Fusionsenergie viel näher als man denkt

Paul Gallagher, ehemaliger Geschäftsführer der Fusion Energy Foundation in den USA, wurde am 18. Januar 2023 von Jason Ross für die LaRouche-Organisation in einem Video-Interview zu den jüngsten Durchbrüchen und Fortschritten bei der Entwicklung der Fusionsenergie befragt. Es folgt eine bearbeitete Version des Videointerviews, das auf englisch im Internet verfügbar ist.


Die Kernfusion steht vor einem Durchbruch, der wahrscheinlich in naher Zukunft mehr als jeder andere dazu beitragen wird, das Potential der menschlichen Spezies zu erhöhen. Das würde bedeuten, daß wir uns die Kraft zunutze machen, die das Licht, die Wärme und die Energie der Sonne erzeugt, um sie zur Deckung unseres Strombedarfs einzusetzen und um unsere industrielle Beziehung zu Bergbau, Werkstoffen, Wasser, Energie, Verkehr usw. zu verändern. Ein kürzlich erzielter Durchbruch in einer Anlage in Kalifornien, der sogenannten National Ignition Facility, hat viel Aufmerksamkeit in den Medien erregt; die Begeisterung darüber ist groß. Deshalb will ich heute mit Paul Gallagher sprechen, Wirtschaftsredakteur von EIR und ehemaliger Geschäftsführer der Fusion Energy Foundation. Sprechen wir gleich am Anfang über diesen Durchbruch in der National Ignition Facility: Was bedeutet hier „Break-Even“? Was ist passiert?

Ich denke, die wichtigste Tatsache ist, daß diese Einrichtung am Lawrence Livermore National Laboratory schon seit langer Zeit Fusionsexperimente durchführt, aber in den letzten zwei Jahren in einer Reihe von Experimenten plötzlich eine 50fache – nicht 50prozentige, sondern 50fache – Ergebnisverbesserung in nur einer Reihe von drei oder vier „Schüssen“ ihrer Laserfusionsanlage erreicht hat. Das ist ein enormer Fortschritt auf dem Weg zur Realisierung der Fusionsenergie. Dabei wurde zum ersten Mal bei einem Fusionsexperiment in der Welt die Tatsache berücksichtigt, daß die Laser-Brennstofftarget-Vorrichtung mehr Energie, mehr Leistung, als die Laser erzeugten. Der Break-Even wurde um etwa 50 Prozent überschritten – 3 Megajoule im Vergleich zu 2 Megajoule Laserleistung zuvor…

Trotz der Tatsache, daß die Anlage für militärische Zwecke gebaut wurde, ist dies ein sehr wichtiges Signal dafür, daß die Fusionsenergie in greifbare Nähe rücken könnte – viel näher, als man vielleicht denkt. Und es ist ein Signal, das auch für viele andere Forschungs- und Entwicklungslinien im Bereich der Kernfusion gilt, auch wenn diese vielleicht mit anderen Ansätzen arbeiten als diese Laseranlage.

Zu Recht wurde in den wissenschaftlichen und in einigen populären Medien weltweit darüber berichtet, und das Energieministerium hielt eine Pressekonferenz ab, an der viele der Teamleiter der National Ignition Facility teilnahmen – einschließlich der Energieministerin Jennifer Granholm und die Leiter der Washingtoner Behörden, die für die Finanzierung dieses Programms zuständig sind. Auch das war beispiellos…

Transformation der Ergebnisse

Die National Ignition Facility ist eine Anlage in Kalifornien, in der 200 Laser auf ein winziges Brennstoffpellet gerichtet sind, in dem die Fusion stattfindet. Wie funktioniert dort die Kernfusion? Was passiert in diesem Pellet? Und ich möchte fragen, was das mit der nationalen Verteidigung zu tun hat.

In Abbildung 1 ist eine schematische Darstellung davon zu sehen. Es handelt sich um eine riesige Laseranlage, die allerdings ziemlich alt ist. Sie wurde in den frühen 1990er Jahren mit Technologie aus den 1980er Jahren aufgebaut. Aber sie erzeugt eine enorme Menge an Laserenergie.

Die Laseranlage ist fast 280 Meter lang und konzentriert seine Strahlen auf beide Enden des Zylinders, den man hier sieht, einen sehr kleinen Zylinder, in dem sich ein noch viel kleineres Brennstoffpellet befindet, das hier weiß dargestellt ist – es ist eigentlich Silber, es ist ein Diamantpellet – das aus Deuterium und Tritium besteht [Isotope von Wasserstoff – Anm. d. Red].

Abbildung 1. Schematische Darstellung des von Laserstrahlen getroffenen Brennstoffpellets. Bild: Lawrence Livermore Laboratorium, USA
Abbildung 1. Schematische Darstellung des von Laserstrahlen getroffenen Brennstoffpellets. Bild: Lawrence Livermore Laboratorium, USA

Wie man sieht, sind die Laser nicht direkt auf das Brennstoffpellet gerichtet, sondern auf die Wände dieses kleinen Zylinders. Dadurch wird ein Röntgenstrahlenfluß erzeugt, ein sehr präziser und symmetrischer Röntgenstrahlenfluß aus allen Richtungen, der das Brennstoffpellet sehr, sehr schnell schockkomprimiert, wodurch es im wesentlichen implodiert und dann mit Energie explodiert. Zusätzlich, was hier nicht gezeigt wird … hat man eine starke elektrische Spule so um diesen Zylinder herum angeordnet, daß ein starkes Magnetfeld um ihn herum erzeugt wird, wodurch der explodierende Brennstoff weiter komprimiert wird, so daß die Explosion nicht zu einer plötzlichen Ausdehnung und Abkühlung des gesamten überhitzten Brennstoffs [Plasmas] führt, sondern diese Energie komprimiert und festgehalten wird.

Es handelt sich also um eine Hybridform zwischen dem Magneteinschluß – den man normalerweise bei den Tokamaks findet, bei der das überhitzte Plasma durch Magnete eingeschlossen wird – und dem Trägheitseinschluß, bei dem das überhitzte Plasma durch Laser oder möglicherweise andere Arten von Strahlen – hier aber definitiv durch Laser – schockartig eingeschlossen wird. Tatsächlich haben wir es hier mit einer Mischung aus beiden zu tun. Das Magnetfeld konnte erst vor etwa zwei Jahren hinzugefügt werden und deckt sich mit dem außergewöhnlichen Fortschritt der Ergebnisse seither.

In einem Artikel [in den Physical Review Letters der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft – Anm. d. Red.] wurde kurz vor dem Experiment vom 5. Dezember 2022, bei dem den Break-Even erreicht wurde, beschrieben, wie die Hinzufügung dieses Magnetfeldes die Aufheizung bereits vor diesem letzten Test um 40 Prozent erhöht und die tatsächlich erzeugte Energiemenge verdreifacht hatte (Abbildung 2). Mit dem Experiment vom 5. Dezember wurden die Ergebnisse dann noch viel besser, und man lag tatsächlich 50 Prozent über dem Break-Even.

Abbildung 2. Durch den Magneteinschluß um das Brennstoffpellet verdreifachte sich die erzeugte Energiemenge der Fusionsreaktionen. Bild: Lawrence Livermore Laboratorium, USA/John Moody
Abbildung 2. Durch den Magneteinschluß um das Brennstoffpellet verdreifachte sich die erzeugte Energiemenge der Fusionsreaktionen. Bild: Lawrence Livermore Laboratorium, USA/John Moody

Du sagtest, es handele sich um eine Kombination aus zwei verschiedenen Techniken: den Trägheitseinschluß und den Magneteinschluß. In der Sonne kommt es zu Fusionsreaktionen dadurch, daß die kleineren Kerne einfach zusammengedrückt werden, weil die Schwerkraft der Sonne so stark ist. Bei der National Ignition Facility war der ursprüngliche Ansatz ziemlich ähnlich: Die Laser drücken alles zusammen. Ist dies deines Wissens nach jetzt das erste Experiment, bei dem beide Ansätze kombiniert werden?

Es gibt eine Vielzahl verschiedener Konzepte für den Magneteinschluß. Allgemein bekannt sind seit Jahren Zeichnungen und Bilder von Tokamaks, diesen donatförmigen oder neuerdings eher kugelförmigen Kammern, in denen Magnete in Poloidalrichtung über den Polen und auch Magnete in Toroidalrichtung um den Tokamak angebracht sind. Aber es gibt noch viele, viele andere Magneteinschluß-Konzepte.

Wichtig anzumerken sei hier, daß hier nicht zum ersten Mal diese beiden Methoden kombiniert werden, sondern daß die Fusion Energy Foundation bereits 1975, ein Jahr nach ihrer Gründung auf Initiative von Lyndon LaRouche, darüber geschrieben hat und sich dafür eingesetzt hat…

Abbildung 3. Artikel vom 9. Januar in world nuclear news.
Abbildung 3. Artikel vom 9. Januar in world nuclear news.

Fusionsexperimente in China

Ein anderer großer Durchbruch in der Kernfusion erfolgte mit dem Konzept des Magneteinschlusses – nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in China mit dem EAST [Experimental Advanced Superconducting Tokamak]. Auch damit wurden in den letzten Jahren Rekorde aufgestellt. Was war passiert?

In Abbildung 3 zeige ich einen Artikel vom 9. Januar 2023 [von world nuclear news] mit der Überschrift „Chinese Tokamak Achieves Super-I Mode“. Das bezieht sich auf eine Versuchsanlage, die die Chinesen in Hefei entwickelt haben und die sehr eng mit dem viel größeren Internationalen Thermonuklearen Versuchsreaktor (ITER) in Frankreich zusammenarbeiten soll, einem Tokamak, der – leider mit vielen Verzögerungen – von einer Koalition aus 35 Ländern gebaut wird… Auch an dem chinesischen Tokamak arbeiten Wissenschaftler aus aller Welt. Er dient als eine Art Prüfstand für das, was im ITER passieren soll. Mit guter Finanzierung durch die chinesische Regierung und großer internationaler Beteiligung von Wissenschaftlern und Ingenieuren hat der EAST ein außergewöhnliches Ergebnis erzielt.

Es ist dort gelungen, ein überhitztes Plasma zu erzeugen und es mit Magnetfeldern fast 20 Minuten lang völlig stabil zu halten. Mit anderen Worten, es war mehr als lange genug heiß – es fehlte nur die erforderliche Plasmadichte, um auf diese Weise den Break-Even zu erreichen, so wie es mit dem Livermore-Experiment gerade gelungen ist. Im [Livermore-]Experiment wurde das kleine Brennstoffpellet lange genug heiß und dicht genug gehalten, damit der Brennstoff tatsächlich zündet und mehr Energie nach außen als nach innen abgibt. Im chinesischen Tokamak wurde das Plasma genügend aufgeheizt – auf eine Plasmatemperatur von 130 Millionen Grad [Fahrenheit, oder ca. 70 Millionen Kelvin] –, und es konnte fast 20 Minuten eingeschlossen und während der gesamten Dauer des Experiments ziemlich stabil gehalten werden.

Und es wurde vollständig eingeschlossen. In der Vergangenheit gelang es nur, den dichteren inneren Teil des Plasmas einzuschließen, während die Ränder des Plasmas sich lösten und gegen die Wände der Versuchsmaschine prallten. Der EAST-Tokamak hielt das Plasma nicht nur in der Mitte oder im „tiefen Plasma“, sondern auch um den gesamten Rand herum eingeschlossen… Es hat sich offensichtlich „selbst eingeschlossen“; es hat sich gewissermaßen selbst organisiert.

Das war auch ein wichtiger Fortschritt… Man hätte das Experiment noch länger fortführen können, wenn man gewollt hätte, und das wird jetzt auch geschehen. Zusätzlich muß jetzt noch die ausreichende Dichte erreicht werden. Der EAST-Tokamak beginnt in gewisser Weise die Aufgabe zu übernehmen, die für den großen ITER in Frankreich gedacht war, der sich immer und immer wieder verzögert hat.

…Wie international ist die EAST-Forschung in China? Steht sie auch Wissenschaftlern aus anderen Ländern offen?…

Dies ist ein ziemlich transparentes Programm. Es arbeiten dort Wissenschaftler und Ingenieure aus Rußland, Korea, Indien, Australien und Deutschland, und es ist auch transparent, was seine Ergebnisse angeht. Dies ist ein entscheidendes Element der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Kernfusion, wie sie die Fusion Energy Foundation bereits 1979 und 1980 als Voraussetzung zur Verwirklichung der Kernfusion gefordert hat: Es sollten ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, damit in vielen Teilen der Welt so schnell wie möglich robuste Experimente durchgeführt werden können; all diese Arbeiten sollten transparent und kooperativ sein, d. h. die Ergebnisse sollten diskutiert werden, sobald sie erzielt und bestätigt wurden … damit [die Wissenschaftler] die Ergebnisse auf ihre eigene Arbeit anwenden können.

Das war bisher nicht der Fall. Vor allem müssen jetzt erhebliche zusätzliche Mittel bereit gestellt werden, um weitere Fortschritte zu erreichen, und es ist dringend notwendig, die absurde Barriere abzubauen, die derzeit in der Fusionsarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und China besteht. Wenn chinesische Wissenschaftler zu internationalen Konferenzen kommen, um zu beschreiben, was sie erreicht haben, dann dürfen US-Wissenschaftler nicht an der gleichen Konferenz teilnehmen…

Zusammenarbeit oder Konkurrenzkampf

Man muß sich die Vorteile vor Augen halten, die sich aus der Bereitstellung von mehr Mitteln ergeben, aber auch aus der Möglichkeit, Forschungsergebnisse zu teilen, um unnötige Doppelarbeit zu vermeiden. Ich möchte in diesem Zusammenhang aus einer Rede von John F. Kennedy zitieren, die er am 20. September 1963 vor den Vereinten Nationen gehalten hat. Darin ging es nicht um die Kernfusion und nicht um China, sondern um den Weltraum, die Sowjetunion und die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich. Kennedy sagte: „Schließlich gibt es auf einem Gebiet, auf dem die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion eine führende Stellung einnehmen – dem Gebiet der Raumfahrt – Ansatzpunkte genug für eine neue Zusammenarbeit, für weitere gemeinsame Anstrengungen bei der Ausarbeitung eines Weltraumrechts und der Erforschung des Weltraumes. Zu diesen Möglichkeiten gehört auch eine gemeinsame Expedition zum Mond. Der Weltraum bietet keine Souveränitätsprobleme. In einer Resolution dieser Versammlung haben die Mitglieder der Vereinten Nationen auf jegliche territoriale Rechtsansprüche im Weltraum oder an Himmelskörpern verzichtet und erklärt, daß das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen gültig sein soll. Warum sollte daher der erste Flug des Menschen zum Mond die Angelegenheit eines nationalen Wettstreits sein? Warum sollten sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion bei der Vorbereitung solcher Expeditionen auf immense Doppelarbeit auf dem Gebiet der Forschung, der Konstruktion und der Ausgaben einlassen? Wir sollten prüfen, ob die Wissenschaftler und Astronauten unserer beiden Länder – ja der ganzen Welt – bei der Eroberung des Weltraums nicht zusammenarbeiten können, um eines Tages in diesem Jahrzehnt einen Vertreter nicht einer einzigen Nation, sondern die Vertreter der gesamten Menschheit zum Mond zu schicken.“

In gewisser Weise ist diese Perspektive… im ITER-Projekt in Frankreich verkörpert, das aus einem großen internationalen Konsortium besteht. Von den Projekten, die du bisher genannt hast, ist die National Ignition Facility eigentlich ein Waffenprojekt. Stammen deshalb nicht die meisten ihrer Mittel aus diesem Bereich?

Darüber erfolgt die gesamte Finanzierung – über den National Defense Authorization Act und die National Nuclear Security Agency des Energieministeriums… Ursprünglich, vor 50 Jahren, begann das Programm als Versuch, sehr kleine thermonukleare Explosionen mit Lasern zu zünden, anstatt mit Plutonium… Dann, vor 30 Jahren, als der „Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen“ ausgehandelt und schließlich 1996 ratifiziert wurde, … begann man, das Programm so umzubauen, daß man die Zündung von Atomsprengköpfen „virtuell“ testen konnte, ohne sie tatsächlich zu zünden… Das bedeutete die Fähigkeit, Diagnosen von unglaublicher Präzision und Geschwindigkeit zu entwickeln, die es ermöglichten, den Zustand der Sprengköpfe … zuverlässig zu halten.

Ich bin mir sicher, daß die Wissenschaftler dort auch wissen, daß sie bestimmte Ergebnisse erzielen, die sich direkt auf die Realisierung der Fusionsenergie auswirken… Sie sind sich der Tatsache bewußt, daß die Zündung der Kernfusion und die Erreichung des Break-Even nicht nur möglich sind, sondern daß man kurz davor steht, dies auch zu demonstrieren. Diese riesige fußballfeldgroße Laseranlage ist sicher kein Prototyp für ein Fusionskraftwerk, doch das, was in dieser Kompressionskammer passiert, wo der Brennstoff durch die Laser und den Röntgenstrahl tatsächlich zur Detonation gebracht wird, … ist sehr wichtig für den gesamten weltweiten Bereich der Fusionsentwicklung.

Abbildung 4. In diesem Artikel schrieb Marsha Freeman, eine der Gründerinnen der Fusion Energy Foundation, vor fast 15 Jahren, daß es nie eine ernsthafte Finanzierung gab, um die kommerzielle Kernfusion zu verwirklichen. Bild: 21st Century Science & Technology
Abbildung 4. In diesem Artikel schrieb Marsha Freeman, eine der Gründerinnen der Fusion Energy Foundation, vor fast 15 Jahren, daß es nie eine ernsthafte Finanzierung gab, um die kommerzielle Kernfusion zu verwirklichen. Bild: 21st Century Science & Technology

Und tatsächlich äußerte sich die Energieministerin auf ihrer Pressekonferenz entsprechend. Dieser Durchbruch sei eine gute Nachricht für die „dekadische“ Absicht der Biden-Administration, innerhalb von 10 Jahren die Fusionsenergie zu kommerzialisieren. Ich bin mir sicher, daß diese Äußerung für viele neu ist. Es ist meines Erachtens keine Frage, in welche Richtung sich die Forschung jetzt schnell entwickeln wird, auch wenn ihr Zweck immer noch das Testen von Atomsprengköpfen ist.

Fusionsprogramm jahrzehntelang unterdrückt

Was die Finanzierung angeht: Die National Ignition Facility ist eine Einrichtung mit Mitteln von einer halben Milliarde US-Dollar. Hunderte von Millionen sind da hineingeflossen… Wie hoch sind eigentlich die öffentlichen Mittel für die Kernfusion in den Vereinigten Staaten?

Das sieht ganz anders aus, als die meisten Leute denken. Alle meinen, sie hätten gelesen und wüßten, daß die Fusionsforschung und -entwicklung seit mehr als 50 Jahren ihre Ziele nicht erreicht hat, daß trotz des vielen Geldes, das in sie geflossen ist, kein nennenswerter Fortschritt erzielt wurde. Das ist falsch.

Ich möchte mich auf eine der führenden Autorinnen über weltraum- und fusionstechnische Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, Marsha Freeman, beziehen, die auch eine der Gründerinnen der Fusion Energy Foundation war, als Lyndon LaRouche sie ins Leben rief. In einem Artikel, den sie vor fast 15 Jahren schrieb, machte sie deutlich, daß es nie eine ernsthafte Finanzierung gab, um die kommerzielle Kernfusion zu verwirklichen (siehe Abbildung 4).

Das Budget für die Fusionsenergie belief sich in den USA anfangs auf etwa 550 Millionen US-Dollar pro Jahr an Bundesmitteln für Forschung und Entwicklung – das war in den Jahren 1978 und 1979. Im Jahr 1980 wurde dank der Bemühungen des Kongreßabgeordneten Mike McCormack und der Fusion Energy Foundation und anderer das Magnetic Fusion Energy Engineering Act of 1980 verabschiedet, in dem festgestellt wurde, daß in den nächsten 20 Jahren – also bis zum Jahr 2000 – 20 Milliarden US-Dollar benötigt werden, sowie ein sehr robustes Programm internationaler Zusammenarbeit, Ergebnistransparenz und der gleichzeitigen Verfolgung aller verschiedenen Entwürfe und Wege der Fusionsforschung, um vor dem Jahr 2000 zu einem Demonstrationsreaktor zu gelangen.

Tatsächlich geschah genau das Gegenteil. Aus den 550 Millionen US-Dollar Ende der 1970er Jahre wurden bis 1983 444 Millionen US-Dollar. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre waren es 325 Millionen und 2008, kurz vor dem Finanzcrash, 286 Millionen US-Dollar. Im laufenden Haushaltsjahr werden es voraussichtlich 117 Millionen US-Dollar sein.

Wow! Das ist erstaunlich.

Das allein sagt bereits alles. Zudem wurde der Tokamak-Fusionstestreaktor in Princeton, der außergewöhnliche Ergebnisse erzielte – [Plasma-]Temperaturen von 500 Millionen Grad Celsius, viel höher, als von denen, die man heute hört – nach Erreichen dieser Ergebnisse abgeschaltet. Das Supraleitungsexperiment in Texas wurde eingestellt, ohne jemals in Betrieb zu gehen. Das sogenannte Plasmaspiegelexperiment in Livermore wurde abgebrochen, ohne jemals in Betrieb zu gehen.

Es traten die Malthusianer auf den Plan, verkörpert durch James Rodney Schlesinger, der in der Reagan-Regierung das Energieministerium leitete, Malthusianer, die vorsätzlich alle Errungenschaften in der Fusionsforschung unter den Tisch fallen und der Forschung die Mittel entziehen wollten… Während der gesamten letzten 50 Jahre gab es in den Vereinigten Staaten, die einst in der Fusionsforschung weltweit führend waren, nie eine ernsthafte Finanzierung…

Ich möchte folgendes fragen. Es gibt eine Menge Leute, die sich für die Entwicklung der Kernfusion begeistern und wissen, welches Potential die Kernfusion hat. Viele dieser Leute warten nicht unbedingt auf öffentliche Gelder. Es gibt auch private Unternehmen, die sich in diesem Bereich engagieren, denn wenn man einen Durchbruch schafft, läßt sich damit unter anderem viel Geld machen, aber man kann auch einen echten Beitrag für die Menschheit leisten. Wie sieht es mit privaten Investitionen in die Fusionsforschung aus?

In den letzten Jahren haben diese die öffentliche Finanzierung in den Schatten gestellt, und zwar sind Investitionen in der Größenordnung von 5 Milliarden Dollar in mehr als ein Dutzend privater Unternehmen geflossen, die an vielen verschiedenen Fusionskonzepten arbeiten und von Risikokapitalgebern, Milliardären und so weiter finanziert werden…

Im Zuge der Aufregung über den Durchbruch der National Ignition Facility wurde ein Video veröffentlicht – ich glaube, nur wenige Tage nach der Pressekonferenz [am 13. Dezember 2022], die hierzu stattfand. Das Video wurde von der Zeitschrift Real Engineering produziert, allerdings in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen namens Helion Energy. Dies ist eine von mehreren privaten Firmen, die keine Laserfusion und auch keine Tokamak-Konzepte verfolgen. Sie arbeiten an Konzepten, die es bereits lange gibt und die – laß es mich so ausdrücken – so alt wie die Fusion Energy Foundation sind! Mit diesen Entwürfen haben damals bereits die Pioniere der Fusionsforschung gearbeitet.

Abbildung 5. Das Fusionsexperiment der privaten Firma Helion Energy basiert auf dem „magnetischer Pinch-Effekt mit umgekehrtem Feld“ und könnte direkt Strom erzeugen, ohne den Umweg über eine Dampfturbine. Bild: Real Engineering/Brian McManus
Abbildung 5. Das Fusionsexperiment der privaten Firma Helion Energy basiert auf dem „magnetischen Pinch-Effekt mit umgekehrtem Feld“ und könnte direkt Strom erzeugen, ohne den Umweg über eine Dampfturbine. Bild: Real Engineering/Brian McManus

Ein anderes Design: Der Pinch-Effekt

Für eine dieser Konstruktionen gibt es mehrere Bezeichnungen: Ich nenne sie am besten „reversed-field magnetic pinch“ [magnetischer Pinch-Effekt mit umgekehrtem Feld]. Abbildung 5 ist aus diesem Video, das in letzter Zeit etwa 4 Millionen Mal aufgerufen wurde. Es ist 30 Minuten lang und außerordentlich detailliert, was für die privaten Fusionsprogramme neu ist. Gewöhnlich sind sie nicht darauf bedacht, ihre Ergebnisse im Detail mit anderen Fusionsunternehmen und Fusionsprogrammen zu teilen, da sie hoffen, innerhalb kurzer Zeit kommerzialisierbare Ergebnisse zu erzielen. Daher ist es meiner Meinung nach außergewöhnlich, daß ein Video mit einem sehr ausführlichen Interview und einer Demonstration aller Teile der Anlage durch den Geschäftsführer erscheint und eine so große Verbreitung findet. Das ist eine sehr gute Sache.

Was man in der Abbildung sieht, ist ein langer – vielleicht 20 bis 30 Meter langer – Zylinder mit zwei symmetrischen Enden, der sich zur Mitte hin verengt. Die Spulen darum herum erzeugen sehr starke Magnetfelder, besonders in der Mitte. Im Video sieht man, wie die Plasmen an beiden Enden durch die Injektion von Treibstoff erzeugt und magnetisch aufgeheizt werden – bei für diese Art von Zylinder relativ niedrigen Temperaturen, etwa eine Million Grad Celsius. Dann wird gezeigt, wie die beiden Plasmen beschleunigt und mit Millionen von Kilometern pro Stunde aufeinander zurasen und genau in der Mitte zusammenstoßen.

Bei der Kollision werden sie durch das Magnetfeld in diesem mittleren Bereich sehr stark komprimiert, und auch durch die Tatsache, daß der Zylinder selbst in diesem Bereich seine größte Engstelle hat. Die Magnetfeldlinien werden immer stärker komprimiert, und sie komprimieren wiederum das Plasma – die Elektronen und positiven Ionen im Plasma.

Man versucht hier, ein sehr starkes Magnetfeld mit einem ionisierten Plasma zu kombinieren, das eigentlich ein Strom ist, und somit direkt einen weiteren elektrischen Strom zu erzeugen. Das heißt, es wird nicht wie in anderen Fusionsprojekten mit Neutronen Wärme erzeugt, die Dampf erzeugt, der eine Turbine antreibt, um dann Strom zu erzeugen, sondern es wird direkt Strom in dieser zentralen „Brennkammer“ erzeugt, wenn ich sie hier Brennkammer nennen darf…

Je häufiger man diese Kollision der beiden Plasmen erreichen kann, die sehr schnell von einer Million Grad auf bis zu 100 Millionen Grad und mehr erhitzt werden; je häufiger man das pro Minute, pro Sekunde erreichen kann, desto mehr „Kolbenstöße“ zur Energie- und Stromerzeugung können in dieser zentralen Kammer stattfinden.

Darüber hinaus wird dabei eine Brennstoffkombination aus Deuterium und Helium-3 verwendet, die bekanntermaßen der beste Brennstoff für Fusionsreaktionen ist, da sich in diesem Plasma nur geladene Teilchen befinden und die Neutronen nur eine relativ geringe Energie aufweisen. Das bedeutet, daß die geladenen Teilchen leicht durch Magnetfelder eingeschlossen und gelenkt werden können.

Diese Art von magnetischem Pinch-Effekt, wie ich es nennen würde, wird auf die eine oder andere Weise von einer Reihe dieser Privatunternehmen verwendet. Ich denke, man kann eine gewisse Ähnlichkeit erkennen zwischen den Lasern der National Ignition Facility, die auf beide Enden des Zylinders einwirken, in dem sich das winzige Brennstoffpellet in befindet, und der Art und Weise, wie die beiden Plasmen beschleunigt werden, um aufeinander zu stoßen und in der zentralen Kammer magnetisch eingeschlossen zu werden – vor allem, wo jetzt das Livermore-Experiment mit einem starken Magnetfeld ausgestattet wurde (siehe Abbildung 2), um den explodierenden Brennstoff einzuschließen.

Ich glaube, das ist wirklich weiterführend. Wenn diese Dinge einfach weiter geteilt und mit finanziellen Mitteln ausgestattet würden, um die Arbeiten zu beschleunigen – selbst wenn es sich dabei um private Unternehmen handelt –, dann würden wir noch weiter kommen.

Ein für die gesamte Menschheit würdiges Ziel

Aber noch einmal: Man kann eigentlich nur lachen, wenn man bedenkt, daß die Risikokapitalgeber und Milliardäre in den letzten zwei Jahren fast 5 Milliarden US-Dollar in diese Sache gesteckt haben, während die Regierung in den USA lediglich 117 Millionen US-Dollar bereitstellt.

Ich möchte noch etwas hinzufügen. Es gibt ein Dokument des US-Energieministerium vom September letzten Jahres, kurz vor dem letzten Durchbruch der National Ignition Facility. Es wird als „Meilensteinprogramm für die Fusionsentwicklung“ hingestellt. Geht es hier um 50 Milliarden US-Dollar? Nein, lediglich um 50 Millionen – wobei noch nicht einmal klar ist, über wie viele Jahre dieses Geld ausgegeben werden soll. Und dort heißt es: „Das Programm wird gewinnorientierte Unternehmen unterstützen, die mit nationalen Laboratorien, Universitäten und anderen zusammenarbeiten können, um wichtige technische und kommerzielle Meilensteine zu erreichen.“

Das wäre definitiv der richtige Weg, wenn man sich auf die Vereinigten Staaten beschränken würde. Aber Universitäten dieser Art gibt es überall auf der Welt, ebenso wie nationale Laboratorien für Laserenergetik und Plasmaphysik auf der ganzen Welt und in China, wo derzeit wahrscheinlich am dynamischsten daran geforscht wird. Für diesen Ansatz werden nicht 50 Millionen US-Dollar benötigt, sondern mindestens die 5 Milliarden US-Dollar – pro Jahr –, wie es die privaten Geldgeber in den letzten zwei Jahren aufgebracht haben. Und es muß ein globales, internationales Kooperationsprogramm sein.

Ich möchte noch einmal auf den Kommentar von Marsha Freeman zurückkommen, den ich vorhin zitiert habe. Sie sagt:

„Jahrzehntelang haben sich Männer der Wissenschaft und Technik und Menschen mit Visionen vorgestellt, was die Nutzung der Fusionsenergie für die Zukunft der Menschheit bedeuten würde. Man erkannte, daß ein Forscher mit einem fusionsgetriebenen Raumschiff im Laufe seines Lebens jeden einzelnen Planeten vor Ort erforschen könnte, um das Ziel des Vaters der Raumfahrt, Hermann Oberth, zu erreichen, der sagte, das Ziel sei es, ,alle Welten bewohnbar zu machen‘. Das ist, wenn weitere Durchbrüche in der Fusionsenergie erzielt werden, ein für die gesamte Menschheit würdiges Ziel.“

Ich denke, besser kann ich es auch nicht ausdrücken.

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