Entwicklungsmöglichkeiten des Systems Eisenbahn

Noch vor dem motorisierten Straßenverkehr hatte sich die Eisenbahn als wichtigstes Verkehrs- und Transportmittel durchgesetzt. Das System Stahlrad-Stahlschiene mit Zwangspurführung bietet nach wie vor größere Sicherheit als der Straßenverkehr. Es wird hinsichtlich der Sicherheit nur vom Magnetbahnsystem, auf das wir im folgenden nicht weiter eingehen, überboten. Neben der Unfallsicherheit und der Zuverlässigkeit bietet der schienengebundene Verkehr zahlreiche weitere Vorteile, die erst allmählich wieder ins öffentliche Bewußtsein zurückkehren.

Ein großer Vorteil ist der geringe Rollwiderstand, der bei der Eisenbahn zwischen 10 und 20 N/t liegt. LKW bringen es auf 30–70 N/t. Unterboten wird die Bahn nur vom langsameren Schiffsverkehr, der bei Geschwindigkeiten unter 10 km/h einen Strömungswiderstand von nur 3–5 N/t aufweist.

Auf der stabilen Stahlschiene ist eine hohe Flächenpressung möglich. Dies und die festen Stahlräder mit relativ kleinem Bauvolumen erlauben auf kleinster Aufstandfläche sehr hohe Rad- und Achslasten. In Europa sind Achslasten zwischen 18 und 22 t je Achse üblich. In den USA, Kanada und Rußland fahren die Bahnen man mit Achslasten zwischen 30 und 36 t. Dabei werden pro Rad hohe Kilometerlaufleistungen erzielt.

Bei der Zwangspurführung wird es mit der heutigen Regelungstechnik möglich, den Fahrbetrieb – jedenfalls im Gütertransport – vollautomatisch zu steuern. Dabei können prinzipiell Geschwindigkeiten von 350 bis 400 km/h herausgefahren werden. Doch legt der außerordentlich hohe Verschleiß an Rad, Schiene und Unterbau bei solchen Geschwindigkeiten nahe, die Geschwindigkeiten im Güterverkehr auf etwa 160 km/h und im Personenverkehr auf 260 km/h zu beschränken.

Bei größeren Entfernungen lassen sich in Europa Transporteinheiten bis zu 5.000 t brutto zusammenstellen. In den USA, Kanada, Rußland und Südafrika verkehren kilometerlange Züge mit bis zu 16.000 t brutto. Die Erzzüge im Inneren Australiens erreichen in einem Zugverbund bis zu 38.000 t brutto. Dazu sind allerdings mehrere Lokomotiven nötig.

Auf dem Wasserweg lassen sich aufgrund der Wellenbildung Schwertransporte nur mit dem Bruchteil der Geschwindigkeit wie auf der Eisenbahn bewegen. Natürlich ist der LKW vor allem bei der Verteilung in der Fläche noch beweglicher und schneller, doch liegt hier die Nutzlastgrenze schon bei 40 t pro Einheit. Die beste Transportgeschwindigkeit bei niedrigstem Energieverbrauch pro Tonne Nutzlast erzielt man auf Entfernungen von über 250 km, wenn man beide Systeme (Eisenbahn und LKW) kombiniert. Um diesen Vorteil weiter auszubauen, wurden intelligente Umschlagsysteme entwickelt.

Die Grenzen des LKWs liegen nicht nur in der geringen Nutzlast pro Einheit, sondern auch in dem höheren Energieverbrauch, den der 3–6mal höhere Rollwiderstand aufgrund der Walkarbeit im LKW-Reifen einfordert. Außerdem erlaubt es die derzeitige Verkehrsdichte nicht, Sattelzüge mit Reisegeschwindigkeiten über 80 km/h fahren zu lassen. Dagegen können Güterzüge mit 160 km/h sicher und wirtschaftlich auf der Strecke bewegt werden.

Auch Umweltgesichtspunkte sprechen für den Eisenbahnverkehr. Da die Strecken heute weitgehend elektrifiziert sind, läßt sich die Schadstoffemission der Energieversorgung auf bestimmte Punkte konzentrieren und dort besser unter Kontrolle halten. Außerdem ist der Abrieb an Rad und Schiene weit geringer und unschädlicher als der an Reifen und Straße. Aus diesem Grund sprachen sich die Schweizer in einer Volksabstimmung mehrheitlich dafür aus, den Transitverkehr durch das Land von der Straße auf die Schiene zu verlegen.

Die Akzeptanz des Schienenverkehrs ließe sich verbessern, wenn einige der heute am häufigsten auftretenden Nachteile beseitigt würden. Dazu sind erhebliche Investitionen in das System erforderlich.

Zunächst wäre es wichtig, die fernsteuerbare Mittelpufferkupplung für Kraftschluß, Bremsluft und Energieübertragung im gesamten Fuhrpark einzuführen. Sodann müßte der Güterwagenpark erneuert werden. Anzuschaffen wären Güterwagen mit niedrigem Leergewicht und leistungsfähigeren Bremsen, so daß sich allein wegen der besseren Bremsen die Zugfolge auf den Strecken erhöhen ließe. Dem gleichen Zweck dienen verbesserte Leitsysteme und die häufigere Einrichtung von Überholgleisen, damit die langsamer verkehrenden Züge nicht den Verkehrsfluß blockieren.

Ein großer Modernisierungsbedarf besteht an den Umschlagknotenpunkten zwischen Schiene und Straße mit Rangierwagen, Container- und Trailerbrücken und entsprechenden Pufferlagerplätzen. Auch sollten am Anfang beziehungsweise Ende der Haupttransportstrecken in beiden Richtungen längere Ablaufberge anlegt werden, mit Hilfe derer die Züge zusammengestellt werden können. Dafür liegen beim Bundesbahnzentralamt Minden Konzepte vor, die Dr. Peter ausgearbeitet hat. Sie wurden bisher wegen fehlender Investitionsmittel nicht umgesetzt.

Eine Verbesserung böte auch der Ausbau des Systems Cargosprinter für leichtere Zugeinheiten zum Beispiel zwischen Betrieben und Transportknotenpunkten. Beim Cargosprinter handelt es sich um einen Shuttlezug mit zwei Triebköpfen, einem vorne und einem hinten. In jedem Triebkopf arbeiten zwei Dieselmotoren von je 250 PS mit einem LKW-Lastschaltgetriebe. Mit ihm kann eine Nutzlast in Containern oder Auflegern mit 120 km/h zwischen einem Endpunkt und einem Transportknoten pendeln. Der Vorteil des Systems: Es lassen sich relativ kleine Gewichtseinheiten flexibel ohne Rangieraufwand von Punkt zu Punkt transportieren, und das ganze ohne große Investitionen.

Ein Schwachpunkt des Cargosprinters sind die LKW-Antriebe. An ihre Stelle könnten vollautomatische Rangierhilfsmittel mit einer Lebensdauer von 25.000 h treten, zum Beispiel das System Rangierrobot und der Teletrac der Firmen Vollert GmbH + Co. KG und Windhoft GmbH. Diese Systeme sind weltweit etwa 400mal im Einsatz und haben sich bewährt. Durch Großserienfertigung dieser Systeme ließen sich die entsprechenden Investitionskosten ebenfalls niedrig halten.

Das wachsende Grundbedürfnis der Menschen nach Mobilität und Austausch läßt sich nicht durch Appelle regeln, auch nicht durch den modischen Appell, den Verkehr von der Straße weg auf die Schiene zu verlegen. Ein solcher Wechsel muß den Menschen Vorteile bringen. Zwar verschafft das zunehmende Verkehrsaufkommen auf der Straße mit einer steigenden Anzahl von Staus und dem sogenannten Verkehrsinfarkt der Schiene wieder einen gewissen Vorteil. Doch wichtiger und weiterführender wäre es, das Transportmittel Eisenbahn im Rahmen konkurrierender Verkehrssysteme wieder leistungs- und vor allem auch konkurrenzfähiger zu machen und es so mit den anderen Verkehrs- und Transportsystemen wie Straße, Wasserweg, Flugverkehr und demnächst auch Magnetbahn zu vernetzen, daß es seinen für ihn typischen Grenznutzenbereich zur Zufriedenheit der Nutzer zurückerobern und weiter ausbauen kann. Das kann ohne weitere Modernisierungen und entsprechende Investitionen nicht gelingen.

In diesem Zusammenhang und angesichts der immer spürbareren Auswirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise sei schließlich an die in Vergessenheit geratene Dissertation von Dr. Spöri, dem ehemaligen stellvertretendem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg erinnert. Er hatte nachweisen können, daß zwischen Investitionen in die Infrastruktur eines Landes, zu der weiterhin auch ein modernes Eisenbahnsystem zählt, und der Einkommensentwicklung der Bevölkerung ein enger Zusammenhang besteht.

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