Der Finanzkrach ist da – was tun?

Als FUSION im Winter 1995 die Voraussage des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Lyndon LaRouche über „die kommende Desintegration der Finanzmärkte“ in einem Artikel präsentierte, gab es teilweise wütende Reaktionen bei einigen Lesern, die LaRouches These als „völlig unseriös“ abtun wollten. FUSION solle endlich aufhören, solchen Unfug zu verbreiten, hieß es.

Inzwischen dürfte sich die Wut dieser Leser in Nachdenklichkeit verwandelt haben: Die Desintegration des Weltfinanzsystems findet gerade vor unseren Augen statt. Die Frage ist längst nicht mehr, ob oder wann eine globale Finanzkrise stattfindet, sondern wie wir die Krise überleben können.

Wie Lyndon LaRouche mehrfach betont hat, wird die heutige Krise nur dann zu lösen sein, wenn man ihre tieferen Ursachen erkennt und beseitigt. Die heutige globale Finanzkrise ist kein zufälliges Ereignis, sondern stellt das Endstadium einer Krankheit dar, die sich seit über 30 Jahren entwickelt hat.

Die Anfänge der Krankheit gehen auf einen grundsätzlichen Richtungswechsel in der Finanz- und Wirtschaftspolitik der maßgebenden Regierungen und Institutionen zurück, der in der Periode 1962–1972 einsetzte. Es kam zu einer schrittweisen Abkehr von der industrie- und nationalökonomisch orientieren Politik der Wiederaufbau- und Entwicklungsperiode der Nachkriegszeit hin zu der heutigen „globalisierten Kasinowirtschaft“, in der weniger als 1 Prozent der Finanztransaktionen noch etwas mit Produktion und Handel realer Güter zu tun haben. Ein erster Schritt war die Abkehr vom ursprünglichen Bretton-Woods-System mit fixen Wechselkursen, einem mit Goldreserven gefestigten Dollar und einem bestimmten Maß von Protektionismus, wodurch insgesamt ein stabiles Klima für langfristige Investitionen geschaffen wurde. Nach Einführung eines Systems variabler Wechselkurse folgten immer radikalere Maßnahmen zur Deregulierung der nationalen und internationalen Banken- und Finanzsysteme sowie eine zunehmende Begünstigung rein fiktiver, spekulativer Formen des Wertzuwachses auf Kosten langfristiger Investitionen in Industrie und Infrastruktur. Die Schuldenpyramide der Entwicklungsländer, die seit der manipulierten Energiekrise Mitte der 70er Jahre und der Hochzinspolitik von 1979 unaufhörlich ins Unbezahlbare anwuchs, wurde von einer noch riesigeren Blase von Staatsschulden, Schulden der privaten Haushalte und künstlich aufgepumpten Aktien- und Immobilienwerte in den Vereinigten Staaten und anderen Industrieländern selbst übertroffen. Ein maßlos aufgeblähter „Dienstleistungssektor“ verschlang immer größere Teile der Gesamtinvestitionen, wissenschaftlich-technischer Fortschritt war plötzlich „out“ und die Wahnvorstellungen einer grünen „nachindustriellen Gesellschaft“ waren „in“.

Als während der 80er Jahre nach mehreren Krisen die strukturelle Schieflage des Weltfinanzsystems immer sichtbarer wurde, unterließen es die Regierungen und Zentralbanken, die von LaRouche und anderen schon damals dringend geforderten Reformen in Angriff zu nehmen. Statt dessen wurde eine Politik betrieben, die das krebsartige Wachstum der Finanzblase noch weiter beschleunigte. Fieberhaft wurde Liquidität in die Blase gepumpt, und mit Hilfe einer radikalen Globalisierungs-, Deregulierungs- und Privatisierungspolitik beseitigte man alle Hindernisse für deren weiteres Wachstum. Die überall auf der Welt entstandenen Metastasen des Finanzkrebses nannte man „Emerging Markets“. Dazu gehörten die Tigerstaaten Asiens genauso wie die neu eroberten Wachstumsräume in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion – mit den verhängnisvollen Folgen, die inzwischen bekannt sind. Als letzte Ausgeburt des Spekulationswahnsinns entstand der weltweite Markt sogenannter „Finanzderivate“ und anderer sogenannter „kreativer Finanzinstrumente“, der ein schwindelerregendes Ausmaß im Billionen-Dollar-Bereich erreichte.

Als LaRouche 1994 seine sogenannte „neunte Voraussage“ veröffentlichte, hätte es eigentlich jedem einigermaßen gut Informierten klar sein müssen, daß die Welt am Vorabend des größten Finanzzusammenbruchs der modernen Geschichte stand. Doch Wunschdenken und ein sich ideologisches Festklammern an der „ewigen Allmacht des Systems“ verblendete die meisten Menschen.

Das Neue Bretton Woods

Was ist jetzt zu tun? Um unsere Ansicht in aller Kürze zusammenzufassen, muß das Finanzsystem wie eine bankrotte Firma unter die Kontrolle der souveränen Regierungen gebracht und radikal reorganisiert werden. Hunderte Milliarden Dollar wertlosen Papiers müssen abgeschrieben und ein neues System nach Vorbild des ursprünglichen Bretton-Woods-Abkommens vom Juli 1944 mit relativ festen Währungsparitäten muß geschaffen werden. Zu einem solchen Schritt kann die entscheidende Initiative nur vom amerikanischen Präsidenten ausgehen, und sie muß von mindestens einem „harten Kern“ von Nationen unterstützt werden. Darunter wäre China von großer Bedeutung. Die mit einem „Neuem Bretton Woods“ verbundene Wirtschafts- und Finanzpolitik müßte folgenden Grundsätzen entsprechen:

  1. Die Ära der „Globalisierung“ wird beendet. Entweder gibt es eine Rückbesinnung auf das Prinzip des souveränen Nationalstaates als Grundlage der internationalen Wirtschaftsbeziehungen oder es wird keine Erholung von der heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise geben.
  2. Eine weltweite wirtschaftliche Erholung ist nur dann möglich, wenn die Nationen auf die Methoden und den Geist jener „protektionistischen“ Politik zurückgreifen, die während der Wiederaufbauperiode der Nachkriegszeit bis 1958 üblich waren. Dies gilt sowohl für die Binnenwirtschaftspolitik der einzelnen Länder wie auch für die Verhältnisse zwischen den Nationen.
  3. Strenge Kontrollen der Kapital- und Währungsflüsse müssen eingeführt werden, und zwar durch die souveränen Nationalstaaten ohne jegliche Abgabe souveräner Entscheidungsrechte an alte oder neue supranationale Institutionen oder sonstige internationalen Instanzen.
  4. Es muß eine äußerst selektive Politik der Krediterweiterung in großem Maßstab für die Förderung von Produktion und Handel mit realen Waren betrieben werden, um unter protektionistischen Bedingungen die Kredit- und Investitionsflüsse hauptsächlich wieder in die Landwirtschaft, die Industrie und die Infrastruktur sowie den damit verbundenen Handel zu richten, während gleichzeitig die Kreditvergabe an andere, nichtproduktive Bereichen eingeschränkt wird. Hierzu ist die Hamiltonische Methode der produktiven Kreditschöpfung durch Nationalbanken ein geeignetes Modell. Mit Hilfe dieser Methoden müssen Großprojekte im Bereich der Infrastruktur (Energie, Transport, Wasser usw.) sowie auch in der Hochtechnologie (z. B. bemannte Raumfahrt) finanziert werden, um die Nachfrage und Beschäftigung in produktiven Bereich der Wirtschaft anzukurbeln.

Entscheidend ist, daß die Überwindung der Krise keine rein finanztechnische Angelegenheit ist, sondern grundsätzliches Umdenken erfordert. Unserer Auffassung nach war die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskatastrophe, die weltweit bereits eine breite Spur der Zerstörung hinterlassen hat, vollkommen unnötig und vermeidbar. Es gilt, daraus die Lehre zu ziehen.

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