Gegen Ölpreisexplosion helfen keine populistischen Sprüche

Leser unserer Zeitschrift wissen, daß wir uns entschieden gegen die Ökosteuer ausgesprochen haben. Wir haben auch seit Jahrzehnten immer wieder darauf hingewiesen, daß ein exportabhängiges Industrieland wie Deutschland nur durch konsequente Nutzung der Kerntechnik die notwendige strategische Energieunabhängigkeit langfristig gewinnen kann. Was nun aber in den letzten Wochen angesichts rapide steigender Ölpreise von der Opposition an populistischen Parolen verbreitet wurde, ist genauso erbärmlich und unverantwortlich wie die Politik der rot-grünen Regierung.

Wer glaubt denn wirklich, daß mit Appellen an die OPEC, die Ölförderung zu erhöhen, oder gar dem hektischen Versuch, die strategischen Ölreserven anzugreifen, die Ölpreise wieder gesenkt werden können? Wer glaubt denn, daß ein Aussetzen der Ökosteuer oder sonstiger Steuern gegen die auf uns zulaufende Inflationslawine etwas ausrichten kann, von der die Ölpreise nur der Anfang sind?

Wenn Politiker nicht den Mut haben, das wirkliche Ausmaß der Wirtschaftskrise anzusprechen und sich statt dessen in populistischen Sprüchen ergehen, ist garantiert, daß sie den Problemen der nächsten Monate hilflos gegenüberstehen.

Wer dem Bürger die Dynamik der Ölpreisentwicklung verständlich machen will, der muß sich zuerst von der Lüge des „langanhaltenden Wirtschaftsaufschwungs in den USA“ und dem Erfolg der „New Economy“ trennen.

In Wirklichkeit lebt die US-Wirtschaft vom Pump, und zwar in großem Stil: Sie braucht täglich etwa 2 Mrd. $ Zustrom ausländischen Kapitels, um ihren schon längst eingetretenen Bankrott zu vertuschen. Nur vor dem Hintergrund der Realität des riesigen US-Schuldenbergs wird die Entwicklung der Ölpreise verständlich.

Selbst nach Angaben der amerikanischen Federal Reserve wuchsen die Schulden in den Vereinigten Staaten in den 90er Jahren dreimal so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt. Auf jeden Dollar nominellen Wirtschaftswachstums kommen 3,27 Dollar zusätzlicher Schulden!

Am 5. Juli schrieb das Wall Street Journal unter der Überschrift „US-Schulden erreichen einen Rekord – Sirenengesang der schnellen Kredite löst Alarmglocken aus“ das folgende:

„Die Schulden der nicht im Finanzsektor tätigen Unternehmen stiegen in den letzten fünf Jahren um 67 % auf 4,5 Bio. $, während die Schulden der Haushalte sich um 60 % auf 6,5 Bio. $ vermehrten… 1999 wurden mehr als 160 Mrd. $ an ,zweitklassigen‘ Hypotheken an Kreditnehmer mit verminderter Kreditwürdigkeit vergeben, dies sind 11 % aller Hypotheken… In den USA sind ,Ramschanleihen‘ (Junk Bonds) im Wert von 529 Mrd. $ im Umlauf – gegenüber 173 Mrd. $ vor zehn Jahren. Darüber hinaus vergaben Kreditsyndikate Kredite in Höhe von 320 Mrd. $ an Firmen mit verminderter Kreditwürdigkeit… Im Durchschnitt hat jeder amerikanische Haushalt inzwischen 13 Kreditkarten und 7.500 Dollar an Kreditkartenschulden – gegenüber 3.000 Dollar im Jahr 1990… Die Schulden der Privathaushalte belaufen sich jetzt auf 101 % ihres Einkommens – ein historischer Rekord… Die Unternehmensschulden belaufen sich jetzt auf 46 % des amerikanischen BIP – der höchste Stand, der je erreicht wurde.“

Das Wall Street Journal berichtet in diesem Artikel nicht über die Schulden der Finanzunternehmen. Diese müssen natürlich hinzugezählt werden und belaufen sich laut seriöser Schätzung auf 25 Bio. $!

Offizielle Statistiken geben für die amerikanische Handelsbilanz im ersten Halbjahr 2000 ein Defizit von 177,6 Mrd. $ an. Das ist das größte Handelsbilanzdefizit in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Allein im Juni 2000 betrug das Handelsbilanzdefizit 30,6 Mrd. $. Das Zahlungsbilanzdefizit der USA wächst immer rascher und wird nach Schätzungen der OECD im Jahr 2000 auf 430 Mrd. steigen.

1999 investierten ausländische Investoren täglich rund 1 Mrd. $ in den Vereinigten Staaten. Im ersten Quartal 2000 floß nach den Angaben des US-Handelsministeriums pro Tag durchschnittlich 1,9 Mrd. $ an ausländischem Kapital ins Land!

Doch das Problem ist nicht allein auf die US-Wirtschaft beschränkt. Die Dämme der Aktieninflation an den internationalen Börsen brechen und überschwemmen andere Märkte, wie den Immobilienmarkt und die Rohstoffmärkte, insbesondere den in Dollar abgewickelten Ölmarkt.

Hinzu kommt das bekannte Problem der Derivatespekulation. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) stieg der Umsatz börslich gehandelter Finanzderivate im 1. Quartal 2000 um 34 % auf 102 Billionen $ (außerbörslich wird wahrscheinlich nochmals eine Summe dieser Größenordnung gehandelt). Das ist der höchste Stand seit dem 107-Billionen-Rekord im 3. Quartal 1998, d.h. dem Quartal des Zusammenbruchs des New Yorker Hedge Funds LTCM, der mit einem Eigenkapital von rund 3 Mrd. $ internationale Derivateverbindlichkeiten von über 1.000 Mrd. $ eingegangen war und dessen Zusammenbruch damals das Weltfinanzsystem mit in den Abgrund zu reißen drohte.

Das ist die Realität, vor der unsere Politiker in Regierung und Opposition gleichermaßen die Augen verschließen. Diesem moralischen Bankrott wird der wirtschaftliche Bankrott unseres Landes zwangsläufig folgen. Deshalb muß jeder Bürger, der ein Interesse an einer gesicherten wirtschaftlichen Zukunft hat, von seinen Volksvertretern verlangen, daß sie sich ein Beispiel an einigen Politikern aus dem Entwicklungssektor nehmen.

Am 21. Juni hielt der Ministerpräsident Malaysias, Dr. Mahathir, in Kairo im Zusammenhang der Beratungen der „Gruppe der 15“ führender Entwicklungsländer eine bemerkenswerte Rede. Er sagte: „So wie absolute Freiheit zur Anarchie führt, so führt absolute Globalisierung zu Chaos, wie wir das bei den jüngsten Finanzkrisen gesehen haben. Wir dürfen eine Tyrannei des ,freien Marktes‘ nicht zulassen, wo die Macht nicht aus dem Gewehrlauf, sondern aus dem Scheckbuch kommt… Die (Asien-)Krise hat auch die Notwendigkeit der Reform der internationalen Finanzarchitektur gezeigt. Das sogenannte Hauptorgan des Weltfinanzsystems, der IWF, wird jetzt vielfach ob seines Mißmanagements der Krisen attackiert… Man sollte sich daran erinnern, daß feste Wechselkurse mit einem freien Markt sehr wohl vereinbar sind. Die Vereinbarungen von Bretton Woods, womit der Welthandel wiederbelebt wurde, basierten auf festen Wechselkursen… Regierungen, besonders demokratische Regierungen, schulden es ihrer Bevölkerung, Wohlstand und die Entwicklung der Nation zu gewährleisten… Malaysia hat die Globalisierung des Kapitals ganz direkt erfahren, und wir sind dabei beinahe zerstört worden. Glücklicherweise konnten wir unsere eigenen Methoden entwickeln, um uns zu schützen und um die Wirtschaft wieder aufzubauen.“

Daraus müssen die Schlußfolgerungen für Europa gezogen werden, und zwar möglichst, bevor wir die europäische Version der „Asienkrise“ erleben. Die Ölpreisexplosion beweist: Es ist höchste Zeit!

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