische Raumfahrtwissenschaftler Dr. Krafft Ehricke, der wesentlich zum Aufbau der NASA beigetragen hat, mußte sich kürzlich auf einer Vortragsreise durch die Bundesrepublik als „Neonazi“ beschimpfen lassen, obwohl er über nichts anderes als die Möglichkeiten der Exploration und Industrialisierung des Weltalls sprach. Verschiedene Verleumdungsartikel und -sendungen, z. B. im Spiegel oder dem Hessischen Rundfunk, behaupteten das gleiche über die Autorin, die Vorsitzende der Europäischen Arbeiterpartei (EAP) ist. In allen diesen Fällen laßt sich unschwer nachweisen, daß es sich dabei um schmutzige Operationen bestimmter Gruppierungen, im Fall der EAP der Drogenlobby, handelt.)), nur weil sie für den Ausbau der Kernenergie oder eine effektive Bekämpfung der Drogenplage eintreten. Es läßt sich historisch einwandfrei beweisen, daß Drogenverherrlichung und Technologie-Feindlichkeit wesentliche Merkmale faschistischer Weltanschauung sind.

Die Schlacht um das Kernkraftswerk Brokdorf 1981.

In einer ersten Annäherung läßt sich sagen, daß der Faschismus und seine Vorläufer durch die folgenden primären Bestandteile charakterisiert waren: 1. malthusianisch oder rassistisch motivierter Völkermord((Siehe die Broschüre Unvereinbar: Club of Rome und Menschenrechte, Campaigner-Verlag Wiesbaden, Okt. 1980.)), 2. faschistische Wirtschaftspolitik((Siehe The Ugly Truth About Milton Friedman, von Lyndon H. LaRouche jr. und David P. Goldman. The New Benjamin Franklin House, New York 1980.)), 3. eine faschistische Massenbewegung und 4. eine faschistische Elite, die diese Massenbewegung kontrolliert, ohne daß es dieser bewußt sein muß.

Diese faschistische Elite, die sich auch gern „konservative Intelligenz“ nennt, wobei sie das Wort „konservativ“ allerdings in einem ganz besonderen Sinn versteht, schaut hochnäsig auf die verschiedenen von ihnen selbst ins Leben gerufenen Bewegungen herab, mit derselben Arroganz, wie diese Kreise damals auf „den österreichischen Gefreiten“ herabsahen. Auch wenn sie die faschistischen Massen brauchen, um ihre Politik durchsetzen zu können, so ist ihnen als Elitisten die Vorstellung der Massen ein Graus. Man läßt sich nicht allzugern mit diesen Bewegungen in Verbindung bringen, so wie man nicht gern mit etwas „peinlichen entfernten Verwandten“ gesehen werden möchte, aber die Familienbande lassen sich nicht wegleugnen.

Man braucht nur die Schriften von solchen Vertretern der „konservativen Intelligenz“ zu lesen, um verblümt festzustellen, wie offen sie über ihren Gegner und ihre Absichten schreiben. Ihr Gegner, den sie um jeden Preis vernichten wollen, ist das Christentum und seine Säkularisationsformen, Entwicklungskonzeptionen aller Art, die Idee der Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen, die Idee des Fortschritts überhaupt. Sie sagen offen, wie Dr. Steven Mumford kürzlich in der amerikanischen Zeitschrift Humanist Magazine, daß die katholische Kirche zerschlagen werden müsse, um die geplante Bevölkerungsreduktion durchfuhren zu können. Oder sie geben, wie Mitglieder des „Club of Rome“, öffentlich zu, daß sie es waren, die die grüne Bewegung in die Welt gesetzt haben. Man tut gut daran, diese Geständnisse ernst zu nehmen.

Alte Ideen in neuem Gewand

Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise droht, was die strukturellen Probleme in den Industrienationen betrifft, in ihren Ausmaßen weit schlimmer zu werden als die der dreißiger Jahre, aber die Entwicklungsländer werden in einem noch beispielloseren Ausmaß betroffen werden. Wirtschaftsfachleute schließen nicht aus, daß es schon in diesem Winter zu einem großen Krach kommt.

Es gibt oligarchische Kreise in London und in New York, die recht offen darüber diskutieren, daß man wieder einen neuen Hitler braucht, vielleicht einen ohne die Persönlichkeitsfehler dieses Adolf, aber doch einen, der dieselbe Politik durchsetzt. In Italien schreibt die Presse unverhohlen, daß Sozialistenchef Craxi einen sehr guten neuen Mussolini abgeben würde.

Nun ist die Bedeutung von charismatischen Führerpersonen in der Faschismusdiskussion meist weit überschätzt worden – dies um so mehr heute, wo gerade in der Fernsehgesellschaft USA bewiesen worden ist, daß „charismatische Führer“ völlig synthetisch im Dutzend und aus Plastik hergestellt werden können. Auf diese Weise ist es einem nichtssagenden, unbedarften Bauern gelungen, US-Präsident zu werden. Dank der Medien waren die Wähler zumindest während des Wahlkampfes 1976 überzeugt, das Grinsen Carters sei das charismatischste, was sie seit Marilyn Monroe erlebt hätten.

Friedrich Nietzsche

Für die Entstehung des Nationalsozialismus wie des Faschismus überhaupt waren und sind Programme und Ideologien sehr viel entscheidender. Wenn unsere Richter nicht nur im Recht, sondern auch in Wirtschaftstheorie, Geschichte und Philosophie besser geschult wären – von Energietechnologie ganz zu schweigen – dann hätten sie längst nicht nur direkte Nazipropaganda auf den Index gesetzt, sondern auch viele Schriften, die dieselben Grundideen enthalten, sie aber auch auf etwas anders geartete Zusammenhänge anwenden und eine andere Diktion benutzen. Wenn man jene Schriften auswählen wollte, die den größten Einfluß auf den Nationalsozialismus ausgeübt haben, so müßte man sicher die folgenden nennen: Der Wille zur Macht von Nietzsche, Der Untergang des Abendlandes von Spengler, Das Dritte Reich von Moeller van den Bruck, Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts von H. S. Chamberlain, Der Mythos des 20. Jahrhunderts von Rosenberg und natürlich Mein Kampf, das keineswegs das meistgelesene Buch war.

Was für den Nationalsozialismus diese Schriften waren, das sind für die heutige Gefahr eines neuen Faschismus Bücher wie Die Grenzen des Wachstums des Club of Rome, Global 2000, Global Futures oder der US-Bestseller Die Verschwörung des Wassermanns. Solche kulturpessimistischen Katastrophentheorien und Mythologien dienen heute wie damals als geistige Rechtfertigung für die Unterlassung von Schritten, die die Katastrophe abwenden könnten. Daß die vorgebrachten „Theorien“ von einem wissenschaftlichen Standpunkt samt und sonders Quacksalberei sind und einem primitiven malthusianisch-darwinistisch-nominalistischen Weltbild entstammen, ist für die Anhänger dieser Ideologie kein durchschlagendes Argument: Es ist ja gerade die Welt der Vernunft und der Wissenschaftlichkeit, die mit Irrationalität bekämpft werden soll. In diesem sinne ist die „grüne Bewegung“ eine faschistische Bewegung. Die absolute Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, auch wenn sich diese in der Mehrheit befinden, die Betonung des „gesunden Volksempfindens“, die mystische Verehrung der Natur, die romantische Weltflucht bis zum vorindustriellen Leben auf der Ökofarm, die Verherrlichung eines übersteigerten rauschhaften Lebensgefühls, der dionysische Charakter der Rock- und Drogenkultur – dies alles sind ganz typische Merkmale einer faschistischen Massenbewegung.

Sicher ist nicht jeder „Grüne“ schon ein hartgesottener bewußter Faschist, aber potentiell tendiert er in diese Richtung, und unter Bedingungen zunehmender wirtschaftlicher Krisen schreitet das Unglück schnell. Punks tragen ganz unverhohlen Hakenkreuze, und der radikalisierteste Teil der „grünen“ Bewegung hat längst zu SA-Methoden gegriffen. Davon sprechen die Straßenschlachten in vielen deutschen Städten, die Gewalttaten und Anschläge gegen Befürworter des technologischen Fortschritts und die Terrormethoden, mit denen politische Veranstaltungen Andersdenkender gesprengt werden, traurige Bände. Auch vor dem politischen Mord, einer alten Spezialität der Nazis, schrecken Teile dieser Bewegung nicht zurück, wie die Morde an Ponto, Schleyer, Buback oder Karry beweisen. Das alles findet in einem geistigen Klima statt, das zunehmend von Irrationalität gekennzeichnet ist, voll unterstützt von den Nachrichtenmedien und der Filmindustrie. Die Kultfilme eines Fritz Lang haben ihre Entsprechung in einer Unzahl moderner Kultfilme wie Clockwork Orange, The Shining oder New York 1990. Und die Tatsache, daß sich Hunderte protestantische Pfarrer an die Spitze dieser Bewegung gestellt haben, ruft auch ungute Erinnerungen an die Nazipfarrerbünde wach. Woher das alles kommt? Die deutsche Bevölkerung muß dringend ihre geistige Blockierung vor der Geschichte überwinden und die letzten zweihundert Jahre Geschichte analytisch untersuchen, wenn das Unheil abgewendet werden soll.

Von der „romantischen“ Bewegung zu den Grünen

Vom Standpunkt der oligarchischen Elite war der Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert mit Katastrophen übersät, die ihnen soviel Alpträume verursachten, daß einige von ihnen buchstäblich darüber den Verstand verloren, wie zum Beispiel Georg III. oder Friedrich Wilhelm IV. Was die Republikaner und Humanisten als Hoffnung auf den Anbruch des Zeitalters der Vernunft begrüßten, erschien den Oligarchen als die unerträgliche Gefahr eines Machtverlusts.

Der Erfolg der Amerikanischen Revolution, den die englische Nobilität bis heute nicht verwunden hat, die Ausbreitung derselben Ideen in Europa und in der Anfangsphase der Französischen Revolution, die weite Verbreitung humanistischer Gedanken in der deutschen Bevölkerung durch die Weimarer Klassik und die im Verlaufe des 19. Jahrhunderts immer deutlicher werdenden Auswirkungen der industriellen Revolution auf das Bewußtsein breiter Bevölkerungsschichten in vielen Ländern, das alles trieb diese Kreise zur Verzweiflung.((Eine interessante psychologische Einsicht in den Gemütszustand oligarchischer Kreise vermittelt die 1798 erschienene Schrift von Robert Thomas Malthus, Das Bevölkerungsgesetz.))

Armin Mohler, der gegenwärtige Chef der Siemensstiftung in München, beschreibt in seinem Buch Die konservative Revolution((Armin Mohler, Die konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch. Zweite völlig neu bearbeitete und erweiterte Fassung 1972, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.)), daß diese Kreise, die Träger dieser „konservativen Revolution“, eine in Deutschland und fast allen europäischen Ländern wirkende Strömung sei, die alle Lebensbereiche beeinflußt habe. Mohler, der selbst diesem Lager zuzurechnen ist, beschreibt mit der Einsicht des Engagierten, daß in dieser Zeit jene Welt zum Siege gekommen sei, die der konservativen Revolution als der eigentliche Gegner erschien.

„Wir möchten sie (diese Welt) vorläufig als eine Welt umschreiben, die das Unveränderliche im Menschen nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern glaubt, das Wesen des Menschen verändern zu können. Sie proklamiert deshalb die Möglichkeit eines stufenweisen Fortschritts, hält alle Dinge, Beziehungen und Geschehnisse für verstandesmäßig durchschaubar und versucht jeden Gegenstand zu vereinzeln und allein aus ihm selbst zu begreifen.“((Ebenda, S. 11.))

Mohler, und das ist typisch für Vertreter dieser Kreise, versteht die vernunftbegründete wissenschaftliche Methode natürlich nicht wirklich, sondern nur von unten und phänomenologisch, aber immerhin spricht er hier mit erstaunlicher Offenheit. Der optimistische Fortschrittsglaube des 19. Jahrhundert sei es, wogegen sich diese rechte Opposition richte, später dann gegen den Geist der Gründerjahre und gegen jenes „sprunghafte Anwachsen der wirtschaftlichen und militärischen Kraft Deutschlands“.

Keine andere Figur hat für das ideologische Zustandekommen des Faschismus eine so große Rolle gespielt wie Friedrich Nietzsche. Auch Mohler sagt, alles, was später in Deutschland geschehen sei, müsse von Nietzsche her begriffen werden. Aber auch hier lohnt es sich wieder zu untersuchen, aus welcher Tradition Nietzsche selbst kommt.

Als Gegenkultur gegen die klassisch-humanistische Kultur arbeitete schon während der Weimarer Klassik die romantische Bewegung. Einige der führenden Romantiker muß man durchaus als Hofideologen der Oligarchie bezeichnen. Die Romantik war gekennzeichnet durch eine emotionale Verschiebung und Übersteigerung aller Lebensbegriffe, die Betonung der „natürlichen Instinkte“ gegenüber der Vernunft, eine mystische Faszination mit dem Mittelalter im Gegensatz zu klassischen und Renaissanceperioden und einer entrückten Weltflucht. Der Satz von Novalis: „Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt“, ist typisch für den Realitätsverlust.

Es war das, was Heinrich Heine, der in diesem Punkt der klarste Denker seiner Zeit war, das „ekelhafte Gemisch von gotischem Wahn und modernem Lug“ in der „Romantischen Schule“ nannte. Dieses „ekelhafte Gemisch“ spukte durch die Jugendbewegung, fand einen grausigen Höhepunkt bei den Nazis und ist jetzt wieder lebendig in der „grünen“ Bewegung.

Oswald Spengler gilt als einer der führenden „konservativen Revolutinäre“.

Die Kreise, die wir der Einfachheit halber von jetzt an „konservative Revolution“ nennen wollen, förderten die Romantik in derselben Weise und aus denselben Gründen wie diejenigen, die, wie Gräfin Marion Dönhoff, die „Grünen“ seit rund elf Jahren systematisch bemuttern. Man mußte jede realistische Weltvorstellung zerstören, jede vernunftmäßige Betrachtung des eigenen Volkes und fremder Völker vernichten, um die Jugend als Rammbock gegen den technologischen Fortschritt einsetzen zu können. Die in der Romantik eingepflanzte Todessehnsucht kam den Nazis später gerade recht, um den Heldentod zu verherrlichen und selbst Kinder in den totalen Krieg zu schicken. Mit der Sehnsucht nach dem eigenen Tod wächst nur leider auch die Nichtachtung fremden Lebens, daran hat sich seit der romantischen Bewegung, die das Rekrutierungsfeld für Mazzinis anarchistische Banden schuf, über die Nazis bis zur „grünen“ Bewegung nichts geändert, was Slogans wie „Gestern Karry-Wurst, morgen Grieß-Brei“ verdeutlichen.

Wichtigstes Zwischenglied in der geistigen Vorgeschichte des Faschismus zwischen Romantik und Nietzsche war Schopenhauer, selber ein Philosoph der Romantik, der zudem in enger geistiger Verwandtschaft zu den britischen Nominalisten Hobbes und Locke stand und deren bestialische Konzeption des Menschen teilte. Schopenhauer, auch darin ein früher Ziehvater der „Grünen“, betonte die Unfähigkeit der Vernunft, das wirkliche Wesen der Dinge zu erkennen. Er banalisierte die Vernunft als bloßes Vehikel, mit dessen Hilfe die durch den Willen gesetzten Ziele erreicht werden könnten, etwa im Sinne von alten Tanten, die einen ermahnen: „Nun sei doch vernünftig!“ Bei Schopenhauer liegen auch die Wurzeln für das Leugnen eines Sinns des Lebens durch die modernen Existenzphilosophen, für ihn ist das Leben nicht grundsätzlich bejahenswert. In der Folgezeit schwoll dieser Gedanke mächtig an und trug nicht wenig Schuld am Zustandekommen des Völkermords durch die Nazis.

Schopenhauers Askesebegriff erinnert im übrigen an die masochistische „Entsagung“ unserer heutigen Grünen, die es vorziehen, Körner zu essen und mit Kohleöfen zu heizen (und damit die Umwelt verschmutzen). Schopenhauer ist der erste, der Pessimismus zum System machte, aber dieser Pessimismus ist irrationalistisch und amoralisch. Da es angeblich keinen Fortschritt in der Möglichkeit vernünftigen Erkennens und Handelns gibt und er gleichermaßen die platonische oder christliche Tugendlehre heruntermacht, entfällt die Notwendigkeit des eigenen moralischen Handelns.

Nietzsche: Stammvater der Gegenkultur

Man muß Mohler zustimmen, daß alles, was später in Deutschland geschah, von Nietzsche her begriffen werden muß. Nur ist er sicher nicht der „große Richter der Zeit“((Ebenda, S. 28.)), wie Mohler ihn bewundernd nennt und den er als „geistesgeschichtliche Gründerfigur“ bezeichnet, die „groß“ über der „konservativen Revolution“ stünde. Wenn man Nietzsches Bücher liest, kommt einem allerdings eher der Verdacht, daß der Wahnsinn, der ihn angeblich später wahrscheinlich im letzten Stadium einer Syphiliserkrankung überkommen haben soll, ihn bereits sein ganzes Leben lang im Griff hatte.

Nietzsche, dessen Lieblingsphilosoph Schopenhauer war, haßte den Humanismus in all seinen Erscheinungsformen in einer geradezu pathologischen Weise, gleich ob es sich um Plato, Schiller oder Beethoven handelte. Er war der hervorragendste Repräsentant einer Denkrichtung, die sich um die Auflösung des wissenschaftlichen Denkens bemühte, nachdem gerade durch die Brüder Humboldt glanzvoll die Einheit von Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft demonstriert worden war.

Es ist schon nicht mehr überraschend, wenn das Duo Johano Strasser und Klaus Traube in ihrem Buch Ökologie und Ökonomie die Auffassung vertreten, daß die „progressive“, linksökologische Bewegung nicht nur die Romantik rehabilitieren, sondern eine klare Gegenposition zu den „drei großen Revolutionen“ des Fortschrittsprinzips beziehen müsse. Diese seien erstens die griechisch-christliche Geistesrevolution, zweitens die Renaissance und drittens die industrielle Revolution.

Nietzsche ging bis zur vollständigen Verneinung der wissenschaftlichen und humanistischen Erklärung der Einheit der menschlichen Entwicklung, und war damit Vorläufer von Spengler, Rosenberg und der „grünen Ideologen“. So kam er zur „biologischen Weltanschauung“, die nur noch mit mystischen Begriffen wie „Blut und Boden“, „Rasse“ und „Symbol“ um sich warf. Eine solche „biologische Weltanschauung“ liegt denn auch folgerichtig dem heutigen ins Gegenteil verkehrten „Umweltschutz“ in dem Begriff „Ökologie“, „Bioethik“ usw. zugrunde. Nietzsche ist insofern ein Wendepunkt, als er mit seiner Antimoral Hemmungen abbauen half, eben bis zum berühmten „Alles ist erlaubt“ der Nazis oder bis zu der Überzeugung des gewalttätigen Teils der „Grünen“, daß alles erlaubt sei, um den eigenen irrationalen Willen gegenüber der Mehrheit durchzusetzen.

Das, was später als Weltanschauung der Nazis so verabscheuungswürdig vorgeführt wurde, liest sich bei Nietzsche so:

„Ist Pessimismus notwendig das Zeichen des Niedergangs, Verfalls, Mißratenseins, der ermüdeten und geschwächten Instinkte? … Gibt es einen Pessimismus der Stärke? Eine intellektuelle Vorneigung für das Harte, Schauerliche, Böse, Problematische des Daseins aus Wohlsein, aus überströmender Gesundheit, aus Fülle des Daseins? Gibt es vielleicht ein Leiden an der Überfülle selbst? Eine versucherische Tapferkeit des schärfsten Blicks, die nach dem Furchtbaren verlangt, als nach dem Feinde, dem würdigen Feinde, an dem sie ihre Kraft erproben kann?“((Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, aus dem Vorwort „Versuch einer Selbstkritik“.))

Ideengeschichtlich weisen diese Vorstellungen direkt zu Spengler, den Nazis, und tauchen dann bei der von Heidegger in Gang gesetzten Existenzphilosophie wieder auf.

Die Punker, erschreckende Opfer der oligarchischen Elite: Kinder noch, aber geistig schon tot.

Für Nietzsche war die wissenschaftliche Fragestellung, die er korrekt auf Sokrates zurückführte, der Erzfeind jeder Kultur. Um diesen „sokratischen Geist“ zu erschüttern, machte er sich sofort daran, die Geschichte, so wie sie von Schiller, Humboldt und anderen Humanisten beschrieben worden war, umzuschreiben und das klassische Altertum umzudeuten.

Er stellt dem „Sokratischen“ das „Dionysische“ gegenüber und betont dann gerade die Phasen in der Geschichte, in denen die Irrationalität in organisierter Form den Aufstand probe. Dieses Dionysische, sagt er, könne der Mensch noch am ehesten durch die Analogie des Rausches begreifen.

„Entweder durch den Einfluß des narkotischen Getränkes, von dem alle ursprünglichen Menschen und Völker in Hymnen sprechen, oder bei dem gewaltigen, die ganze Natur lustvoll durchdringenden Nahen des Frühlings erwachsen jene dionysischen Regungen, in deren Steigerung das Subjektive zu völliger Selbstvergessenheit hinschwindet. Auch im deutschen Mittelalter wälzten sich unter der gleichen dionysischen Gewalt immer wachsende Scharen, singend und tanzend, von Ort zu Ort: In diesen St.-Johann- und St.-Veittänzern erkennen wir die bacchischen Chöre der Griechen wieder, mit ihrer Vorgeschichte in Kleinasien, bis hin zu Babylon, und den orgiastischen Sakäen.“((Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie.))

Und nicht ganz ohne Selbstreflexion fügt er hinzu:

„Es gibt Menschen, die, aus Mangel an Erfahrung oder aus Stumpfsinn, sich von solchen Erscheinungen wie von Volkskrankheiten spöttisch oder bedauernd im Gefühl der eigenen Gesundheit abwenden; die Armen ahnen freilich nicht, wie leichtfarbig und gespenstisch eben diese ihre Gesundheit sich ausnimmt, wenn an ihnen das glühende Leben dionysischer Schwärmer vorüberbraust.“((Ebenda.))

So leichtfarbig und gespenstisch mögen sich wohl die antifaschistischen Menschen in Deutschland gefühlt haben, als die Nazis sich durch die Straßen wälzten und den dionysischen Rausch vorexerzierten, für den der Berliner Sportpalast für immer einen schandvollen Namen bekommen hat. Und ein solches gespenstisches Gefühl mochte sich wohl auch einstellen, als vor kurzem hunderttausend Startbahngegner bannerschwenkend und bei Trommelwirbel durch Wiesbaden zogen. Und Mohler schreibt wissend:

„Das volkstümliche Bild des Nihilisten (der aus Nietzsches Denken hervorgegangen ist, Anm. d. Autorin) zeigt ihn in einer Horde eingereiht, die unter rhythmischem Gesang eine gefügte Welt in Scherben trampelt.“((Armin Mohler, op. cit S. 96.))

Es ist wohl eines der wichtigsten Charakteristika des Faschismus, daß in ihm Irrationalität in organisierter, oft paramilitärischer oder militärischer Form vorkommt. Ein einzelner irrationaler Mensch ist noch nicht per se ein Faschist, sondern geht höchstens seinen Mitmenschen auf die Nerven. Irrationalität in organisierter Form oder als Haufen gehört aber sehr wohl in die Vor- oder Nachgeschichte des Faschismus, vor allem dann, wenn er Andersdenkenden durch Gewalt und Terror aufgezwungen werden soll.

Die „Steigerung des Subjektiven zu völliger Selbstvergessenheit“ ist leider ebenfalls ein Phänomen, das keineswegs ausgestorben ist, sondern in Discos in rhythmischen Verrenkungen, die Veitstänzen nicht unähnlich sind, und in Drogenorgien exerziert wird. Diese „Steigerung zur Selbstvergessenheit“, ist leider heute die Ideologie der Rock- und Drogengegenkultur, der ein Großteil der Jugend in vielen Ländern anhängt.

Bei Nietzsche heißt es dann weiter:

„Unter dem Zauber des Dionysischen schließt sich nicht nur der Bund zwischen Mensch und Mensch wieder zusammen: auch die entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur feiert wieder ihr Versöhnungsfest mit ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen. Freiwillig beut die Erde ihre Gaben (haben die Anthroposophen und Ökobauern bei Nietzsche abgeschrieben?) und friedfertig nahen die Raubtiere den Felsen und der Wüste. Mit Blumen und Kränzen ist der Wagen des Dionysos überschüttet, unter seinem Joche schreiten Panther und Tiger.“((Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie.)) (Nun weiß man endlich, warum die Friedensbewegung den Krieg verhindern kann! Anm. d. A.)

„Man verwandele das Beethovensche Jubellied der Freude in ein Gemälde und bleibe mit seiner Einbildungskraft nicht zurück, wenn die Millionen schauervoll in den Staub sinken. (Schrieb Nietzsche unter Drogeneinfluß?) Jetzt ist der Sklave ein freier Mann, jetzt zerbrechen alle die starren, feindseligen Abgrenzungen, die Not, Willkür oder ,freche Mode’ zwischen den Menschen festgesetzt haben. Jetzt, bei dem Evangelium der Weltenharmonie fühlt sich jeder mit seinem Nächsten nicht nur vereinigt, versöhnt, verschmolzen, sondern eins, als ob der Schleier der Maja zerrissen wäre und nur noch in Fetzen von dem geheimnisvollen Ur-Einen herumflattere. Singend und tanzend äußert sich der Mensch als Mitglied einer höheren Gemeinsamkeit: er hat das Gehen und Sprechen verlernt und ist auf dem Wege, tanzend in die Lüfte emporzufliegen…“((Ebenda.))

Dieses Einswerden mit dem Anderen ist die Sehnsucht, die die Anhänger der heutigen Jugendbewegung befallen hat, diese mystische Überwindung des Trennenden. Und es gibt leider keinen Zweifel, daß dieses Teilhaben an einer „höheren Gemeinschaft“ nicht nur der Leim war, der die Nazis zum gemeinsamen Rausch des „Ein Volk, Ein Reich, Ein Führer“ verband, sondern auch das exakte Lebensgefühl beschreibt, das die Anhänger der „Verschwörung des Wassermanns“ in dem von Marilyn Ferguson so betitelten Buch verbindet.((Marilyn Ferguson, The Aquarian Conspiracy. Personal and Social Transformations in the 1980s. J. P. Tarcher, Inc., Los Angeles.))

Diese Entselbstung in einer höheren Gemeinschaft steht natürlich in schroffem Gegensatz zum humanistischen Bildungsideal der deutschen Klassik und Wilhelm von Humboldts, das die Erziehung zur Vernunft sowie die Bildung des Charakters und der Persönlichkeit des Individuums unterstreicht. Nietzsche attackiert folgerichtig die Idee des humanistischen Gymnasiums und die historische Erziehung. Einer der geistigen Schüler Nietzsches, der einstige führende OECD-Mitarbeiter und Gründungsmitglied des „Club of Rome“, Alexander King, ist der Hauptverantwortliche dafür, daß mit den sog. „Erziehungsreformen“ in allen OECD-Ländern die humanistische Bildungsidee abgeschafft wurde. Das Resultat davon ist eben diese Jugendbewegung, die wir heute sehen.

Nietzsche verabscheute den Staat (wie die „Grünen“ heute) als Träger und Vermittler von Bildung. Er ist der Vorläufer der völkischen Idee oder des gesunden Volksempfindens, von dem die „Grünen“ wieder soviel sprechen; er haßte die Rationalität, die mit dem heraufkommenden Industriezeitalter verbunden war.

Unsere Gesellschaft heute hat darunter zu leiden, daß es eindeutige Werte nicht mehr zu geben scheint; und die Wurzel dafür wird klar, wenn man bei Nietzsche liest:

„Kann man nicht alle Werte umdrehen? Und ist Gut vielleicht Böse? Und Gott nur eine Erfindung und Feinheit des Teufels? Ist alles vielleicht im letzten Grunde falsch? Und wenn wir Betroffene sind, sind wir ebendadurch auch Betrüger? Müssen wir nicht auch Betrüger sein?“((Friedrich Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches.))

Wenn man heute mit „Grünen“ über Kernenergie diskutiert oder über die Wege, den Frieden zu erhalten, muß man Nietzsche zugestehen, daß ihm zumindest bei dieser Gruppe die Umdrehung aller Werte gelungen ist.

Seine Erklärung, warum Menschen handeln, ist nicht originell; es ist dasselbe hedonistische, amoralische Prinzip eines Jeremy Bentham oder David Hume, daß menschliches Handeln nur durch die Aussicht auf Lust oder Vermeidung von Unlust motiviert sei. Es gebe nur Lust oder Schmerz, aber nicht Gut und Böse. Peter Bruckner oder das Sigmund-Freud-Institut argumentieren da ähnlich.

Nietzsches Konzept von der „ewigen Wiederkunft des Gleichen“, in dem das Individuum nur eine „Welle“ sei, führt später zur Rechtfertigung des Terrorismus:

„Die extremste Form des Nihilismus wäre die Einsicht, daß jeder Glaube, jedes Fürwahrhalten notwendig falsch ist: weil es eine wahre Welt gar nicht gibt. Also: ein perspektivischer Schein… Denken wir diesen Gedanken in seiner furchtbarsten Form: das Dasein, so wie es ist, ohne Sinn und Ziel, aber unvermeidlich wiederkehrend, ohne ein Finale ins Nichts, die ewige Wiederkehr. Das ist die extreme Form des Nihilismus: das Nichts (das ,Sinnlose`) ewig!“((Friedrich Nietzsche, 1887.))

Einer der Schreiberlinge, der von Nietzsche beeinflußt wurde und der beträchtlich zur geistigen Zersetzung der Weimarer Republik beigetragen hat, war Hermann Hesse und sein Buch Der Steppenwolf, das im übrigen bei der heutigen Jugendbewegung in der Bundesrepublik und in den USA wieder sehr populär ist. Es wurde 1926 geschrieben und beabsichtigte offensichtlich die Verführung von orientierungslosen Jugendlichen zu Prostitution, Homosexuellentum, Sexorgien, Drogenkonsum von Haschisch bis zu LSD und zum Terrorismus gegen die Welt der Maschinen und gegen die bürgerliche Weltordnung überhaupt.

Die erzählte Geschichte eskaliert langsam von der Beschreibung des Nietzscheschen Weltschmerzes, der schizophrenen Spaltung der Hauptperson Haller in eine menschliche Hälfte und eine Wolfsidentität, über Sex- und Drogenorgien bis zum sinnlosen Mord. „Wenn der Wolf herauskommt“, schreibt Hesse, passiert folgendes:

„Es brennt alsdann in mir eine wilde Begierde nach starken Gefühlen, nach Sensationen, eine Wut auf dieses Abgetönte, Flache, Normierte und sterilisierte Leben und eine rasende Wut, irgend etwas kaputt zu schlagen, etwa ein Warenhaus oder eine Kathedrale oder mich selbst, verwegene Dummheiten zu begehen… Ein kleines Mädchen zu verführen oder einigen Vertretern der bürgerlichen Weltordnung das Gesicht ins Genick zu drehen.“((Hermann Hesse, Der Steppenwolf, Bibliothek Suhrkamp, Band 226, 1969, S. 31))

Hesse äußert den Verdacht (wie heute Peccei), daß vielleicht das ganze menschliche Leben nur ein arger Irrtum sei, eine heftige und mißglückte Fehlgeburt der Urmutter, ein wilder und grausiger fehlgeschlagener Versuch der Natur.

Der ebenfalls den Sinn des Seins leugnende Sartre war nicht ohne Zusammenhang mit seiner Theorie ein Sympathisant der Baader-Meinhof-Bande und besuchte Baader sogar im Gefängnis. Wohin der Sinnverlust führen kann, verdeutlichen vielleicht am erschreckendsten die Punks, im Grunde die bedauernswertesten Opfer der oligarchischen Elite, Kinder noch, aber geistig schon tot und mit Lebensgewohnheiten, die man eigentlich gar nicht bestialisch nennen kann, weil kein normales Tier sich so verhält.

Genauso wie heute die faschistische Internationale glaubt, die moralische Autorität der katholischen Kirche ausschalten zu müssen, um ihre Völkermordpolitik durchsetzen zu können, und dabei bis zu Mordanschlägen gegen den Papst geht, so wußte der Faschist Nietzsche, daß das Christentum und die Idee der Teilhabe des Menschen am Göttlichen sein größtes Problem darstellten. So stellte er die Behauptung auf, die seinen Größenwahnsinn auf das lächerlichste demonstrierte, nämlich daß Gott tot sei. Und nun kann er sagen, was die „Grünen“ später freuen sollte.

„Einst war der Frevel an Gott der größte Frevel, aber Gott starb, und damit starben auch diese Frevelhaften. An der Erde zu freveln, ist jetzt das Furchtbarste und die Eingeweide des Unerforschlichen höher zu achten als den Sinn der Erde!“((Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra.))

Wer könnte zweifeln, daß die militanten Startbahngegner den Frevel an einem Baum höher einstufen als den Frevel an einem Menschen?

Nietzsches Wirkungsgeschichte muß auf zwei Ebenen untersucht werden, der dionysischen, die die völkischen Bewegungen und Jugendbewegungen, die „Massen im Rausch“ umfaßt, und zweitens der apollinischen, d. h. der sogenannten Elitefiguren der konservativen Revolution. Es besteht kein Zweifel, daß Nietzsches Begriff des „Übermenschen“ nicht nur den „Herrenmenschen“ der Nazis begründete, sondern auch trotz kleiner Unterschiede den Elite-Gedanken bei Chamberlain, Spengler, George und den Gebrüdern Jünger prägte. Wer war diese Elite, die diesen Namen natürlich im extrem negativen Sinn verdient, und welche Rolle spielt sie heute?

Die faschistische Internationale

Obwohl jeder, der die sprichwörtlichen „Korridore der Macht“ kennt, weiß, daß im Politischen eben kaum etwas ohne Absprache über gemeinsame Absichten, Pläne und Methoden geschieht, und obgleich es auch selbstverständlich ist, daß bestimmte Personen größeren Einfluß haben als andere, so hebt doch oft ein großes Geschrei an, sobald man darauf hinweist, daß es „Drahtzieher“ hinter gewissen Ereignissen gibt. Nur weil die Nazis den rassistischen Popanz einer jüdischen „Weltverschwörung“ in Szene setzten, kann nicht generell abgelehnt werden, daß es Verschwörungen gibt. Ja, man kann sogar soweit gehen, daß nichts Wesentliches geschieht, im Guten wie im Bösen, ohne daß eine Verschwörung dahinter stünde, das heißt, ein Plan zweckgerichtet ausgeführt wird.

Dabei braucht man gar keine wackligen Hypothesen aufzustellen. Die oligarchische Elite ist zuweilen so arrogant, diese Verschwörungen selbst zu beschreiben. So schrieb der Jesuit Carroll Quigley in seinem Buch Tragedy and Hope, in der er erstaunlich viel akkurates Material über die finsteren Absichten monetaristischer oligarchischer Kreise aufdeckt, solche Veröffentlichungen könnten ihren Zielen kaum schaden, da diese Fraktion die Macht schon so weitgehend übernommen habe, daß jeder Widerstand gegen sie sowieso sinnlos sei. Marilyn Ferguson in The Aquarian Conspiracy drückt sich ganz genauso aus, bzw. zuvor schon H. G. Wells, wenn er von „offener Verschwörung“ spricht.

Eines der bemerkenswertesten Bücher in dieser Hinsicht ist das schon zitierte Buch von Armin Mohler, Die Konservative Revolution. Nicht nur, weil in ihm die Unverfrorenheit zum Ausdruck kommt, schon 1950 faschistisches Gedankengut „reinzuwaschen“, sondern vor allem deshalb, weil es einiges Licht auf die Geschäftspolitik der Firma Siemens wirft. Wenn man in Rechnung stellt, daß Peter von Siemens dem Anthroposophentum anhängt und Armin Mohler als Chef der Siemensstiftung ein Verkünder der „konservativen Revolution“ ist, dann wundert es nicht mehr, welch dubiose Rolle die Fa. Siemens gegenüber dem technologischen Fortschritt gerade im Bereich der Kernenergie spielt.

Mohler läßt in diesem Buch, einer leicht veränderten, bei Karl Jaspers 1949 verfaßten Dissertation, keinen Zweifel daran, wovon er spricht: „konservative Revolution“ sei ein Synonym für das, was allgemein als faschistisch bezeichnet werde.((Armin Mohler, op. cit., S. 10))

Die konservative Revolution, das sind laut Mohler kleine, geistig lebendige Kreise, hochexplosive Sekten und im Hintergrund bleibende, lose Elite-Zusammenschlüsse. Die Verachtung gegenüber den „Massen“ versucht Mohler nicht zu verbergen:

„Die große Partei hält ihre Massen durch die organisatorische Bindung an eine dem Durchschnitt angepaßte und auf Schlagwörter verengte Doktrin zusammen und bietet für überragende Köpfe nur Raum, sofern sie sich an der Bändigung (!) der Massen beteiligen und ihre geistigen Fähigkeiten einem esoterischen Raum vorbehalten (!). Der Großteil der überdurchschnittlichen Intelligenzen aber sammelt sich in jenen kleinen Kreisen, die in ständiger geistiger Spannung vibrieren, sich im Besitz der allein wahren Lehre glauben und die Massenpartei des realpolitischen ,Verrats an der Idee` bezichtigen.“((Ebenda. S. 4.))

Man durchbricht die babylonische Sprachverwirrung im heutigen politischen Leben, wenn man das Geständnis zahlreicher Vertreter der „konservativen Revolution“ zur Kenntnis nimmt, daß es eigentlich keinen Unterschied gibt zwischen „rechts“ und „links“, wie angeblich so politisch verschiedene Personen wie Mohler, Moeller van den Bruck und Daniel Cohn-Bendit((Der sog. „rote Daniel“ Cohn-Bendit setzte sich im Sommer 1979 für das Demonstrationsrecht der NPD ein und erklärte ausdrücklich, daß rechts und links das gleiche sei. Siehe auch Die grüne Gefahr, hrsg. von der Europäischen Arbeiterpartei, Okt. 1979.)) und Oskar Negt zugeben. Bei ihnen wird der Gegensatz von „Sozialismus“ und ,“Nationalsozialismus“, von „rechts“ und „links“ aufgehoben.

So darf man sich nicht davon täuschen lassen, daß einige „konservative Revolutionäre“ entweder sich vom Dritten Reich distanzierten oder sogar von diesem mißachtet oder verfolgt wurden. Auch wenn ihnen, laut Mohler, Ende der 20er Jahre deutlich wurde, daß ein erfolgreicher Nationalsozialismus „ihre Ziele ebenso verfälschen würde wie ein erfolgreicher Kommunismus“, so bleiben sie doch die geistigen Ziehväter des Faschismus damals wie heute.

Der Titel „konservative Revolution“ geht zwar auf eine erste Formulierung Hugo von Hoffmannsthals und dann auch auf Moeller van den Bruck zurück, ist aber keineswegs eine spezifische deutsche Sache. Mohler nennt in diesem Zusammenhang u. a. die folgenden Namen: Hans Grimm, Oswald Spengler, Ernst Jünger, G. F. Jünger, Albrecht und Karl Haushofer, Schulze-Boysen, Moeller van den Bruck, Hugo von Hoffmannsthal, Nietzsche, Richard Wagner, Stefan George u. v. a. für Deutschland, aber z. B. Dostojewski und die beiden Axakows für Rußland, Sorel, Barres für Frankreich; Unamuno für Spanien, Pareto, Ebola für Italien; Lawrence, Chesterton für England; Jabotinski für das Judentum; Lothrop Stodart, Madison Grant, James Burnham für die USA.((Zitiert nach Armin Mohler, op. cit.)) Diese „Denker“, die nicht unbedingt selbst oligarchischen Familien entstammten, sind wie ihre modernen Nachfolger Peccei, Forrester, Meadows, Jungk, Gruhl, Gwischiani, Frolow, King etc. gewissermaßen die Hofideologen dieser Familien. Heute sitzen sie vorwiegend in „Denkfabriken“, Stiftungen, oder arbeiten als Kontrolleure für „Bewegungen“ und Terroristen. Sie tun das, was Mohler „Bändigung der Massen“ nennt.

Die Nachsicht, und damit Korrumpierbarkeit, die heute viele Ältere gegenüber den „Grünen“ zeigen, hängt mit der Verharmlosung ihrer eigenen früheren Zugehörigkeit zu der alten Jugendbewegung zusammen. Nun war sicher nicht jeder Wandervogel später ein Faschist, ebenso wie nicht alle „Grünen“ unrettbar sind, aber die alte Jugendbewegung war doch der Durchlauferhitzer für die spätere faschistische Führung. Sie war ganz wie heute ein „Aufstand gegen die Welt der Väter“, gegen „eine Welt des Scheins“ und der „Künstlichkeit der Städte und Fabriken, die alles zu ersticken droht.“

Armin Mohler, früherer Chef der Siemens-Stiftung, versuchte schon 1950 in seinem Buch „Die Konservative Revolution“ faschistisches Gedankengut reinzuwaschen.

Auch die verschiedenen Phasen, Zusammenschlüsse, Spaltungen, Neuformierungen weisen starke Parallelen zu heute auf. Mohler spricht von einer ersten Welle, dem „Wandervogel“, die formlos und anarchisch gewesen sei, und einer „zweiten Welle“, der „Freideutschen Jugend“. Beide hätten insofern in die Weimarer Republik in fast allen konservativ-revolutionären Gruppierungen nachgewirkt, als deren Führer zu einem Großteil durch die Vorkriegsformen der Jugendbewegung hindurchgegangen seien. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand aus einer Mischung von Freikorps, Jugendbünden und damaligen „Aussteigern“ ein „neuer revolutionärer Typus“, der ganz im Sinne Nietzsches „nihilistisch“ war. Mohler weist einsichtsvoll darauf hin, daß diese „Revolutionäre“ wegen ihres Nichteinbezogenseins an Gefährlichkeit und Schlagkraft gewonnen hätten, was für die heutigen Aussteiger ebenfalls zutrifft.

Damals wie heute besteht der begründete Verdacht, daß diese rechts- oder linksextremen Bewegungen zwar auch selber zur politischen Gewalttat neigen, aber oft doch nur die Kulisse abgeben für den professionellen politischen Mord an den Vertretern des technologischen Fortschritts.

Der Vorläufer der Mordfirma „Permindex“,((Siehe Executive Intelligence Review, Special Report, “Permindex: Britain`s International Assassination Bureau“, 14. November 1981.)) die verantwortlich ist für den Mord an Kennedy und die Anschläge auf de Gaulle oder in jüngster Zeit der Anschläge auf Reagan und den Papst, war in den frühen 20er Jahren die Geheimorganisation „O. C.“ („Organisation Consul“), die für eine Serie von Mordanschlägen, u. a. auf den deutschen Außenminister Rathenau, verantwortlich war. Die „O. C.“ wurde von der „Thule-Gesellschaft“ kontrolliert. Bei der „Thule-Gesellschaft“ handelt es sich um eine elitäre Geheimorganisation, zu deren Mitgliedern Prof. Karl Haushofer, Prinz Gustav von Thurn und Taxis, Gräfin Westarp, Baron von Seydlitz, von Sebottendorf, Scheubner-Richter, Rudolf Hess und Alfred Rosenberg gehörten. Diese Organisation verfügte über umfangreiche Geldmittel und beste Verbindungen zu führenden Adelsfamilien und Nachrichtendiensten. Die „Thule-Gesellschaft“ fungierte als „Mutterorganisation“ einer Vielzahl von Parteien, Verbänden, paramilitärischen Einheiten und Terrororganisationen. Die folgenreichsten Geschöpfe der „Thule-Gesellschaft“ sind die von ihr bekundete NSDAP und Adolf Hitler.

Die Epistemologie des Faschismus und das Christentum

Wenn sich ein normaler Mensch mit den Kult-Ideen der verschiedenen Strömungen im faschistischen Umkreis beschäftigt, so ist er zumeist überrascht über die Tiefe des pathologischen Infernos, das sich vor ihm auftut. Auch wenn es keineswegs Vergnügen bereitet, diese Ergüsse zu studieren, so ist eine Untersuchung der Krankengeschichte doch notwendig.

Anhänger der konservativen Revolution unterscheiden sich durchaus nicht selten punktuell voneinander, ja, wie noch zu zeigen sein wird, es wäre ihnen sogar verdächtig, wenn sie alle miteinander übereinstimmten. So ist es mit der „Kritik“ an der „konservativen Revolution“ von Romano Guardini, dem Mohler beeindruckt einen „Spürsinn für ferne Beben“ zugesteht. Guardini, ehemaliger Mitarbeiter des „Tat-Kreises“, Begründer der „Quickborn-Bewegung“ und einer nach ihm benannten Stiftung, hat sich mit seinen Schriften in den Verdacht gebracht, einer von den „Christen“ zu sein, „die keine Christen sind.“

In der Schrift „Die Heilbringer“((Romano Guardini, „Die Heilbringer“ in: Mythos, Offenbarung und Geschichte: Eine theologisch-politische Besinnung.)), die laut Mohler an der Oberfläche als Kritik am Heilbringermythos in der Nazi-Führerideologie  28, 2007, Nr. 2 35 Dokumentation geschrieben ist, versucht Guardini diesen Mythos gegen das Christentum abzusetzen. Ebenso wie die Brüder Horneffer, Guardinis Kollegen im „Tat“-Kreis, war er mit dem Gedankengut Nietzsches sehr vertraut und übernahm oft dessen Geschichtsauffassung. So behauptete er z.B., daß alle großen Religionen vor dem Christentum von einem Kreislauf, einem großen Rhythmus innerhalb eines Ganzen, „des Lebens“, ausgegangen seien.

„Dessen Fortgang ist es, was sich in dem Rhythmus des Aufsteigens und Absinkens, in dem der Tiefe des Erstorbenseins und in der Höhe der Gipfelung vollzieht. Dieses Leben geht auch durch das Einzelwesen hindurch. Geburt und Tod scheinen jeweils absolut, in Wahrheit sind sie durchaus relativ. Was eigentlich geboren wird und stirbt, individuelle Gestalt annimmt und sie verläßt, ist nicht das Einzelwesen, sondern das Leben überhaupt. Geburt wie Tod, Lebendigsein und Totsein sind Phasen jenes Eigentlichen, die Sondergestalt ist nur Durchgang. Was in Wahrheit besteht, ist das Leben der Gattung, das Individuum ist nur Welle. Diese Tatsache wird zusammengedrängt im dionysischen Erlebniserfahren, wenn im Augenblick der höchsten Lebensgipfelung die Todesmöglichkeit durchdringt.“((Armin Mohler, op. cit., S. 80.))

Guardini entwickelt nun den Begriff der „Heilbringer“, also jener Kultisten, auf die diese bestialische Weltanschauung hinausläuft. Solche „Heilbringer“ sind Osiris, Mithra, Dionysos, Baldur. „Sie und die Mythen sind Ausdrucksformen dieses im Weltdasein selbst laufenden Rhythmus“, schreibt Guardini. „Sie sind Erlöser, aber innerhalb jenes unmittelbaren Weltrhythmus.“

Guardini bezeichnet Christus als den Sprenger dieses Kreislaufes, weil Christus „gerade von dem erlöst, was sich in den Heilsbringern ausdrückt. Er befreit den Menschen aus der Unentrinnbarkeit des Wechsels von Leben und Tod, von Licht und Finsternis, von Aufstieg und Niedersinken. Er durchdringt die verzaubernde, scheinbar von allem Daseinssinn gesättigte, in Wahrheit alle personellen Wünsche auflösende Eintönigkeit der Natur“, denn „im Bereiche der Heilbringermythen hat die Person keinen Raum.“

Guardini beweist eine erstaunliche Einsicht in die Ideologie der Anhänger eines ewigen Jojo-Prinzips im Universum. Es ist ihm aber vorzuwerfen, daß er so tut, als wäre das Universum bis zur Geburt Christi wirklich diesem Prinzip gefolgt, was aber zu keinem Zeitpunkt zutraf. Man versteht den Fehler Guardinis nur, wenn man nicht, wie die Peripatetiker, von einem einmaligen Schöpfungsakt ausgeht, sondern den Schöpfungsprozeß von einem augustinischen Standpunkt betrachtet.

Augustinus, und in seiner Tradition Papst Johannes Paul II., betrachtet die Schöpfung als fortlaufenden Vervollkommnungsprozeß, in dem der Mensch als Instrument Gottes die Schöpfung fortsetzt. Diesen Vervollkommnungsprozeß, der sich in der Evolution widerspiegelt und für dessen aktive Fortsetzung sich der moralische Mensch bewußt entscheidet, fand durchaus auch vor Christus statt. Die Idee der Vervollkommnungsfähigkeit war z. B. charakteristisch für die indoeuropäische Weda-Kultur, die ionischen Städtebauer oder Plato und die Neuplatoniker.

Guardini verleiht den „Heilbringern“ erstaunlich viel Glaubwürdigkeit, anstatt sie als politische Mythologie der fortschrittsfeindlichen oligarchischen Fraktion im Kampfe gegen die Städtebauer- Fraktion der Vernunft und des Fortschritts zu entlarven. Von einem wirklich christlichen Standpunkt aus würde er über sie reden wie Augustinus über die Manichäer. So leistet er dem Manichäismus Vorschub.

Guardini weist richtig darauf hin, daß Christus den Kreislauf deshalb durchbricht, weil er „von oben“ kommt, und zitiert Joh. 8,23: „Ihr seid von unten her, ich bin von oben her, ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt.“ Diese Worte, dieser Unterschied hat heute in der strategischen Auseinandersetzung primäre Bedeutung.

Während die Humanisten zu allen Zeiten den Menschen „von oben“ sahen, d. h. ihn nach seinem Potential zur Vernunft betrachteten, sahen die Anti-Humanisten den Menschen immer „von unten“, d. h. als Bestie, die es nur zu bändigen gilt. Dieser unterschiedliche Denkansatz ist entscheidend nicht nur für die jeweilige Staatsrechtsauffassung, sondern auch für die naturwissenschaftliche Forschung.((Siehe „System Analysis/White Collar Genocide“ von Lyndon H. LaRouche jr., EIR, Vol. 8, Nr. 49 und 50, Dez. 1981, sowie die programmatische Rede von Helga Zepp-LaRouche auf der Konferenz des International Caucus of Labor Committees in Mainz, Oktober 1981, abgedruckt in Neue Solidarität, 8. Jg., Nr. 48, 26. Nov. 1981.))

Die Menschwerdung Christi nennt Guardini eine „unwiderbringliche Stunde“.

„Die Heilbringer kommen aus dem Schoß der Welt und der Natur; Christus aus dem dreieinigen Gott, der in keiner Weise in das Gesetz vom Wandel des Lebens und des Todes, dem des Lichtes und der Finsternis eingefangen ist… Er kommt aus der unabhängigen, ihrer selbst mächtigen Freiheit Gottes. Schon dadurch macht er vom Gesetz der Welt frei… Christus offenbart, wer Gott wirklich ist: Nicht die unendliche numinöse Strömung, nicht der Weltgrund; nicht das Geheimnis des Lebens; nicht die höchste Idee, sondern der in sich selbst stehende Schöpfer, und der Herr der Welt.“((Armin Mohler, op. cit., S. 82.))

Und nun fügt Mohler hinzu:

„Diese Einzigkeit der Stunde ist der archimedische Punkt, von dem aus das Christentum das gegnerische Weltbild aus den Angeln zu heben sucht. Diese Einzigkeit der Stunde ist eben auch der Punkt, wo jeder entscheidende Angriff auf das christliche Weltbild ansetzt.“((Ebenda, S. 82.))

Es ist wiederum höchst faszinierend, wie offen, ja geradezu programmatisch Mohler seinen Finger auf die entscheidende Stelle legt. Denn der Angriff auf die Idee dessen, was mit der „Einzigkeit der Stunde“ gemeint ist, ist heute das tiefgehendste Kennzeichen für all diejenigen, die einen neuen Faschismus planen.

Christliche Häretiker wie Küng, die Jesuiten, aber auch jemand wie Guardini, wollen zunächst die ontologische, universelle Wahrheit des Christentums aufweichen, indem sie diese als eine religiöse Interpretationsmöglichkeit neben vielen beschreiben. Kurz, sie leugnen, daß es eine Wahrheit und damit eben zugleich Irrtum gibt, und sie leugnen die Überprüfbarkeit dieser Wahrheit im physikalischen Universum.

Diejenigen, die das „christliche Weltbild“ zerstören wollen, kann man unweigerlich daran erkennen, daß sie das christliche Dogma in einem entscheidenden Punkt verändern wollen, dessen Mangel ihm den Lebenshauch rauben würde. Das ist das „filioque“, die Idee, daß Christus zugleich Gott und Mensch ist, und daraus abgeleitet, daß jeder Mensch durch die Erlösung Christi am Göttlichen teilhat. Wie der oben erwähnte Mumford richtig erkannt hat, ist diese Teilhabe des Menschen am Göttlichen die ethische Barriere gegen den Völkermord.

In Anbetracht dieser enormen politischen Folgen muß die Rolle, die das Christentum in den letzten 2000 Jahren gespielt hat, noch einmal unterstrichen werden. Und wegen dieses Zusammenhangs hat die jüngste Enzyklika Laborem Exercens von Johannes Paul II. sowie sein Hirtenbrief Familiaris Consortio primäre strategische Bedeutung.

Der Papst betont in diesen Schriften unmißverständlich den Charakter des Menschen als „Ebenbild Gottes“, und daß die Aufgabe des Menschen, sich die Erde untertan zu machen, für alle Zeiten gilt. Diese Enzyklika ist vom epistemologischen Standpunkt die weitgehendste, weil sie von einer Kohärenz der Gesetzmäßigkeit des Universums, des Menschen und Gottes ausgeht und damit einen unendlichen Vervollkommnungsprozeß annimmt. Der Schöpfungsprozeß geht weiter, durch den Menschen auf Erden und mit Hilfe der Technologie, die ausdrücklich als Verbündete des Menschen bezeichnet wird. Ja, der Papst fordert ausdrücklich politische und rechtliche Reformen, damit die politische Ordnung in der Welt dieser Gesetzmäßigkeit angepaßt und damit gerecht wird. Konkret heißt das, massiver Technologietransfer in die Dritte Welt und damit die umfassende Ausbreitung dessen, was die „konservative Revolution“ am meisten fürchtet.

In einem Kapitel mit dem nicht mathematisch, sondern mystisch gemeinten Titel „Linie und Kugel“ drückt Mohler eben diese Furcht so aus: Die Idee eines unaufhaltsamen Fortschreitens auf einen bestimmten Punkt zu entwertet, das jeweils Gegenwärtige zugunsten eines besseren Zukünftigen. Es mache dabei keinen wesentlichen Unterschied, ob ein Fortschreiten auf das christliche Reich Gottes oder die klassenlose Gesellschaft oder ein anderes Endziel gemeint sei.

Da Mohler in bezug auf dieses Fortschreiten dauernd den Begriff „linear“ verwendet, muß man allerdings feststellen, daß er seine Gegner doch nicht so gut kennt, wie er denkt. Weder der platonische Vervollkommnungsgedanke noch der christliche oder wissenschaftliche Fortschrittsgedanke ist linear gemeint, sondern strebt höheren Ordnungen zu, ist also negentropisch und gewinnt an Komplexität. Soviel nur zu Mohlers Kenntnissen.

„Für das Abendland ist auf jeden Fall das Christentum schicksalbestimmend geworden. Zusammen mit seinen Säkularisationsformen, den Fortschrittslehren jeder Art, hat es die moderne Welt geschaffen, gegen welche sich der konservativ-revolutionäre Aufstand richtet.“((Ebenda, S. 84.))

Und dann zitiert er wieder Guardini mit einer Passage, die die gegenwärtige Gefährdung des Papstes erhellt:

„Nichts ist falscher als die Meinung, die neuzeitliche Herrschaft über die Welt in Erkenntnis und Technik habe im Widerspruch zum Christentum erzwungen werden müssen, das den Menschen in untätiger Unterwürfigkeit halten wollte. Das Gegenteil ist wahr: Das ungeheure Wagnis der modernen Wissenschaft und Technik, dessen Tragweite wir nach den letzten Erfindungen mit tiefer Beunruhigung empfinden, ist nur aufgrund jener personalen Unabhängigkeit möglich geworden, welche Christus dem Menschen gegeben hat.“((Ebenda, S. 84.))

Nochmals: Faschistische Epistemologie

An dieser Stelle ist es angebracht, noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Vertreter der „konservativen Revolution“ zumindest in einem Punkt recht haben: daß „rechts“ und „links“ letztlich dasselbe werden, wenn „Nationalismus“ und „Sozialismus“ in eins fallen, daß rechts und links eher unbrauchbare Begriffe sind, wenn es gilt, politische Gegensätze zu beschreiben. Der fundamentale Gegensatz besteht zwischen Christentum und Fortschrittsdenken auf der einen und der konservativen Revolution auf der anderen Seite.

Und so sinnierte Mohler schon 1949, als jeder anständige Mensch in Deutschland damit beschäftigt war, das Land aus den Trümmern wieder aufzubauen:

„Unsere Zeit bietet ein seltsames Schauspiel. Auf der einen Seite rast die lineare Welt des Fortschritts mit der Entfesselung der Atomkraft dem Höhepunkt zu und sucht auch den letzten freien Fleck der Erde mit ihrem Netz von Schloten, Schienensträngen und Kabeln zu überdecken. Auf der anderen Seite aber stehen Sprecher, die von einer Welt der mittäglichen Stille zeugen.“((Ebenda.))

1927 schrieb Herrmann Hesse in seinem Steppenwolf:

„Zum wirklichen Leiden, zur Hölle wird das menschliche Leben nur da, wo zwei Zeiten, zwei Kulturen und Religionen einander überschneiden… Eine Natur wie Nietzsche hat das heutige Elend um mehr als eine Generation voraus erleiden müssen – was er einsam und unverstanden zu kosten hatte, das erleiden heute Tausende.“((Hermann Hesse, op. cit., S. 27.))

Leider begnügen sich die Vertreter der konservativen Revolution nicht damit, es bei dieser Doppelmachtsituation zu belassen, sondern sie wollen gewinnen (auch wenn darüber die Welt zugrunde gehen sollte).

So bemerkte Ernst Jünger schon damals:

„Wir stehen an der Wende zwischen zwei Zeitaltern, wie sie etwa dem Wechsel von der Stein- zur Metallzeit entspricht.“

Eine Art Interregnum also, für das im übrigen der „große“ Nietzsche den absoluten Wendepunkt dargestellt habe.

Wer nun argumentieren möchte, dies alles beträfe doch die Grünen nicht, nun, der Beweis, daß allerdings eine große Ähnlichkeit besteht, kann erbracht werden. Es sei hier noch einmal auf das Buch von Marilyn Ferguson Die Verschwörung des Wassermanns verwiesen, das nur die populär aufbereitete Version einer Studie des „Stanford Research Institute“ in Palo Alto war.

Dieses Institut muß als eine der wichtigsten Planungsstellen der „konservativen Revolution“ betrachtet werden. Von hier gingen nicht nur verschiedene Experimente mit Drogen aus, sondern hier wurden auch alle denkbaren alternativen Lebensstile entworfen. Was Ferguson in dem genannten Buch beschreibt, ist die Unterwanderung der Gesellschaft, vor allem der Jugend durch die von ihr so bezeichnete „Verschwörung des Wassermanns“. Das Zeitalter des Christentums und wissenschaftlicher Rationalität,von ihr als „Zeitalter des Fisches“ charakterisiert, werde jetzt abgelöst durch das „Zeitalter des Wassermanns“. In diesem gelte nicht die Vernunft, sondern das Gefühl, und alle Verschwörer hätten teil an einem gemeinsamen kosmischen Bewußtsein, würden sich gegenseitig sogleich erkennen und seien schon in alle Lebensbereiche, selbst das Militär, vorgedrungen. Ferguson fährt im übrigen fort, die Umweltschützer, die Alternativen aller Art zu feiern.

Im Steppenwolf hatte es geheißen:

„Ich habe auch jahrelang enthaltsam gelebt und auch lange Zeiten gefastet, aber zur Zeit stehe ich wieder im Zeichen des Wassermanns, einem dunklen und feuchten Zeichen.“((Ebenda, S. 23.))

Bei Mohler liest sich das 1949 in der Beschreibung der von der konservativen Revolution angenommenen Wende so:

„Bei anderen verdichtet sich diese Vorstellung gar zum Bild der Ablösung eines Aeons durch einen neuen. […] Knut van Ermsen beispielsweise sieht diese Wandlung im Zusammenhang mit kosmischen Wandlungen: Wir stehen an der Wende vom Zeitalter der Fische zum Zeitalter des Wassermanns. Dabei ist für ihn der Nationalsozialismus, dessen zeitweilige Herrschaft er in der 1932 erschienenen Schrift Adolf Hitler und die Kommenden bereits für gegeben ansieht, nur ein erstes Fieberbläschen, das solche Wandlungen ankündigt. Daß die Fische ein Symbol Christi sind, paßt ihm gut in den Zusammenhang.“((Armin Mohler, op. cit., S. 90.))

Das Zeitalter des Wassermanns könnte man auch mit der Herrschaft des Dionysos übersetzen. Wie Mohler feststellt, ist für Nietzsche der christliche Gott, nicht aber der „Gott“ der Wiederkehr tot, hieße er nun „Dionysos“, „Mithra“ oder anders.

Als für jedermann klar geworden war, daß die amerikanische Hochzinspolitik nicht nur die amerikanische Wirtschaft selbst, sondern auch den Rest der Welt in die Depression treibt, wäre die normale Reaktion zweifellos eine Senkung der Zinsen und die Ankurbelung der Produktion durch billige Kredite gewesen. Ein häufig zu hörendes Argument war: „Aber es kann doch nicht im amerikanischen Interesse sein, die eigene Wirtschaft zu ruinieren!“

Nun, eine solche Argumentation läßt die Tatsache außer Acht, daß es allerdings Leute gibt, die nicht nur die Vernunft ablehnen, sondern auch das Chaos wollen. So schreibt Ernst Jünger, zitiert nach Mohler:

„Wir marschieren seit langem einem magischen Nullpunkt zu, über den nur hinwegkommen wird, wer über andere, unsichtbare Kraftquellen verfügt.“((Ebenda, S. 97.))

„Damit, mit diesem magischen Nullpunkt“, so schreibt Mohler spürbar fasziniert, „betreten wir den innersten Kreis des ,Deutschen Nihilismus’. Es ist der Glaube an die unbedingte Zerstörung, die in unbedingte Schöpfung umschlägt. Denn ,Fäulnis’ geschieht nicht im wesentlichen Kern […] An das, was übrig bleibt… ist unsere Hoffnung geknüpft“, zitiert er wieder Jünger.((Ebenda, S. 97.))

Der Autorin dieses Artikels ist zufällig bekannt, daß heute Personen, die sich selbst der „konservativen Revolution“ zurechnen und die für die heutige Krise verantwortlich sind, ernsthaft glauben, im Falle eines Atomkriegs nach Argentinien auswandern zu können, und dort bereits Domizil und Bankkonto eingerichtet haben.

Wie kriminell und dem heutigen Terrorismus nahe diese Denkweise ist, wird aus einem anderen Jünger-Zitat deutlich, in dem er sich über den Bewußtseinsstand des „heroischen Realisten“ ausläßt, von dem er sagt, „er, der sich mit Lust in die Luft zu sprengen vermag, und der in diesem Akte noch eine Bestätigung der Ordnung erblickt“. Was sonst sollte die Terroristen heute motivieren?

In Hesses Steppenwolf war die Verbindung schon da, grüner Terrorismus und eine „klammheimliche Freude“ über Völkermord:

„Die Inschrift ,Auf zum fröhlichen Jagen! Hochjagd auf Automobile’ lockte mich an … Ich begriff sofort: Es war der Kampf zwischen Menschen und Maschine, lang vorbereitet, lang erwartet, lang gefürchtet, nun endlich zum Ausbruch gekommen, überall lagen Tote und Zerfetzte herum … Prachtvoll aufreizende Plakate an allen Wänden forderten in Riesenbuchstaben, die wie Fackeln brannten, die Nation auf, endlich sich einzusetzen für die Menschen, gegen die Maschinen, endlich die fetten, schöngekleideten, duftenden Reichen, die mit Hilfe der Maschinen das Fett aus den anderen preßten, samt ihrer großen, hustenden, böse knurrenden, teuflisch schnurrenden Automobile totzuschlagen, endlich die Fabriken anzuzünden und die geschändete Erde ein wenig aufzuräumen und zu entvölkern. Damit wieder Gras wachsen, wieder aus der verstaubten Zementwelt etwas wie Wald, Wiese, Heide, Bach und Moor werden könne.

[…] Es war Krieg, ein heftiger, rassiger und höchst sympathischer Krieg, worin es sich nicht um Kaiser, Republik, Landesgrenzen, um Fahnen und Farben … handelte, sondern wo ein jeder, dem die Luft zu eng wurde und dem das Land nicht mehr recht mundete, seinem Verdruß schlagenden Ausdruck verlieh und die allgemeine Zerstörung der blechernen zivilisierten Welt anzubahnen strebte. Ich sah, wie allen die Zerstörungs- und Mordlust so hell und aufrichtig aus den Augen lachte, und in mir selbst blühten diese roten wilden Blumen hoch…“((Hermann Hesse, op. cit., S. 196 ff.))

Und schließlich:

„Ja, es sind eben gar zu viele Menschen auf der Welt. Früher merkte man es nicht so. Aber jetzt, wo jeder nicht bloß Luft atmen, sondern auch ein Auto haben will, jetzt merkt man es eben. Natürlich ist das, was wir da tun, nicht vernünftig, es ist eine Kinderei, wie auch der Krieg eine riesige Kinderei war. Später einmal wird die Menschheit lernen müssen, ihre Vermehrung durch vernünftige Mittel im Zaum zu halten. Vorderhand reagieren wir auf die unerträglichen Zustände ziemlich unvernünftig, tun aber im Grunde doch das Richtige: wir reduzieren.“((Ebenda, S. 204 ff.))

Für einen normalen Menschen ist dies schwer nachzuvollziehen, aber dieses Lager nimmt ja eben gerade gar nicht in Anspruch, rational zu sein. So gibt Mohler zu, im zyklischen Denken gäbe es viele Widersprüche. Die „konservative Revolution“ sei vielmehr voller Mißtrauen gegenüber jedem System, das „aufgeht“. Die Logik sei eben bloß das Werkzeug zur Bearbeitung von auf anderem Wege gewonnenen Einsichten.

Papst Johannes Paul II. betonte in seinen Schriften unmißverständlich den Charakter des Menschen als „Ebenbild Gottes“, dessen Aufgabe es ist, sich die Erde untertan zu machen. Damit steht er im krassen Widerspruch zum Weltbild der „Konservativen Revolution“, das auch der Grünen-Bewegung zugrunde liegt. Hier im Bild mit der Autorin.

„Die konservative Revolution glaubt, daß ein Denken, das ,aufgeht’, sich in einem wirklichkeitsentleerten Raum abspielt: nur so in widerstandsloser Leere könnten alle Einzelglieder zu einer durchgehenden Konstruktion verbunden werden.“((Armin Mohler, op. cit,. S. 110.)) Hier liegt wahrscheinlich die Ursache, warum die Mitglieder des Club of Rome selbst nicht an ihre Prognosen glauben. Denn, was Mohler hier beschreibt, trifft zwar auf die manipulative Pseudo-wissenschaft der globalen Systemanalyse zu, nicht aber auf die Wirklichkeit. Aber auch das ist diesen Leuten schon zu viel Ehre angetan. So gibt ein anderer „konservativer Revolutionär“ namens Quabbe zu:

„Dem Konservativen ist das Nachdenken über die Grundlagen der eigenen Weltanschauung eine Art Profanierung, […] die Zurückführung eines irrationalen Wertes auf das rationale Niveau, eine Entgötterung des Göttlichen, dem der Reiz des Unerklärlichen genommen wird.“((Quabbe, S. 7 und 119 ff.))

Mohler beeilt sich, mögliche Mißverständnisse auszuräumen und gibt zu, daß auch in dem Namen „konservative Revolution“ das Wort konservativ unglücklich gewählt sei.

In dem „Bewahren“ und „Erhalten“ stecke ja auch der Gedanke einer Beeinflussung des Geschehens im Ganzen, was der gegnerischen Partei des Fortschritts entspräche, während die neuen Konservativen nicht glaubten, daß sich im Kern je etwas wandele.

Daß sich bei der konservativen Revolution, den Grünen und etwa Gaddafi noch weitere Berührungspunkte ergeben, wird deutlich an ihrer Verehrung der Wildnis. Die Natur, die oft durch den Menschen veredelt sehr viel schöner ist, ist ihnen nicht genug, es muß die Wildnis sein. „Es ist vor allem die Wildnis, die zu einem Leitbild der Dichtung in der Nachfolge Nietzsches wird, Wildnis nicht, von der linearen Welt her gesehen als Zerstörung, sondern als Wunden heilender Schlaf“, sagt Mohler. So etwa würde Gaddafi argumentieren, der darauf besteht, sich immer wieder in die Wüste zur Genesung zurückziehen zu müssen.

Doch Mohler drückt sich noch deutlicher aus:

„In der Wildnis … gelten die Gesetze der Ökonomie (!) nicht. Die Wildnis ist der Hintergrund, vor dem sich das Weltgefühl entfaltet, das wir hier zu umschreiben suchen, von ihr geht es aus, und zu ihr geht es immer wieder zurück.“((Armin Mohler, op. cit., S. 100.))

Von F. G. Jünger zu Eppler

Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, daß die Grünen in faschistischen Fußstapfen marschieren, dann würde man auf die moderne Identität der Argumentation Friedrich Georg Jüngers in Perfektion der Technik, geschrieben 1939, und Robert Jungks Der Atomstaat hinweisen.

Was F. G. Jünger in diesem Buch von sich gibt, ist allerdings klinisch interessant. Er warnt vor den gefährlichen Illusionen, die sich mit dem technologischen Fortschritt verbänden. Genauso äußern sich auch alle Grünen nach ihm, bis zu Peccei, der erst kürzlich beschwor, die Wissenschaft könne nicht „magisch“ alle Probleme lösen. Magisch nicht, aber rational.

Jünger ist nicht eben originell, wenn er bestreitet, daß die Wissenschaft etwas mit der Schöpfung von Reichtum zu tun habe, er wiederholt lediglich die abgedroschenen Argumente der Physiokraten, die für die Ostindien-Kompanie nachträglich die Rechtfertigung für die Ausbeutungsmethoden des britischen Kolonialismus zu liefern hatten. Vom wissenschaftlichen Standpunkt sind Jüngers Ansichten geradezu hanebüchen. So behauptet er, daß alle Arbeitsprozesse entropisch seien: „Auch der kleinste technische Arbeitsvorgang verbraucht mehr Kraft, als er hervorbringt. Wie sollte also durch die Summe dieser Vorgänge ein Überfluß geschaffen werden?“

Nun, wir schlagen vor, daß Leute, die so denken, auch konsequent sind und Gras mit Hilfe von Erzklumpen essen, anstatt scheinheilig doch die Ergebnisse der Technik in Anspruch zu nehmen. Oder besser gar nicht mehr essen, weil so nach ihrer „Theorie“ Kraft gespart werden kann. Bei Jünger haben alle anderen abgeschrieben, direkt oder indirekt, Jungk oder Gruhl (in Gruhls Ein Planet wird geplündert sind ganze Passagen über den „Raubbau an der Natur“ schamlos geklaut). Vierzig Jahre vor Erhard Eppler und Jimmy Carters Global 2000 schrieb Jünger:

„Sie (die Technik) verräuchert die Luft, verpestet das Wasser, vernichtet die Wälder und Tiere. Sie führt einen Zustand herbei, in dem die Natur ,geschützt’ werden muß vor dem rationalen Denken…“((F. G. Jünger, Die Perfektion der Technik.))

Woher der Wind weht, wird deutlich in der nächsten Passage:

„Er (der Techniker) ruiniert den Fabrikanten durch Erfindungen, die nicht vorauszusehen sind. Das Wohl und Wehe des Kapitalisten ist ihm so gleichgültig wie das des Proletariats. Es geht ihm weder um Renten und Zinsen, noch um die Lebenserhaltung…“((Ebenda.))

Das ist eine zutiefst antikapitalistische, monetaristische Haltung, die für den Faschismus charakteristisch ist. Und das Zauberwort, die heilige Kuh der Oligarchen, ist ausgesprochen: der technologische Fortschritt ruiniert die Zinsen!

Ansonsten strotzt das Buch nur so von monetaristischen Gemeinplätzen, die wie alle Argumente der Oligarchen nichts sind als billige Zwecklügen, so z.B., daß die fortschreitende Technik schuld wäre an der Inflation! Genau denselben Unsinn verzapft der Internationale Währungsfonds (IWF) gegenüber den Entwicklungsländern, die ihre Industrialisierung in Angriff nehmen wollen.

Einerseits kommt Jünger nicht umhin zuzugeben, daß das „technische Denken rational“ ist, andererseits spricht er von den „dämonischen Zügen in der Technik“. Für ihn ist also offensichtlich Rationalität etwas Schreckliches. Er versteigt sich soweit zu behaupten, daß Betriebsunfälle mit fortschreitender Technik dermaßen zugenommen hätten, daß sie die Häufigkeit kriegsmäßiger Menschenverluste erreicht hätten. Es sind wohl mehr Leute bei der Bärenjagd umgekommen als im Labor.

Die anfangs aufgestellte These, daß die Vertreter der „konservativen Revolution“ Elitisten übelster Sorte sind, finden wir bei Jünger so bestätigt:

„[…] müssen wir erkennen, daß technischer Fortschritt und Massenbildung Hand in Hand gehen […] Der technische Fortschritt ist dort am kräftigsten, wo die Massenbildung am fortgeschrittensten ist […] Sie [die Masse, Anm. d. A.] ist das brauchbarste, geschmeidigste Material für den Techniker, dessen Arbeitspläne ohne sie gar nicht durchzuführen wären… Wir verbinden mit dem Begriff der Masse Vorstellungen der Schwere, des Druckes und der Abhängigkeit. Vulgarisierung.“((Ebenda.))

Für den Oligarchen ist eine gebildete Masse viele, immer gebildetere Menschen eine Horrorvorstellung; weil sie seine privilegierte elitäre Stellung als Oligarch, der lieber über ungebildete Massen herrscht, beendet.

Genau aus dem gleichen Grund ist für die konservative Revolution die Idee eines auf technologischem Fortschritt beruhenden republikanischen Nationalstaates schrecklich. Friedrich Hielscher, ein „konservativer Revolutionär“ aus dem Jünger-Kreis, forderte deshalb die Auflösung der Nationalstaaten in „Stämme“ und „Landschaften“. Eine andere Untergliederung der „konservativen Revolution“, die „Paneuropa-Union“ Otto von Habsburgs, fordert denn auch konsequent die Schaffung eines „Europas der Regionen“. Es dürfte wiederum nicht mehr überraschen, wenn nun Linkssozialisten die strikte Dezentralisierung der Nationalstaaten fordern und militant die „Autonomiebestrebungen“ aller möglichen Minoritäten unterstützen. Ebenfalls wenig überraschend ist die Tatsache, daß aus dieser Ecke die entwickelten Nationalsprachen zugunsten regionaler Dialekte und Slangs kritisiert werden. Bedeutender und gefährlicher ist der pathologische Haß, den der „Club of Rome“ der Idee des Nationalstaates entgegenbringt. Typisch ist die Rede Pecceis vor dem „Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse“ (IIASA) im Herbst 1981, in der er den Bankrott des Nationalstaats verkündete und ihn als Haupthindernis einer globalen Kurskorrektur hin zu einer „neuen Weltordnung“ bezeichnete.

Das Siemens-Problem

Daß Peter von Siemens als Chef eines Unternehmens, das immerhin fast den gesamten Kernenergiebereich der Bundesrepublik kontrolliert und schon als „Staat im Staat“ bezeichnet worden ist, ein Anthroposoph ist, wäre an sich schon bedenklich genug.

Die Bürger müssen dringend darüber aufgeklärt werden, was sich hinter der angeblich harmlosen Fassade von Reformhäusern und Waldorfschulen verbirgt: die Schriften Rudolf Steiners, eines fanatischen Kultisten. Steiner glaubte nicht nur an die Wiedergeburt des Menschen, er forderte die Anbetung Luzifers! Das alleine wäre zwar aufschlußreich, aber doch die Privatsache des Herrn Siemens. Leider ist dem nicht so.

Armin Mohler hat seine Thesen zur „konservativen Revolution“ nicht etwa in jugendlichem Leichtsinn geschrieben, sondern denkt auch heute als Chef der „Siemens-Stiftung“ im wesentlichen genauso. Dies wird aus einer Mohler-Broschüre deutlich, die jetzt vom Verband Deutscher Elektroniker (Bezirksverband Nordbayern) als „Argumentationshilfe“ verschickt worden ist.

In der Broschüre Der Traum vom Naturparadies((Armin Mohler, Der Traum vom Naturparadies, VDE.)) spricht Mohler etwas pathetisch von der „Öko-Klage“, die den Sturm auf die Bastionen der öffentlichen Meinung schon gewonnen habe. Das stellt er einfach dahin, ja sagt sogar, daß eine Weltanschauung, die eine derartige Stellung erreicht habe, „von außen“ kaum mehr angezweifelt werde, sondern nur noch „von innen“… Wenn Siemens wirklich ein Unternehmen wäre, das den technologischen Fortschritt fördern wollte, was sollte Mohler daran hindern, die ökologische Bewegung „von außen“ anzugreifen?

Also, 1981 „kritisiert“ Mohler die grüne Bewegung „von innen“ und wiederholt im wesentlichen seine früheren Thesen, daß der Aufstieg der „Öko-Klage“ mit der Entchristlichung der modernen Welt zusammenhinge. Bemerkenswert ist höchstens, daß sich Mohlers Vorstellung vom Christentum hier sehr „von außen“ darstellt. Die neuplatonisch-augustinische Tradition kennt er offensichtlich nicht.

Für den, der Mohlers „konservative Revolution“ von 1949 kennt, ist es höchst aufschlußreich, daß er die ökologische Ideologie eine „Erlösungslehre“ nennt, sie also im Hinblick auf seine früheren Bemerkungen Kulten gleichsetzt. Er skizziert sogar den Weg „von Rousseau zur jetzigen Öko-Klage“, über die Zwischenstation Romantik. „So wird die Natur nach dem Muster der Urpflanze zu einer Art personaler Entelechie, an der man sich versündigen kann wie an einer Dame.“((Ebenda, S. 76.)) Die Vergleiche werfen zugleich ein interessantes Licht auf das Phantasieleben des Herrn Mohler.

Nach dieser kurzen Einführung erfolgt nun die eigentliche Kritik „von innen“. Mohler läßt die Katze aus dem Sack: die neue Jugendbewegung habe einen vergessenen „strengen Zuchtmeister“, „Gründervater“ Friedrich Georg Jünger. Er sei der Jugendbewegung weit voraus gegangen, so daß das von ihm Formulierte zu einem lässig gehandhabten, anonymen Gut werden konnte. Jünger habe aber schon alles besser und straffer formuliert.

Die „Kritik“, die Mohler an den Grünen übt, beschränkt sich darauf, daß sie sich ein unvollständiges Denkmodell zurechtgezimmert hätten, in dem es nur einmal, ganz am Anfang, Schöpfung gab und seither nur noch Vernichtung. Dagegen setzt Mohler die „Conditia humana“, das Eingespanntsein zwischen Geburt und Tod, zwischen Neuschöpfung, die sich immer wieder ereignet, und Vernichtung, die ebenfalls wiederkehrt. Und schon sind wir, auch wenn Mohler sich da vorsichtig ausdrückt, wieder beim Jojo-Prinzip der „Ewigen Wiederkehr des Gleichen“.

Wenn eine Organisation, die mit fortgeschrittener Technik zu tun hat, ihren Mitgliedern nichts besseres als eine solche „Argumentationshilfe“ anbietet, so ist das bestürzend. Was Mohler hier macht, ist typisch für den Modus operandi des Club of Rome: es wird eine Scheindebatte aufgebaut, wer nun der bessere „Grüne“ sei, der „rechte“ Jünger oder die „linken“ Ökologen. Daß beide „von außen“, von der Vernunft her, Quacksalber sind, das hätte gesagt und bewiesen werden müssen. Aber, wie Mohler im Nachwort zur Neuauflage seiner „Konservativen Revolution“ von 1971 sagt, die neue Jugendbewegung sei eben ganz in der Nähe der „konservativen Revolution“, und dies überrasche ihn nicht, sondern bestätige nur die „Zwangsläufigkeit“ solcher Vorgänge. Jojo auch hier.

Woher aber kommt es, daß jemand, der doch als Chef der Stiftung eines Unternehmens, das sich vorwiegend mit Technologie befaßt, Zugang zu modernen Wissenschaften nicht nutzt? Ist der Siemens-Stiftung denn nicht bekannt, daß inzwischen in vielen wissenschaftlichen Bereichen auch empirisch der Nachweis erbracht ist, daß das Universum auf negentropische Weise, und nicht nach dem Jojo-Verfahren organisiert ist (dies ist inzwischen bewiesen für die Plasmaphysik, die Biologie, die Astrophysik und den vormenschlichen Evolutionsprozeß) und daß deshalb und aus vielen anderen Gründen immer höhere Energiedichten und Ordnungszustände im Produktionsprozeß notwendig sind, wenn nicht eine drastische Herabsetzung der zu unterhaltenden Bevölkerungszahl, Völkermord, die Folge sein soll?

Warum meint Herr Mohler, nur „von innen“ argumentieren zu können?

Es lohnt sich noch einmal, zur „konservativen Revolution“ Mohlers zurückzukehren, in der er das von einem gewissen Schauwecker verfaßte Buch Deutsche allein von 1931 zitiert. Schauwecker schreibt dort, die Welt des Fortschritts könne nur mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden:

„Denn diese Zeit ist nur wert, vernichtet zu werden. Aber um sie zu vernichten, muß man sie zuerst genau kennen. Sonst erliegt man ihr. […] Man mußte die Technik völlig unterwerfen, indem man sie bis ins letzte durchformte. Dann war sie kein Problem mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit, über die man nicht mehr staunte. Die Bewunderung des Apparates, das war das Gefährliche. Er verdiente gar keine Bewunderung, er mußte nur benutzt werden. Mehr nicht.“((Zitiert nach Armin Mohler, Die konservative Revolution in Deutschland.))

Und Mohler fügte ohne Pause hinzu:

„Diese Worte Schauweckers zeigen, daß die Nationalrevolutionäre dasselbe tun wie die Anhänger des Fortschritts und es doch völlig anders meinen.“((Ebenda.))

Nun, warum hat Siemens in vielen Bereichen unter Ausnutzung des Patentrechts eine Situation geschaffen, wo wirklicher technischer Fortschritt, etwa im Postwesen, blockiert ist, weil niemand an Siemens vorbei kommt? Oder, warum z. B. ist Siemens jetzt gegen den Ausbau des Hochtemperaturreaktors? Oder woher rührt das augenfällige Scheitern der Firma Siemens im Bereich fortgeschrittenster Computersysteme?

Die Arroganz der Oligarchien

Jedesmal, wenn sich Oligarchen sicher sind, daß sie bereits gewonnen haben, geben sie offen zu, daß sie die wirklichen Führer dieser Bewegung sind. So schlug der Präsident des italienischen „World Wildlife Fund“, Fulco Protesi, im November 1981 in einem Interview mit der italienischen Zeitung Il Mondo vor, daß entweder der Vorsitzende des Club of Rome, Peccei, oder Buzzati Traverso, der Präsident der „Societe Europeen de Culture“, Vorsitzender einer neuen ökologischen Massenpartei in Italien werden sollte. Die Wahl zwischen Peccei und Traverso, das wäre die Wahl zwischen Nato-Geheimdienst und der Global-2000-Fraktion der US-Administration oder einer äußerst einflußreichen „geistigen“ Elitevereinigung der alten venezianischen Oligarchie. Beide stellen lediglich verschiedene Knotenpunkte im selben Netzwerk dar.

Ein solcher Knotenpunkt früher in der Geschichte war der Kreis um die Zeitschrift Die Tat.

Zur Gruppe um Die Tat gehörte ebenfalls Karl Jaspers, der Doktorvater des niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, der einem anderen Mitglied des „Club of Rome“, Eduard Pestel, zum Ministerposten verhalf. Jaspers war auch der Mentor Armin Mohlers.

Hinter dem Begriff „Tat-Kreis“ faßt man jene Gruppe von einflußreichen deutschen Intellektuellen („konservativen Revolutionären“) zusammen, die sich ab 1908 um den Verleger Eugen Diederichs sammelten und die Monatsschrift Die Tat als Organ anti-christlicher, geopolitischer, mystisch-arischer und später offen faschistischer Bewegungen aufbauten. Diederichs selbst war Herausgeber der von Karl Haushofer gegründeten Zeitschrift für Geopolitik, die den späteren „Drang nach Osten“ geistig vorbereiten half und zu deren Mitarbeitern auch der Vater des heutigen hannoverschen SPD-Vorsitzenden Peter von Oertzen, Friedrich Wilhelm von Oertzen, zählte.

In der Entwicklung der Tat lassen sich etwa drei Phasen kennzeichnen: Von der Gründung der Zeitschrift durch die beiden Mitarbeiter des nationalen Nietzsche-Archives in Weimar, Ernst und August Horneffer, im Jahre 1908 bis etwa 1914 dominierten Artikel über die „neuchristliche“ Bewegung im Rahmen der von Diederichs massiv geförderten „Jugendbewegung“. Die Horneffer-Brüder forderten ein neues „Christentum der Tat“, das im wesentlichen eine Abkehr vom christlichen Humanismus und ein Hinwenden zum Mystizismus und zur Theosophie der Anthroposophen Rudolf Steiners bezeichnete.

Diese Politik wurde nach dem Ende des Ersten Weltkrieges durch die Tat fortgesetzt und über den erwähnten antitechnologischen Philosophen Romano Guardini auch in die katholische Kirche hineingetragen. Ab 1928 erlebte Die Tat einen radikalen Schwenk hin zur faschistischen Massenbewegung, als Hans Zehrer, Giselher Wirsing und Ferdinand Fried die Zeitschrift kauften. Die Tat wurde bis 1932 mit einer stark profaschistischen, geopolitischen Ausrichtung zum meistgelesenen Monatsblatt der Weimarer Zeit; ihre Auflage übertraf noch jene der Weltbühne.

Wichtig ist auch, daß die Horneffer-Brüder in Verbindung zur berüchtigten Thule-Gesellschaft standen. Zur Gruppe um Die Tat gehörte ebenfalls Karl Jaspers, der Doktorvater des jetzigen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, der einem anderen Mitglied des „Club of Rome“, Eduard Pestel, zum Ministerposten verhalf. Man sollte nicht vergessen, daß es Albrecht war, der die Wiederaufarbeitungsanlage von Gorleben verhinderte, niemand anderes als er selbst war der Grund für die „politische Undurchsetzbarkeit“ dieses Projekts. Karl Jaspers war schließlich der Mentor Armin Mohlers, nachdem Mohler kurzfristig als Schweizer Bürger (!) bei der SS um Aufnahme ersucht hatte, und bevor er bei Ernst Jünger Sekretär wurde.

Wenn man sich an die von der „konservativen Revolution“ selbst gegebenen Definitionen hält, werden viele Zusammenhänge deutlich. Dann wundert es einen nicht, daß ein angeblich so „linker“, radikal „grüner“ Politiker wie der FDP-Ministerialdirektor im Innenministerium Mencke-Glückert einerseits mit einem milde ausgedrückt extrem „konservativen“ Institut wie der ,,European Cultural Foundation“ und andererseits mit ebenfalls milde ausgedrückt so extrem „linken“ Kreisen wie dem Pressedienst Demokratische Initiative (PDI) Kontakte unterhält. Im PDI wiederum arbeiten neben Robert Jungk (Der Atomstaat) auch solche Freunde der Berliner Hausbesetzer-Szene wie Ingeborg Drewitz, die wohl nicht zufällig als eine Expertin für die romantische Bewegung des 19. Jahrhunderts gilt.

Robert Jungk wiederum arbeitet mit Mencke-Glückert über die „Futures Group“ zusammen, eine der übelsten Denkfabriken in den USA, die sich darauf spezialisiert hat, Führungskräfte aus dem Management und der Politik die sogenannte ,,Delphi-Methode“ beizubringen. Damit ist in Anlehnung an das griechische Orakel von Delphi die Fähigkeit gemeint, mit Hilfe der Medien und durch angebliche „konträre“ Positionen für die Öffentlichkeit eine Scheindebatte zu erzeugen, die vergessen lassen soll, daß die Realität ganz anders aussieht.

Eine weitere Spezialität der „Futures Group“ ist die geistige und psychologische Konditionierung mittels Computer-Simulationen. Die Zielgruppen bei solchen „Lehrgängen“ sind neben Führungskräften aus Wirtschaft und Politik vor allem Repräsentanten von Staaten der Dritten Welt. Den Lehrgangsteilnehmern werden Computer-Simulationen vorgesetzt, die auf den systemanalytischen Modellen des „Club of Rome“ oder Global 2000 basieren. Dabei geht es entsprechend nur um den scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz Überbevölkerung/Ressourcenbegrenzung. Man erlaubt nun dem Lehrgangsteilnehmer innerhalb des vorgegebenen Programms natürlich die Variablen zu verändern. Man zeigt dabei großes Verständnis für die „ethischen Bedenken“ bezüglich der Reduzierung der Bevölkerung. Das Spiel endet natürlich damit, daß jede „positive Veränderung“ der Variablen das Überbevölkerungs-/Ressourcenbegrenzungs-Problem nur verschärft und den Kursteilnehmer völlig demoralisiert.

Die „Bewegungen“ heute

Um zu der Anfangsthese zurückzukommen: Das Unheil kann nur abgewendet werden, wenn in Deutschland und anderen Teilen der Welt ideengeschichtlich aufgearbeitet wird, worin die Wurzeln des Faschismus lagen und was seine geistige Nachgeschichte ist.

An anderer Stelle haben wir ausführlich entwickelt, was die wirtschaftstheoretischen Grundlagen des Faschismus sind. Auch die Gefahr, daß führende Finanzkreise heute auf die Weltwirtschaftskrise mit faschistischer Wirtschaftspolitik reagieren wollen, ist hinlänglich dokumentiert. Hier sei nur angemerkt, daß ohne ein neues Weltwährungssystem zur Finanzierung breiten Technologietransfers zur Industrialisierung der Dritten Welt als Kriegsvermeidungsstrategie keine wirkliche Lösung gefunden werden kann.

Was die subjektive Seite, die Gefahr faschistischer Massenbewegungen anbetrifft, so ist die ideengeschichtliche Betrachtung unerläßlich, weil nur so verhindert werden kann, daß derselbe Wolf in einem neuen, anders gefärbten Schafspelz auftaucht.

Wenn man den Begriffsapparat, der hier zu entwickeln versucht wurde, auf die Gegenwart anwendet, so wird deutlich, wo das faschistische Potential liegt. Die Kennzeichen sind, und das ist kein „deutsches“ Problem, der Kult des Irrationalismus, der Angriff auf das wissenschaftliche Denken, das Nietzsche die „sokratische Fragestellung“ genannt hat. Weitere Kennzeichen sind, daß der Irrationalismus organisierte Formen annimmt und daß seine Anhänger versuchen, Andersdenkenden diesen ihren irrationalen Willen mit Gewalt aufzuzwingen.

Von diesem Standpunkt kann man sagen, daß Terrorismus generell faschistisch ist, wie ja im übrigen in Italien durch den „P-2“-Skandal bewiesen wurde: die faschistische Internationale kontrolliert „rechten“ und „linken“ Terrorismus durch die logistische Unterstützung der Mafia gleichermaßen.

Faschisten, gleichgültig welcher Nationalität und welcher Zeit sie zugehören, lehnen die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen ab. Sie haben diese oft die „Diktatur der Vernunft“ genannt. Was sie wollen, ist das dionysische, existentialistische Ausleben von Gefühlen, das ungestörte Befriedigen von „Bedürfnissen“ auch auf Kosten der anderen.

Wenn man diese Geisteshaltung vom neuplatonischen oder christlichen Standpunkt betrachtet, also von der Dreiteilung des menschlichen Bewußtseins in sinnliche Begierde, Verstand und Vernunft, dann entspricht dieser unterste Zustand, christlich betrachtet, der Sünde oder, vom humanistischen Standpunkt aus gesehen, extremer Infantilität, die sich in organisierter Form im Faschismus manifestiert.

Wenn ein Zweijähriger seine sinnliche Begierde ausleben will, dann ist das normal und erfordert die liebevolle Erziehung durch die Eltern. Wenn aber angebliche Erwachsene denselben Geisteszustand ausdrücken, dann sind sie geistig unterentwickelt. So ist es kein Zufall, daß diese infantilen Erwachsenen, wenn sie mit einer komplexen Realität in Berührung kommen, die ihre infantilen Phantasien stört, paranoisch reagieren.

Paranoia, die wilde Furcht über die Unzulänglichkeit des eigenen Ichs, ist ein sehr wichtiges Merkmal des Faschismus-Paranoia über die innere Leere, gemischt mit dem „grünen Eiter des Ekels“, der im dionysischen Rausch überwunden werden muß. Paranoia ist die ganz normale Konsequenz, wenn Vernunft und Ratio abgelehnt werden.

Es ist höchst aufschlußreich, daß im Tavistock-Institut, dem Londoner Institut für psychologische Kriegsführung, Studien über das Phänomen des „US-Cowboys“ als psychologischem Typus angestellt wurden und dabei die nicht überraschende Tatsache herauskam, daß das Hauptcharakteristikum des „Cowboys“ seine Paranoia ist. Normales Nebeneinander oder Miteinander ist unmöglich, der Cowboy muß entweder „on top“ sein, oder jemand ist „on top of him“.

Diese paranoide Form, die leider schon lange die amerikanische Außenpolitik bestimmt, kann unter einer ungünstigen strategischen Konstellation zum Krieg führen, weil das Realitätsprinzip ausgeschaltet ist und alles nur noch von diesem Aspekt „who is an top“ betrachtet wird,

Die Idee, daß Faschismus in den USA nicht möglich sei, ist dort zwar weit verbreitet, doch leider völlig falsch. Einmal abgesehen von bestimmten, offen Völkermord propagierenden Teilen der letzten Administration, siehe Global 2000, ist Amerika schon zu einem erschreckenden Grade eine „verkabelte Gesellschaft“. Der durchschnittliche Fernsehkonsum von fünf Stunden pro Tag pro Kopf hat mehr als alles andere dazu beigetragen, jegliches Realitätsgefühl zu vertreiben und eine paranoide Grundstimmung in der Bevölkerung zu erzeugen. Goebbels’ Propaganda-Apparat mit Volksempfänger und „Ufa“ wird vom heutigen US-Fernsehen bei weitem in den Schatten gestellt.

Wenn die Aussteiger-„Freaks“ in Amerika eine Neuauflage der Weimarer Gegenkultur und Jugendbewegung darstellen, dann ist der zur Zeit sehr von der Unterhaltungsindustrie geförderte „Country-and-Western“-Kult eine Neuauflage der „Völkischen Bewegung“. Der Country-and-Western-Cowboy-Kult ist nicht nur eine Banalisierung menschlicher Gefühle auf ein extrem niedriges Niveau, er hat auch durchaus Elemente jener „Blut-und-Boden“-Ideologie, die sich in einer kultischen Beziehung zur „Scholle“ ausdrückt.

Nachdem die Unterhaltungsmafia, die im übrigen eng mit der Drogenmafia verwoben ist, in den letzten Jahren das frustrierte Mainstream-Amerika als Gegenreaktion zur Rockwelle zur Besinnung auf eine „wirklich amerikanische Kultur“, nämlich den „Cowboy-and-Western“-Schmalz getrimmt hat, ist jetzt eine neue Phase eingeleitet worden. Nachdem Amerikas Jugend schon weitgehend durch Rock, Disco und Drogen korrumpiert ist, soll jetzt auch noch dem Rest der Bevölkerung der Glauben an den „American Way of Life“ ausgetrieben werden, das heißt, der Glauben an die unbegrenzte Fähigkeit, durch technologischen Fortschritt die Probleme der Welt zu lösen. Langsam wird der Cowboy-Kult mit der „grünen“ Bewegung fusioniert, und zu diesem Zweck brachte die New York Times kürzlich eine rührende Geschichte über den jungfräulichen amerikanischen Westen, der vor der bösen Industrie geschützt werden müsse.

Die Weihnachtsbotschaft 1981 von Papst Johannes Paul II. ist vor diesem Hintergrund eine äußerst wichtige politische Intervention. Er führte darin aus, daß hedonistische Kräfte die Moral des sogenannten entwickelten Sektors bis zur moralischen Senilität unterminiert hätten. Dieser moralische Verfall, dieser Kulturpessimismus, habe eine Intervention der Kirche zugunsten der Unantastbarkeit des Wertes des menschlichen Lebens notwendig gemacht, für die er, der Papst, im Frühjahr beinahe mit dem Leben zu zahlen gehabt habe. Die Spur der Attentäter hinter den Anschlägen auf ihn selbst, Sadat und Reagan ließen sich alle auf die Kräfte der Destabilisierung zurückverfolgen.

Wenn wir die Gefahr eines neuen Faschismus, diesmal weltweit, und eines neuen Weltkrieges verhindern wollen, dann muß der Spur, die der Papst gewiesen hat, nachgegangen werden, müssen die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.

Wenn man sich also die Frage stellt, wie es kommen konnte, daß in Deutschland Hitler an die Macht kam, obwohl die Mehrheit der Bürger gegen Hitler war, dann wird einiges deutlich für die heutige Situation. Die Mehrzahl der Deutschen waren keine Faschisten, aber sie waren kleine Leute, die sagten „ach, was soll ich denn schon daran ändern“, oder „so schlimm wird es schon nicht werden, das wird schon vorbeigehen“. Wenn man heute sieht, wie der Brandt-Flügel der SPD, die FDP und die CDU/CSU sich aus wahltaktischen Gründen bei den Grünen anbiedern, dann muß man befürchten, daß diese Politiker nichts aus der Geschichte gelernt haben. Welchen Preis zahlten all die Demokraten, die die Nazis tolerierten, mit ihnen „taktisch“ paktierten, sie für „ihre Zwecke ausnutzen“ wollten?

Damals wie heute darf es keine Zusammenarbeit mit Faschisten geben. Wenn ein Hasselmann und Biedenkopf und andere Kollaboration mit den „schwarzen“ Grünen vorschlagen, sollte die CDU sehr ernsthaft überlegen, ob solche Leute noch für sie tragbar sind. Und gleiches gilt für den Gewerkschaftsflügel in der SPD, wenn es um Eppler und dessen Beschützer Brandt geht.

Vielleicht ist es noch Zeit, den Kult des Irrationalismus zu besiegen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, die Reform zu reformieren, die einen Großteil des Zustandekommens der jetzigen „Jugendbewegung“ zu verantworten hat, die sogenannten Schulreformen der siebziger Jahre.

Eine humanistische Erziehung im Geiste der Klassik und der sokratischen Fragestellung, die die ewig Gestrigen so fürchten, ist die beste Medizin gegen die Kräfte des Irrationalismus. Das Christentum und der Humanismus haben nicht nur immer den Fortschritt in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft durchgesetzt, sie haben auch die Konzepte hervorgebracht, die wir heute brauchen. Wir sollten mit dem Optimismus, der die Nietzscheschen „Steppenwölfe“ so sehr ärgert, darangehen, sie zu benutzen.

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