Was tun nach dem bösen Erwachen?

Sie kennen die traurige Geschichte von Oma Michel aus Dresden? Zur Zeit der Wende ging ihr es nicht besonders gut, und sie konnte sich an der ganzen Aufregung nicht beteiligen. Und dann ging es ja auch einigermaßen so weiter wie bisher. Nur viel teurer wurde alles, aber dafür stieg ihre Rente ja auch, obwohl sie nun immer nur in diesen neuen Geldscheinen ausgezahlt wurde. Und für den Notfall hatte sie noch ihren geheimen „Sparstrumpf“; das war ein möglichst unscheinbar aussehender Pappkarton im Kleiderschrank, worin sie seit 25 Jahren alle gesparten Geldscheine versteckt hielt. Um die Geschichte kurz zu erzählen: Der Notfall trat ein, und Oma Michel konnte es gar nicht fassen, daß sie für all ihr schönes erspartes Geld nichts, aber auch rein gar nichts kaufen konnte.

Bevor Sie nun mit mildem Lächeln die einfältige Oma Michel bedauern, sollten Sie sich klar darüber werden, daß Sie persönlich, daß wir alle genau in der gleichen Lage sind wie diese arme Frau. Die große Errungenschaft der „modernen Finanzinstrumente“, mit denen es gelungen ist, die „Finanzmärkte zu stabilisieren“, indem diese von der realen Wirtschaft „entkoppelt“ und durch „Schutzsysteme“ isoliert wurden, hat der Weltwirtschaft genau diesen allgemeinen, bisher noch nicht offen zutage getretenen Bankrott beschert. Sie können Ihre schönen Geldscheine im „Sparstrumpf“ bewundern oder Ihre clever zur Altersversicherung angelegten Aktien bestaunen, deren Kurse gerade in schwindelerregende Höhen schießen: Sie sind dabei in der gleichen Lage wie die arme Oma Michel, oder in der Lage, in der noch vor wenigen Monaten die vielen Cleveren in Rußland waren, die in den MMM-Fonds investiert hatten, oder wenig später, die in den Rumänischen Caritas-Fond angelegt hatten, oder vor wenigen Wochen die vielen Anleger im IWF-Musterland Albanien.

Mit ähnlich hohen Renditeversprechen wurde weit mehr als ein Drittel der amerikanischen Haushalte gelockt, ihre Ersparnisse zur Altersvorsorge in Aktien anzulegen. Und sind sie nicht zu beneiden? Erreicht der Dow-Jones-Index etwa keine Rekordhöhen? Doch halt! Da sind die immer deutlicheren Warnungen, welche nun sogar in großen Zeitschriften zu lesen sind, wie zum Beispiel in der angesehenen französischen Tageszeitung Le Monde. Unter der Überschrift „Wird die Finanzwelt in Flammen aufgehen?“ heißt es dort: „In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden Anleihen und Aktien im Werte von 1195 Mrd. Dollar aufgelegt bzw. ausgegeben… Wie kann man die Risiken der Schaffung einer virtuellen Ökonomie, die von der Realwirtschaft abgekoppelt ist, ignorieren?“ Le Monde sieht in diesem „Flucht-nach-vorne-Wachstum“ Anzeichen eines „Kollapses der Aktienmärkte“. Dabei spricht die Zeitung nur von der ersten Etage des Finanzkartenhauses.

Dieser ersten Etage überlagert befinden sich, nicht ganz so gut „isoliert“, die Stockwerke der „innovativen Finanzinstrumente“ wie zum Beispiel die Derivate. Und dort geht die Post erst richtig ab! Die Summe der weltweit ausstehenden Derivat-Kontrakte stieg von 5,7 Billionen Dollar im Jahre 1990 auf 47,53 Billionen Dollar im Jahre 1995!

Sie meinen, das sei zu sehr dramatisiert? Dann beantworten Sie doch bitte die Frage, warum unser Bundeskanzler fordert, daß wir unbedingt den Gürtel enger schnallen sollen, wo doch so viel Geld da ist? Warum schlagen die schlauen Berater unseres offensichtlich nicht ganz so schlauen Bundeskanzlers denn nicht einfach vor, daß man diesen gigantischen Reichtum, der sich da in den Derivaten angehäuft hat, zu einem ganz geringen Maße besteuert, zum Beispiel zu 0,5 Prozent, oder nur zu 0,25 Prozent? Bei 50 Billionen Dollar im Jahr käme da einiges zusammen. Wieviele Arbeitsplätze könnte man damit durch öffentliche Investitionen schaffen! Ja, warum nicht? Die schlauen Berater tun das genau deshalb nicht, weil sie wissen (oder zumindest dumpf ahnen), daß dieser Reichtum genauso wertvoll ist wie die Ostmark in Oma Michels Sparstrumpf, und daß eine derartige Besteuerung das ganze Finanzkartenhaus Stockwerk für Stockwerk einstürzen ließe.

„Augen zu und durch“ ist nicht mehr möglich. Nie stieg die Arbeitslosigkeit in Deutschland schneller an als Anfang 1997, und das vage Gerede von einer „drohenden Rezession“ in Ostdeutschland läßt Schlimmeres ahnen. In Relation zur Gesamtbevölkerung erreicht die tatsächliche Arbeitslosigkeit in Deutschland mit 1933 vergleichbare Werte. Doch die Zustände in Deutschland sind – welch ein Trost! – geradezu paradiesisch, wenn wir sie mit dem wirtschaftlichen und sozialen Chaos in Osteuropa und in Rußland vergleichen. Nein, „Augen zu und durch“ ist nicht mehr möglich, wir brauchen eine wirkliche Lösung, und wie die aussehen könnte, wurde von Lyndon LaRouche seit Jahren wiederholt dargelegt und erneut am 5. Februar auf einer Konferenz in Washington umrissen:

  1. Auf einem Gipfeltreffen der wichtigsten Regierungen müssen praktisch über Nacht Notmaßnahmen festgelegt werden, um das internationale Finanzsystem in ein von den Regierungen überwachtes Bankrottverfahren überzuführen und zu reorganisieren. Und zwar auf der folgenden Grundlage: a) Die besten Aspekte des alten Bretton-Woods-System von 1944-1966 müssen aufgegriffen werden, um ein neues System auf der Grundlage fester Wechselkurse zu errichten; b) Die Politik gegenseitiger Abkommen zum beiderseitigen Vorteil eingerichteter Schutzzölle und Schutzmaßnahmen zwischen den verschiedenen Nationen muß wiederbelebt werden, also eine Politik, welche sich an dem Vorbild des gegen Adam Smith entwickelten „Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie“ von Franklin, Washington, Hamilton, Carey, List und Lincoln orientiert; c) Nationalbanken müssen das Zentralbanksystem ablösen und damit ein Mittel schaffen, mit dem die produktive Kreditschöpfung für den Wiederaufbau der nationalen Wirtschaften und des Welthandels bewerkstelligt und kontrolliert werden kann.
  2. Das Entwicklungsprogramm der „Eurasischen Landbrücke“, welches heute bereits von China und einer wachsenden Zahl von Nationen verfolgt wird, muß zum Zentrum eines globalen Wiederaufbauprogramms der Weltwirtschaft gemacht werden.
  3. Die Rolle des Werkzeugmaschinensektors als strategischer Bereich eines produktiven Wirtschaftsmodells muß wieder erkannt und wiederbelebt werden, weil es der entscheidende Sektor ist, durch den die notwendige weltweite Steigerung der Arbeitskraft vorangetrieben werden kann.

Daß diese Lösung möglich ist, sehen Sie, sobald Sie damit aufhören, die Augen vor der Realität zu verschließen. Früher oder später wird sich Ihnen die Realität aufdrängen. Und bis dahin – bitte kein mildes Lächeln über die einfältige Oma Michel!

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