Wettlauf zum Mars mit Hindernissen

Scheitern der russischen Marsmission tragisch, aber nicht das Ende der Welt


Für Weltraumbegeisterte war es ein großer Schock, als am 16. November 1996 berichtet wurde, daß die russische Mars-96-Mission gescheitert war. Seit sieben Jahren hatten russische Wissenschaftler fieberhaft an dem Projekt gearbeitet, zuletzt trotz seit Monaten nicht gezahlter Gehälter in drei Schichten rund um die Uhr, unterstützt durch Teams aus mehr als 20 Ländern. Die Marssonde hatte zahlreiche Instrumente an Bord, darunter zwei eigens zu diesem Zweck am Berliner Institut für Planetenerkundung entwickelte Spezialkameras, die zu den modernsten digitalen Meßkameras weltweit zählen. Zwei Jahre lang sollten sie mit Hilfe der russischen Argus-Plattform den Mars umrunden und dabei seine Oberfläche mit bisher unerreichter Genauigkeit beäugen. Mit diesen Daten hätte sich ein dreidimensionaler Marsatlas erstellen lassen. Zusätzlich waren zwei Landekapseln vorgesehen, mit deren Hilfe entscheidende Fragen zur geologischen Beschaffenheit des Planeten, etwa nach dem Vorhandensein von flüssigem Wasser, hätten geklärt werden können.

Das Versagen der vierten Stufe der russischen Proton-Rakete wird die Marserforschung zweifellos zurückwerfen, aber umwerfen wird es sie nicht. Rückschläge wie die besonders tragische Explosion des Space Shuttle Challenger im Jahre 1986, der mißglückte Erststart der Ariane 5 im Sommer 1996 oder jetzt das Scheitern der Mars-96-Mission, können bei Unternehmungen, mit denen die Grenzen unseres Wissens und unserer Technologie hinausgeschoben werden, nun einmal nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Eine vollständige Kopie der Argus-Plattform mit sämtlichen Instrumenten steht bereit und könnte beim nächsten Startfenster in etwas mehr als zwei Jahren erneut Richtung Mars gestartet werden. Daneben gibt es eine ganze Serie unbemannter Missionen, die dem Mars in den kommenden Jahren seine größten Geheimnisse entlocken sollen und zur Vorbereitung der ersten bemannten Marslandung – voraussichtlich in den Jahren 2015 bis 2025 – dienen.

Schon am 6. November 1996 war die Global-Surveyor-Sonde der Amerikaner erfolgreich gestartet, die eine Kartierung der Marsoberfläche mit einer Auflösung von einem Meter ermöglichen wird. Mitte September 1997 wird sie den Mars erreichen. Am 2. Dezember 1996 folgte dann die US-Marssonde Pathfinder, deren Landung auf dem Mars für den amerikanischen Unabhängigkeitstag, den 4. Juli 1997, vorgesehen ist. An Bord des Pfadfinders befindet sich ein Roboter, der sich auf der Marsoberfläche fortbewegen kann und an verschiedenen Stellen mit Hilfe seiner umfangreichen Ausrüstung genaue chemische Bodenanalysen durchführen wird. Nicht wenige Wissenschaftler im NASA-Umfeld erhoffen hier, ganz nebenbei, eine der größten wissenschaftlichsten Entdeckungen in der Menschheitsgeschichte zu machen: nichtirdische Lebensformen. Man kann sich ausmalen, daß dies die Vorstellungen von der Entstehung des Lebens auf der Erde, und die biologischen Wissenschaften ganz allgemein, revolutionieren würde. So könnte der kleine, über den Marssand rollende Chemie-Roboter mehr zum Verständnis von Lebensvorgängen beitragen als Hunderte von Forschungslabors auf der Erde.

Im Januar 1998 werden die Japaner in die Marserkundung einsteigen und ihre Sonde Planet-B auf die Reise bringen, die schließlich in geringer Höhe eine Umlaufbahn um den Mars einschlagen wird. Im Februar 1998 ist der Start des Mars Surveyor geplant. Er wird eine Beobachtungssonde im Marsorbit aussetzen und dann im Oktober 1998 auf dem Südpol des Mars niedergehen. Ebenso wie die Erde besitzt der Mars vereiste Polkappen, die im Falle des Mars hauptsächlich aus gefrorenem Kohlendioxid und Wasser bestehen. Bisher konnte aber nie geklärt werden, wie mächtig diese polaren Wasservorräte sind; eine Frage, die für die Besiedlung des Mars im kommenden Jahrhundert von großer Bedeutung ist. Ebenso für den Februar 1998 war der Start der russischen Mission Mars-98 vorgesehen, die sowohl einen Bodenroboter als auch Wetterballons zur Erforschung der Marsatmosphäre einschließt. Viele Fragen hinsichtlich der Entwicklung der irdischen Atmosphäre lassen sich nun einmal am besten durch den Vergleich mit unseren Nachbarplaneten Venus und Mars aufhellen.

Ob es allerdings bei dem Termin für Mars-98 bleibt, ist zweifelhaft. Die Bedingungen, unter denen die Wissenschaftler und Techniker am Raumfahrtzentrum Baikonur arbeiten, sind katastrophal und verschlimmern sich aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs in Rußland mit jedem Tag. Um Kosten zu sparen, mußte sogar auf eine Versicherung des Starts, bei derartigen Missionen sonst immer der Fall, verzichtet werden. Auch bei Spionagesatelliten, die sich immer nur einige Monate in ihrer niedrigen Umlaufbahn halten und dann zur Erde stürzen, hat man längst den Doppelgänger eingespart, so daß nach einem kürzlichen Fehlstart Rußland jetzt zum ersten Mal seit Jahrzehnten über keinen Spionagesatelliten im niedrigen Erdorbit mehr verfügt. Auf Geheiß des Internationalen Währungsfonds (IWF) werden die wissenschaftlichen Zentren auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion finanziell ausgetrocknet. Nicht der langfristige Aufbau von Wirtschaft und Wissenschaft ist erwünscht, sondern allein die schnelle Mark mit dem Export von Rohstoffen.

Rußland ist in dieser Hinsicht nur ein besonders auffälliger Repräsentant einer weltweiten Entwicklung. Ohne eine baldige Neuauflage von Kennedys Apollo-Programm, diesmal mit Zielsetzung Mars, droht der US-Raumfahrt die langsame Einschläferung. Auch in Deutschland, wo die Bundesbürger jährlich 30mal mehr Gelder auf Nimmerwiedersehen an betrügerische Finanzanleger verliert (bei hoher Dunkelziffer offiziell gut 40 Mrd. DM), als sie für die Weltraumforschung (1,4 Mrd. DM) ausgeben, wird die Zukunft immer mehr aufs Spiel gesetzt. Die Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (DARA), im Jahre 1989 noch als deutsches Gegenstück zur NASA gegründet, wird jetzt im Rahmen des Bonner Sparkurses aufgelöst oder, etwas vornehmer ausgedrückt, mit der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) verschmolzen. Dabei soll die Zahl der Mitarbeiter kräftig zusammengestrichen werden.

In Japan und China dagegen gilt die Raumfahrt als die strategische Technologie des 21. Jahrhunderts schlechthin. Gerade hat die japanische Regierung mit Frankreich ein Abkommen über den Ausbau der Zusammenarbeit bei der Weltraumforschung geschlossen, das insbesondere gemeinsame Arbeiten bei der Entwicklung internationaler Raumstationen im Erdorbit und bei der Erforschung von Mond und Mars vorsieht. In China werden immense Anstrengungen unternommen, um den Vorsprung von Amerikanern, Russen und Europäern bei der Raumfahrttechnologie schon in wenigen Jahren wett zu machen. Sollte sich der Mars daran stören, wenn seine ersten Besucher chinesisch sprechen?

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