FUSION konnte am 6. Mai 2025 in Berlin ein Interview mit Astrid Ehricke, Tochter des Weltraumpioniers Krafft Ehricke, führen. Frau Ehricke erklärt hier auch, wie sie das Andenken ihres Vater lebendig zu halten gedenkt. Die Fragen stellte FUSION-Chefredakteur Dr. Wolfgang Lillge.
Ihr Vater Krafft interessierte sich schon früh für den Weltraum. Im Alter von 12 Jahren sah er Fritz Langs Film Die Frau im Mond, der zusammen mit den Werken von Hermann Oberth das inspirierende Erlebnis war, das sein ganzes Leben prägen sollte. Von da an vertiefte er sich in Bücher über Astronomie, Flugmechanik und Antriebstechnik und begann, Modelle von Raumfahrzeugen zu entwerfen. Erinnern Sie sich an ihn als einen produktiven Wissenschaftler?
Astrid Ehricke: Ja, auf jeden Fall. Er dachte ständig nach, Tag und Nacht. Und er machte sich Notizen auf Papier oder entwarf Dinge. Selbst wenn wir als Familie einen Tag am Strand verbrachten, nahm er seine Aktentasche mit. Er saß am Strand, schrieb, skizzierte, rechnete und machte sich Notizen, und dann machte er eine Pause. Vielleicht ging er ein wenig schwimmen, setzte sich dann wieder hin und schrieb weiter. Oder vielleicht flog er irgendwohin im Flugzeug und hatte eine Idee. Dann begann er sofort zu schreiben und zu skizzieren, sogar auf einer Serviette, wenn er kein Papier zur Hand hatte. Er war also die ganze Zeit tätig, die ganze Zeit.

Hat er jemals über sein Physikstudium in Deutschland bei Heisenberg oder über seine Arbeit in Peenemünde während des Krieges gesprochen, bevor er in die Vereinigten Staaten kam? Was wissen Sie über seine Beziehung zu anderen Weltraumwissenschaftlern, darunter Wernher von Braun, mit dem er in Peenemünde zusammengearbeitet hat, aber später in den Vereinigten Staaten nicht mehr?
Ich wusste, dass seine Arbeit sehr wichtig war. Er war sehr verärgert über den Kriegsausbruch in Deutschland, da er sein Studium unterbrechen und an diesem Krieg teilnehmen musste. Ich weiß, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt an der russischen Front war. Dann sprach seine Mutter – meine Großmutter –, die Zahnärztin und Kieferchirurgin war, mit einem hochrangigen Militär, ich kann mich nicht mehr an den Namen des Generals erinnern. Sie erklärte ihm, dass ihr Sohn Raketenwissenschaftler sei und nicht im Krieg kämpfen sollte. Sie versetzten ihn umgehend nach Peenemünde, um dort mit Wernher von Braun an den Raketen zu arbeiten. Wernher war jedoch bereits vor meinem Vater dort. Ich weiß, dass sie dort bis zum Ende des Krieges arbeiteten. Über die Arbeit in Peenemünde weiß ich nicht viel mehr als das, was ich gelesen habe.
Ich habe nicht viele Geschichten von ihm gehört, da ich erst viel später geboren wurde. Aber ich weiß, dass die Chinesen nach ihm suchten, die Russen suchten nach ihm, doch mein Vater wartete darauf, dass die Amerikaner ihn finden würden, weil meine Eltern nach Amerika kommen wollten. Mein Vater wollte am Weltraumprogramm mitarbeiten. Das war es, was er tun wollte. Das war es, was er liebte. Das war es, wovon er träumte.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie die Geschichte kennen, aber an dem Ort, an dem sie nach dem Krieg in Deutschland lebten, kamen viele Menschen und klopften an die Tür und fragten, ob er da sei. Meine Mutter sagte immer nein, er ist nicht da, weil sie dachte, es sei jemand aus Russland oder China. Und dann klopfte wieder jemand an die Tür, und sie sagte, nein, er ist nicht da, aber dann erkannte sie die Uniform, und es war die Uniform eines amerikanischen Soldaten. Also öffnete sie die Tür und sagte: „Er ist hier, bitte kommen Sie wieder.“ Und sie kamen wieder und fragten: „Was benötigen Sie? Wir haben Sie gesucht und möchten Ihnen anbieten, in die Vereinigten Staaten zu kommen, um am Weltraumprogramm mitzuarbeiten.“ So hat alles begonnen.
Dann kamen meine Eltern herüber, und er arbeitete hier in den USA mit dem Peenemünde-Team zusammen. Es kam jedoch ein Punkt, an dem er mit der Richtung, die Wernher von Braun mit der Raketentechnik einschlagen wollte, nicht mehr einverstanden war. Zu dieser Zeit entstand seine Idee der Centaur-Rakete, einer Rakete mit flüssigem Wasserstoff. Er bestand darauf, dass flüssiger Wasserstoff verwendet werden müsse. Es gab jedoch Uneinigkeit, da andere der Meinung waren, dass nur Feststoffraketen verwendet werden könnten. Also entschied er: „Ich muss jetzt meinen eigenen Weg gehen, damit ich das so entwickeln kann, wie ich es mir vorstelle.“ Er war überzeugt, dass wir eine bessere Treibstoffquelle entwickeln müssen, wenn wir zum Mond fliegen wollen. Wir brauchen eine leichte Rakete, die Nutzlast transportieren kann, denn damit kann man Geld verdienen, um das Weltraumprogramm zu finanzieren.
Das war also das Wichtigste bei der Entwicklung der ersten Centaur-Rakete, einer dreistufigen Rakete, mit der Pionierarbeit mit flüssigem Wasserstoff geleistet wurde. Zu diesem Zeitpunkt machte er sich selbstständig und begann, futuristischere Ideen für die Erforschung des Mondes zu entwickeln, wobei er jedoch stets den Nutzen für die Erde im Blick behielt. Bei allem, was er tat, war er sich stets bewusst, dass es einen Nutzen für die Erde geben sollte. Die Erde war für ihn der Garten des Universums, und wir möchten, dass sie ein Garten bleibt.

Meine nächste Frage knüpft an dieses Thema an. Ihr Vater Krafft Ehricke lehnte die Ideologie der „Grenzen des Wachstums“ vehement ab, die die Rolle von Wissenschaft und Technologie bei der Definition dessen, was eine Ressource ist, völlig außer Acht lässt. 1981 hielt er an einem Gymnasium in München einen Vortrag zu diesem Thema, der beinahe von grünen Extremisten sabotiert worden wäre. Das erinnerte ihn an ähnliche Situationen, die er in den 1930er Jahren in Berlin erlebt hatte. Teilen Sie seine Ansicht, dass der Mensch dazu bestimmt ist, das Universum zu bevölkern und dem außerirdischen Imperativ zu folgen?
Ja, absolut, denn das ist der nächste Evolutionsschritt des Menschen. Er sagte mir immer, das Leben auf der Erde sei wie ein Baby im neunten Monat, und das Baby sagt sich: „Ich fühle mich hier so wohl. Ich möchte nicht gehen. Ich kann dort draußen nicht leben. Ich kann nicht. Ich muss hierbleiben. Hier ist es angenehm.“ Und dann wird das Baby schließlich geboren und muss die Geburt durchstehen. Und dann sagt das Baby zu sich „Oh, ich kann hier draußen leben. Es ist gar nicht so schlecht hier draußen.“ Mein Vater sagte, dass es für den Menschen genauso sei, wenn er ins All geht. Zuerst denken wir: „Oh, wir können dort draußen nicht überleben. Es wird nicht angenehm sein.“ Aber er sagte, es werde immer Menschen geben, die Raumfahrer sein wollen, die im Weltraum leben wollen, die hinausgehen und reisen und dieses Abenteuer erleben wollen, weil der Mensch schon immer hinausziehen und erkunden wollte, und deshalb gibt es keine Grenzen für das Wachstum. Es ist nur etwas, das man sich selbst einbildet, dass es Grenzen geben muss, aber in Wirklichkeit gibt es keine Grenzen. Es gibt nur den nächsten Evolutionsschritt für die Menschheit, in den Weltraum zu gehen und Weltraumreisende zu werden.
Noch eine letzte Frage. Was planen Sie, um die Erinnerung an die Arbeit Ihres Vaters für die heutigen Generationen lebendig zu halten?
Das bedeutet, dass ich weiterhin versuchen muss, Dinge zu veröffentlichen, auch auf einer Website, die jemand anderes erstellt hat, aber ich habe noch nicht wirklich im Detail darüber nachgedacht, wie ich das machen werde. Ich bin jedoch bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, der willens ist, einige von Kraffts früheren Artikeln neu zu veröffentlichen, da er in seiner Vision, wohin die Weltraumforschung gehen sollte und in welcher Reihenfolge dies geschehen sollte, so weit voraus war. Wir sollten mit dem Mond beginnen. Er sagte immer, wenn Gott gewollt hätte, dass der Mensch in den Weltraum geht, hätte er ihm einen Mond gegeben. Das ist unser Sprungbrett zum Rest des Universums, wie wir lernen, im Weltraum zu leben und im Weltraum zu arbeiten. Und noch einmal: Alle Vorteile, die sich aus der Produktion auf dem Mond ergeben, werden auf die Erde zurückfließen, um die Erde als unseren Garten zu erhalten. Ich denke also, man könnte mit einigen seiner früheren Werke beginnen und Wege finden, diese erneut zu veröffentlichen, da sie immer noch sehr, sehr relevant sind.
Vielen Dank.
