Berlin, von der Frontstadt zur Pionierstadt!

In diesen Wochen und Monaten richten sich die Augen und Hoffnungen auf Berlin. Dabei ist das Medieninteresse wegen der im Oktober dort stattfindenden Wahlen relativ unwichtig. Entscheidend ist, daß Berlin im Rahmen der dramatischen globalen Entwicklungen, wie auch schon in der Vergangenheit, erneut an vorderster Stelle der strategischen Entwicklung stehen muß. Der Unterschied zu der vom Kalten Krieg geprägten Vergangenheit besteht jedoch darin, daß Berlin nicht mehr die passive Rolle der ausharrenden Frontstadt zukommt, wo die Gegensätze aufeinanderprallen, sondern die Chance hat, zur aktiv gestaltenden Pionierstadt zu werden, von der aus Impulse für die Entwicklung in Europa, Asien und die ganze Welt ausgehen.

Die Frage ist, wird es in Berlin und der ganzen Bundesrepublik gelingen, die dazu nötige Veränderung der Selbstkonzeption der Bürger und vor allem ihrer Repräsentanten zu bewirken? Denn was wir heute brauchen, ist nicht Schnauze, wie sie uns in Polit- und Talk-Shows im Übermaße geboten wird, sondern Herz und Mut, woran es leider mangelt.

Am 12. Oktober 1988 sagte LaRouche im Berliner Hotel Kempinski, es werde nicht mehr lange dauern, bis die Frage der deutschen Wiedervereinigung aktuell würde. Er schlug vor, ein vereinigtes Deutschland, mit Berlin als Hauptstadt, solle Polen mit westlicher Technologie wirtschaftlich modernisieren – als „Modell“ für den ganzen Ostblock. Damals hielt das die politische Klasse im Westen für unmöglich: Die SPD-Führung qualifizierte die Wiedervereinigung sogar als „Lebenslüge“ ab. Im Osten hielt man eine derartige Entwicklung für völlig absurd: Die Honeckers, Gysis und sonstigen Ochsen und Esel hielt noch niemand von ihrem sozialistischen Lauf ab. Am 9. November 1989 fiel die Mauer, und am 3. Oktober 1990 wurde Deutschland offiziell wiedervereinigt.

Doch die sich daraus ergebende Chance, daß ein vereinigtes Deutschland, mit Berlin als Hauptstadt, durch westliche Technologie die wirtschaftliche Modernisierung des ganzen Ostblocks anstoßen werde, diese Chance wurde sträflich vertan. Ja, nicht nur das, sogar im eigenen Land wurden alle Zukunftschancen gründlich zunichte gemacht.

Es ist doch geradezu peinlich, wenn wir mit ansehen müssen, mit welchem Elan China die in Deutschland entstandene Zukunftstechnologie des Transrapid aufgreift und entwickelt, nachdem bei uns die Verbindung Hamburg-Berlin von kurzsichtiger Idiotie sabotiert wurde. Die Pläne müssen wieder aus den Schubladen geholt werden, und der Bau dieser Strecke muß sofort aufgenommen werden. Nicht nur das. Die Strecke muß verstanden werden als erster Schritt für ein neues eurasisches Verkehrssystem, welches von der Pionierstadt Berlin ausgeht, nicht nur nach Hamburg und Rotterdam, sondern auch nach Dresden und Prag, nach Warschau, nach Moskau und Kiew reicht, sich von dort aus weiterentwickelt, bis wir schließlich in China wieder den Anschluß finden.

Die Sabotage des Transrapid ist nur ein Beispiel unter vielen. Die ideologisch verbohrten Attacken auf die Kerntechnik, die in der Sabotage des von Professor Schulten an der KFA-Jülich entwickelten Hochtemperaturreaktors gipfelte, ist noch gravierender. Von den Medien fast unbemerkt wurde am 20. März in China ein nach Schultens Konzept gebauter THTR eingeweiht, der am 1. Dezember 2000 erstmals kritisch wurde. Bis heute wurde in Deutschland nicht verstanden, welch bahnbrechendes Konzept Schultens Reaktor eigentlich ist. Genau wie Junkers als erster den Flugzeugbau kompromißlos vom sicherheitstechnischen Standpunkt eines zivilen Massenverkehrssystems durchdachte (während die anderen noch in einem vom militärischen Nutzen bestimmten Denken verhaftet blieben), so hat Professor Schulten vor Jahrzehnten konzipiert, wie Kerntechnik so sicher gebaut werden kann, daß sie gefahrlos inmitten von Industrieanlagen und Bevölkerungszentren betrieben werden kann. Mit seinem Hochtemperaturreaktor hatte Deutschland den Schlüssel für die sichere zivile Nutzung der Kerntechnik in der Hand. Nun sind China und Südafrika die Pioniere auf diesem Gebiet.

Noch eine zweite Chance?

Die Chance der Wiedervereinigung wurde vertan. Das Wüten der Globalisierungsmafia hat im letzten Jahrzehnt vor allem in Afrika, Südostasien und im ehemaligen Ostblock, aber auch bei uns zunehmend spürbare Opfer gefordert. Doch jetzt fällt dieses kannibalistische Regime in sich zusammen, und es entstehen neue Möglichkeiten, endlich das zu verwirklichen, was LaRouche in seiner Rede vom 12. Oktober 1998 im Berliner Hotel Kempinski anregte.

Wie intensiv und ernsthaft Lyndon LaRouches Konzepte der physischen Ökonomie und deren Konkretisierung in der vom „produktiven Dreieck“ ausgehenden eurasischen Landbrücke von der Elite Rußlands diskutiert werden, dokumentiert die Tatsache, das LaRouche vom russischen Parlament eingeladen wurden, am 29. Juni 2001 bei der Anhörung des Wirtschaftsausschusses eine Rede zu halten. Auch der am 16. Juli unterzeichnete Freundschaftsvertrag zwischen Rußland und China belegt, daß sich strategisch und wirtschaftspolitisch eine Tendenz durchsetzt, die über kurz oder lang Monetarismus, Liberalismus und Globalismus zum Teufel jagen wird und sich auf die Tugenden der „physischen Ökonomie“ besinnt, d. h. einer Politik, die auf technologischem Fortschritt, der schöpferischen Entwicklung der Arbeitskraft und Orientierung am Gemeinwohl basiert.

Wir bekommen nach der Wiedervereinigung jetzt eine zweite Chance. Wieder steht Berlin im Zentrum, denn Berlin ist wie keine zweite Stadt geeignet, zum Mittelpunkt und Schmelztiegel dieser Ost und West verbindenden Entwicklung zu werden – nicht nur als Verkehrsknotenpunkt, der Berlin ganz offensichtlich ist, nicht nur als Treffpunkt, wo Konzepte ausgetauscht werden, nicht nur passiv, sondern als aktives Vorbild und Muster. Berlin kann wie ein Labor für neue Technologien und Forschungsstätten, für neue betriebliche Wirtschaftsformen und Kooperationen einen städtischen Mikrokosmos entwickeln, der nach Ost und West das unerschöpfliche Potential der „physischen Ökonomie“ ausstrahlt.

Es fragt sich nur, ob wir den Mut dazu haben. Nichts geht ohne die historische Tat. Mauern öffnen sich nicht von selbst, es muß jemand da sein, der die Grenze überschreitet, der durch eine geschichtliche und zugleich persönliche Handlung die Änderung herbeiführt. Was wäre in der heutigen globalen Situation für die zweite Chance, die sich nach dem Fall der Mauer jetzt eröffnet, für die Stadt Berlin ein angemessener, symbolträchtiger Schritt hin zu einer Zukunft als Pionierstadt Eurasiens und der Welt? Vielleicht bekommt jemand eine bessere Idee, aber wir denken, Berlin sollte ganz bewußt als Markstein eines neuen Aufbruchs einen Hochtemperaturreaktor bauen, und zwar nicht nur zur Stromerzeugung, sondern zugleich für industrielle Prozeßwärmenutzung und als Heizkraftwerk – nicht nur zur Entwicklung der Energieversorgung der Stadt, sondern als bewußter Tabubruch der faulen Kompromisse und eines sogenannten „Ausstiegs-Konsenses“, in dem sich die geballte Feigheit und Dummheit der politischen und wirtschaftlichen Elite unseres Landes manifestiert. Vielen wird das politisch unmöglich erscheinen. Aber am 12. Oktober 1988 hat sich auch kaum einer den Fall der Mauer vorstellen können.

Die erste Chance der Wiedervereinigung wurde vertan. Die zweite haben wir jetzt zum Greifen nahe. Eine dritte werden wir wohl kaum bekommen. Das sind die Sorgen und Hoffnungen, mit denen wir in den nächsten Wochen und Monaten auf Berlin schauen.

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